Elten. Die von der Fällung bedrohte Linde am Markt in Elten wurde zu konkretem Anlass gepflanzt. Wieso der Baum eine problematische Geschichte hat.
Das Ende der Linde auf dem Eltener Markt naht. Ein Gutachten aus 2021 gibt der Linde noch eine Lebensdauer von maximal 15 Jahren. Sage und schreibe 152 Jahre hat der Baum allerdings auch schon auf dem Buckel. Denn am 2. September 1872 wurde er feierlich gepflanzt. Das Datum wurde damals ganz bewusst gewählt.
Gutachter kommt diese Woche
Aktuell sind die Sitzgelegenheiten und der Bereich rund um die Linde gesperrt, da ein großer Ast vor einiger Zeit auf den Marktplatz gestürzt ist. Bei dem Vorfall entstand glücklicherweise kein größerer Schaden. Die Stadt Emmerich hat einen externen Gutachter beauftragt, der den Baum untersuchen soll.
Diese Untersuchung wird in dieser Woche durchgeführt. „Aufgrund des Feiertages gehen wir davon aus, dass ein Ergebnis in den ersten Juni-Tagen vorliegen wird“, sagt Tim Terhorst, Pressesprecher der Stadt Emmerich. Danach wird dann entschieden, welche Maßnahmen durchgeführt werden müssen.
Ein Blick zurück in das Jahr 1872: Das Deutsche Kaiserreich unter preußischer Führung steckt noch in den Kinderschuhen. Wilhelm I. wurde am 18. Januar 1871 in Versailles zum Kaiser ausgerufen – mitten im Deutsch-Französischen Krieg. Wobei die vorentscheidende Schlacht des Konflikts bereits stattgefunden hat. Am 2. September 1870 wird die französische Armee von preußischen, bayerischen, württembergischen und sächsischen Truppen nahe der französischen Stadt Sedan vernichtend geschlagen.
Sedantag wird am 2. September in Deutschland gefeiert
Fortan wird im Kaiserreich jeweils am 2. September der so genannte Sedantag begangen. Dabei handelt es sich zwar nie um einen offiziellen Feiertag, aber Festveranstaltungen im gesamten Deutschen Reich wurden jährlich abgehalten. In dem Buch von Walter Axmacher (✝) „Elten die letzten 100 Jahre“ wird auch auf die Pflanzung der Linde eingegangen.
Han Verschuur aus Elten hatte sich in einem Artikel vor zwei Jahren ebenfalls mit den Hintergründen der Lindenpflanzung befasst. Verschuur war viele Jahre als Internationalisierer und Deutschlehrer beim ROC Rijn IJssel in Arnheim tätig. Er beschreibt in seinem Essay zwar, dass die Linde von alters her als Friedenssymbol gilt und auch in Elten auf der Sedansfeier 1872 als Friedensbaum gepflanzt worden ist. „Allerdings in Wirklichkeit eher als Siegesbaum“, so Verschuur gegenüber der NRZ. „Sollte der Baum neu gepflanzt werden müssen, dann wäre das eine Chance, die neue Linde wirklich dem Frieden zu widmen.“
Lobbyarbeit des Eltener Kriegervereins
Überhaupt seien bis heute in Elten Spuren der Lobbyarbeit des ehemaligen Eltener Kriegervereins zu finden, wobei die Linde noch das harmloseste Beispiel ist. Verschuur regt in diesem Zusammenhang an, auch das Kriegerehrenmal fortan nur noch als Mahnmal zu bezeichnen. Auch die Hindenburgallee könnte wieder in den Fokus rücken.
Denn in vielen Städten und Gemeinden in Deutschland hat es Umbenennungen von Plätzen und Straßen gegeben, die nach Paul von Hindenburg benannt worden sind. Der preußische Junker gilt es eine der ambivalentesten Figuren der jüngeren deutschen Geschichte. Im Ersten Weltkrieg führte der Generalfeldmarschall die Oberste Heeresleitung, trat dann später als Kandidat der Konservativen und Deutschnationalen erfolgreich als Präsidentschaftskandidat an, auch um die Wahl Adolfs Hitlers zu vereiteln. Hindenburg ernannte Hitler, den er selbst abfällig als „böhmischen Gefreiten“ titulierte, dann aber schließlich am 30. Januar 1933 doch zum Reichskanzler.
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Umbenennung der Hindenburgallee
Dem Generalfeldmarschall mit Bürstenhaarschnitt und markantem Schnauzbart, mit Beiname „Der Sieger von Tannenberg“, ist aktuell in Elten am Fuß des Bergs eine Allee gewidmet. In Emmerich wurde dies bisher nicht thematisiert. „Wir sehen von Seiten der Verwaltung keine Notwendigkeit, da proaktiv zu werden“, heiß es noch im Jahr 2021 auf eine entsprechende Anfrage dieser Zeitung aus dem Emmericher Rathaus. Sollte es eine entsprechende, offizielle Eingabe geben, würden sich die Gremien dann damit beschäftigen müssen.