Rees. Drei Tage lang wurden Siebtklässler der Realschule Rees zu Streitschlichtern ausgebildet. Das soll das Programm im Schulalltag bewirken.

Konzentriert sitzen gut 20 Schülerinnen und Schüler der Realschule Rees in den Räumen des Jugendhaus Remix an Tischen. „Sie machen gerade ein Rollenspiel, um das, was sie hier gelernt haben, in der Praxis anzuwenden“, sagt Rüdiger Gockel, der stellvertretende Schulleiter der Realschule.

Denn die jungen Menschen, die hier gerade konzentriert bei der Sache sind, sollen die neuen Streitschlichter der Realschule werden. Dafür haben sie mit Rüdiger Gockel und Beratungslehrerin Cordula Sackers eine dreitägige Ausbildung absolviert und dabei jede Menge gelernt.

Konzept der Streitschlichter ist nicht ganz neu

Die ersten Streitschlichter für die Realschule wurden bereits 2019 ausgebildet. „Allerdings sind sie, aus bekannten Gründen, nie zum Einsatz gekommen“, sagt Rüdiger Gockel. Ein Hinweis auf die Corona-Pandemie, die natürlich auch den Schulalltag stark veränderte und dafür sorgte, dass Streitfälle kaum entstehen konnten.

Im Jugendhaus Remix fand die Ausbildung der Streitschlichter statt. Die Realschule kooperiert mit dem Jugendhaus.
Im Jugendhaus Remix fand die Ausbildung der Streitschlichter statt. Die Realschule kooperiert mit dem Jugendhaus. © FUNKE Foto Services | Arnulf Stoffel

Die Pandemie sorgt allerdings vielleicht auch dafür, dass die Streitschlichter in Zukunft gefragter sein werden, als zuvor. „Die Fünft- und Sechstklässler haben durch Corona einige soziale Fähigkeiten verloren“, erklärt Rüdiger Gockel. Ein Grund, warum die Realschule eine Kooperation mit der Jugendeinrichtung eingegangen ist.

Streit ist okay – Gewalt allerdings nicht

Die neuen Streitschlichter haben in den drei Tagen allerdings einiges gelernt. Zum Beispiel, dass Konflikte oder Streit erstmal nicht per se etwas Negatives sind. „Ins Negative schlägt es erst um, wenn dann Gewalt daraus wird“, sagt Rüdiger Gockel. Diese Gewalt konnten die Schülerinnen und Schüler dabei auch am eigenen Leib erfahren. Mit weichen Poolnudeln durften sie aufeinander einschlagen. „Dabei haben sie teilweise selbst den Rausch erlebt, den Gewalt auslösen kann“, sagt Lehrerin Cordula Sackers.

Das war eine praktische Erfahrung, aber die jungen Streitschlichter haben auch einiges an theoretischem Wissen vermittelt bekommen. Die Unterschiede zwischen Konflikt, Aggression, Streit und Gewalt gehören ebenso dazu, wie eine Stärkung des eigenen Empathievermögens oder eine Schulung der kommunikativen Fähigkeiten. „Die Schüler waren vielfältig interessiert“, sagt Cordula Sackers – auch an den psychologischen und biologischen Aspekten.

Streitschlichter mit festen Dienstzeiten

Aber am Ende geht es ja darum, Streitigkeiten beizulegen. Dafür sollen die Streitschlichter verantwortlich sein. In jeder ersten großen Pause sollen die Streitschlichter für andere Schülerinnen und Schüler ansprechbar sein. „Das wird in den Räumen der Schulbücherei stattfinden“, sagt Rüdiger Gockel. Er rechnet aber damit, dass die Streitschlichter irgendwann so bekannt sind, dass sie auch einfach so angesprochen werden können.

„Wir sind gespannt, wie sich das entwickelt“, sagt Cordula Sackers. „Es gibt Konflikte, bei denen Schüler anderen Schülern mindestens genau so gut helfen können, wie wir Lehrer“, sagt sie. Gerade, weil das Gespräch so auf Augenhöhe stattfinden kann und die Siebtklässler eben näher an der Situation sind. Dabei soll sich das Angebot vor allem an die Fünft- und Sechstklässler richten. „Theoretisch auch darüber hinaus aber Erfahrungen von anderen Schulen zeigen, dass es vor allem in Klasse 5 und 6 angenommen wird“, sagt Rüdiger Gockel.

Raum zur Reflexion und einige Freiheiten

Die Betreuung der Streitschlichter durch die Lehrer endet übrigens nicht mit dem Zertifikat, dass die Teilnehmer der Ausbildung erhalten haben. „Das ganze wird in Form einer AG wöchentlich fortgeführt“, erklärt Rüdiger Gockel. Das soll den Streitschlichtern die Möglichkeit geben, ihre Erfahrungen in der Gruppe zu reflektieren, von schwierigen Situationen zu berichten und so weitere Erfahrungen zu sammeln.

Der Einsatz als Streitschlichter ist dabei übrigens freiwillig. Und außerdem können die jungen Menschen eine Schlichtung auch jederzeit abbrechen, wenn sie sich überfordert fühlen sollten oder die Schüler, die zu ihnen kommen, sich nicht an die Regeln halten. Außerdem können sie auch ganz aus der Streitschlichtung aussteigen, wenn sie feststellen, dass diese Aufgabe doch nichts für sie ist.

Der Einsatz der neuen Streitschlichter soll dann nach den Sommerferien beginnen. Und im kommenden Jahr sollen dann auch schon die nächsten Siebtklässler zu Streitschlichtern ausgebildet werden. Es bleibt abzuwarten, wie viele Konflikte die jungen Streitschlichter dann in Zukunft lösen können – eventuell auch gänzlich ohne Beteiligung einer Lehrkraft.

>>> Projekt wird breit mitgetragen

Das Projekt der Streitschlichter wird von der gesamten Schule getragen. Das bedeutet unter anderem auch: Wenn Schüler wegen einer Streitschlichtung zu spät zu einer Unterrichtsstunde kommen, dann wird das von den Lehrern akzeptiert.

Die Streitschlichter könnten dabei auch das Kollegium entlasten, da nicht in jeden kleinen Konflikt ein Lehrer eingreifen muss, wenn ein Einsatz der Streitschlichter erfolgreich ist.

Die ausgebildeten Schüler sollen dann auch im kommenden Jahr bei der Ausbildung neuer Streitschlichter aus der siebten Klasse mithelfen und dort von ihren Erfahrungen berichten. Erst dann wird man wohl auch sehen können, was das Projekt wirklich bewirken kann.