Kreis Kleve. Die Bürgermeister von Rees und Emmerich kritisieren den Landrat massiv. In der Leiharbeiter-Situation laufe die Zusammenarbeit katastrophal.

Mangelnder Kooperationswille, schlechte Kommunikation und immer wieder unnötige Haarspaltereien: Die Vorwürfe, die die Bürgermeister Christoph Gerwers (Rees) und Peter Hinze (Emmerich) gegenüber Landrat Wolfgang Spreen erheben, sind gravierend.

Lange haben sie zu der Zusammenarbeit zwischen den Kommunen und Kreisverwaltung geschwiegen, doch langsam sei es an der Zeit, dass auch die Öffentlichkeit von den Fehlentwicklungen der vergangenen Wochen erfahre. Christoph Gerwers und Peter Hinze äußern sich im NRZ-Gespräch ausführlich zum Krisenmanagement in der Corona-Pandemie. Fazit: „Insgesamt haben wir die Krise ganz gut gemanaget – auch trotz des Landrats“, meint das Reeser Stadtoberhaupt.

Die Bürgermeister machen einen verärgerten Eindruck. Sogar für Außenstehende wird offensichtlich: Hinter den Türen knarzt es zwischen Kreis und Kommunen ganz gewaltig. Den Vorwurf des Landrates, dass die Kommunen in Sachen Leiharbeiterwohnungen schon längst hätten aktiv werden können, wollen die beiden Bürgermeister nicht länger unkommentiert stehen lassen.

Kreis Kleve: Kommunen wollen Nadelstiche gegen Leiharbeiterpraktiken setzen

„Das Thema beschäftigt uns schon seit dem 8. Mai 2019“, erzählt Christoph Gerwers. Damals seien in den Niederlanden neue Regelungen eingeführt worden, die es den Zeitarbeitsfirmen nicht mehr erlauben, 25 Prozent des Arbeitslohns für Mietzahlungen abzuhalten. „Seitdem wird das Problem in der deutschen Grenzregion immer größer“, erzählt er.

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Gemeinsam mit den anderen Bürgermeistern im Kreis Kleve wollte man am 26. Juni eine gemeinsame Vorgehensweise absprechen in Bezug auf Bauaufsicht, Wohnungsaufsicht und planungsrechtlichen Instrumenten. Es gehe darum, gegen die Zeitarbeitsunternehmen Nadelstiche zu setzen, sie ständig zu kontrollieren und ihnen auf die Pelle zu rücken.

Gerwers und Hitze kritisieren Landrat Spreen für mangelndes Engagement

In der Konferenz am 26. Juni habe sich Landrat Wolfgang Spreen, der immerhin für elf Kommunen die Bauaufsicht übernimmt, nicht engagiert gezeigt. Während der Konferenz habe sich schnell der Eindruck aufgedrängt, dass der Landrat das Thema nicht angehen möchte: „Es ist permanent so, dass wir ihn bitten und mit Engelszungen auf ihn einreden. Aber wir werden immer wieder zurückgewiesen“, ärgert sich Christoph Gerwers. Es sei immer das gleiche Spiel: „Er ist Wolfgang – ich-bin-nicht-zuständig – Spreen.“

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Am 13. Mai sei der Kreis vom Gesundheitsministerium per Erlass dazu aufgefordert worden, die Leiharbeitersammelunterkünfte aus der Schlachtbranche zu kontrollieren. „Am 14. Mai erhalten wir von Spreen ein Schreiben, in dem er die Zuständigkeiten vom Kreis auf die Kommunen abwälzt, obwohl dies im Erlass eindeutig anders geregelt ist“, sagt Gerwers.

Die Kommunen hätten dann Namen und Adressen von Leiharbeitern und deren Sammelunterkünften an die Kreisverwaltung übermittelt: „Aber es ist nichts passiert. Erst am 26. Mai, 15 Tage nachdem wir die Daten geschickt haben, teilt man uns mit, dass diese Informationen nicht ausreichen. Warum dauert das so lange“, fragt sich Gerwers.

Mit Druck aus Düsseldorf käme Bewegung in die Leiharbeiter-Sache

Die Kreisverwaltung wollte bestätigt haben, dass die Personen auch in der Fleischindustrie tätig sind, so wie es der Erlass vorsieht: „Es ist doch nicht unsere Aufgabe, dies zu ermitteln. Und man muss ja nur einmal auf die Homepage der Zeitarbeitsfirmen schauen, um zu erfahren, dass nahezu alle Leiharbeiter, die in Emmerich in Sammelunterkünften untergebracht sind, in der Fleischindustrie tätig sind“, sagt Peter Hinze.

Christoph Gerwers vermisst einen Kooperationswillen bei Landrat Wolfgang Spreen.
Christoph Gerwers vermisst einen Kooperationswillen bei Landrat Wolfgang Spreen. © Funke Foto Services GmbH | Thorsten Lindekamp

Nachdem dann das Ministerium die Kreisverwaltung deutlich angewiesen hatte, jetzt zu prüfen, erhielt der Reeser Bürgermeister erneut einen Hinweis aus dem Kreishaus: Die Testungen würden am 4. Juni beginnen und sich vermutlich über Wochen hinziehen. Daraufhin hat Christoph Gerwers am 29. Mai bei den Ministern Ina Scharrenbach und Karl-Josef Laumann sowie Regierungsvizepräsident Roland Schlapka interveniert und eine Frist gesetzt. Danach habe es erneut eine Ermahnung aus Düsseldorf gegeben, jetzt zügig zu testen.

Christoph Gerwers: „Von Landrat Spreen haben wir nichts erfahren“

Am 2. Juni war für Bürgermeister Christoph Gerwers immer noch nicht klar, wann in Rees in den Leiharbeiterunterkünften getestet wird. Am 3. Juni habe er dann von der Bezirksregierung gehört, dass jetzt eine Testung anstehe: „Von Landrat Wolfgang Spreen haben wir nichts erfahren“, ärgert sich Gerwers.

Die Ernüchterung über die schlechte Vorbereitung des Termins kam dann in der Leiharbeiterunterkunft: „Von den 13 gemeldeten Personen war keine vor Ort, dafür waren zwei Leiharbeiter da, die dort nicht gemeldet sind“, erzählt der Reeser Bürgermeister und sieht seine Vermutung bestätigt: „Hier werden die Menschen zwischen den Unterkünften hin- und hergeschoben.“

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Die Prüfungen hätten gezeigt, wie gravierend die Situation ist. In Emmerich seien 680 Rumänen offiziell gemeldet. Aber die Dunkelziffer liege vielleicht bei 1000. Die Zustände in den Wohnungen seien zum Teil bedenklich. Von dem niederländischen Mindestlohn von 12,50 Euro bleibe den Arbeitern nur ein Bruchteil. Eine 40-Stunden-Woche werde am Ende mit gut 1000 Euro entlohnt. Es gebe Abzüge für die Unterkunft, fürs Arbeitsmaterial, für die Fahrt mit dem Transporter zur Arbeit.

Bürgermeister: „Wir haben immer unsere Hilfsbereitschaft signalisiert“

Verärgert zeigen sich die Bürgermeister auch über die Äußerungen des Landrates, man habe kein Personal zur Verfügung stellen wollen: „Das stimmt so nicht“, sagt Gerwers. „Wir haben von Beginn an unsere Hilfe angeboten, um die Kontaktverfolgung zu übernehmen. Wir wollen aber nicht, dass die städtischen Mitarbeiter im Rahmen einer Teilabordnung für ein halbes Jahr an die Kreisverwaltung ausgeliehen werden. Unter dem fachlichen Weisungsrecht der Kreisverwaltung.“

Christoph Gerwers (CDU) ist enttäuscht über seinen Landrat.
Christoph Gerwers (CDU) ist enttäuscht über seinen Landrat. © Funke Foto Services GmbH | Thorsten Lindekamp

Sechs Kommunen hätten zunächst Personal angeboten, dann aber unter diesen Bedingungen wieder zurückgezogen. „Unter den Mitarbeitern waren zum Beispiel Erzieherinnen gewesen, die dann ein halbes Jahr nicht für uns ohne Zustimmung des Landrates verfügbar gewesen wären“, schildert Gerwers.

Mit Erstaunen nehmen die Bürgermeister die Kritik zur Kenntnis, dass sie in den vergangenen Wochen ja auch selbst verstärkt aktiv hätten werden können, anstatt sich ständig im Fernsehen zu zeigen. „Wir haben uns der Fragestellung hier in Emmerich schon seit mehreren Jahren intensiv angenommen. Wir haben das Thema permanent mit sehr bescheidenen Rechtsmitteln bearbeitet, die uns zur Verfügung stehen. Wir haben die Kommunikation mit der Bürgerschaft und den Zeitarbeitsfirmen intensiviert. Uns vorzuwerfen, wir hätten in dem Themenfeld ja schon lange tätig werden können, zeugt von mangelnder Sachkenntnis“, ärgert sich Hinze.

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Auch Gerwers betont, dass sie ihre rechtlichen Möglichkeiten bereits ausgeschöpft haben und sowohl nach den baurechtlichen, ordnungsrechtlichen als auch melderechtlichen Vorgaben agiert haben. Die Kreisverwaltung hingegen habe ihre bauordnungsrechtlichen Möglichkeiten für die elf angehörigen Kommunen noch bei weitem nicht ausgeschöpft.

Kritik am Landrat: „Das ist ganz schlechter Stil“

Sonderbar sei auch die Zusammenarbeit in Sachen Soforthilfefonds gelaufen. Gerwers: „Wir bekommen einen Hinweis, dass der Kreis Soforthilfen in Höhe von zehn Millionen Euro bereitstellen möchte. Fast zeitgleich informiert der Landrat die Presse über seine Initiative. Das ist ganz schlechter Stil. Wir äußern uns kritisch, weil Bund und Land zeitgleich Milliardenpakete auf den Weg gebracht hatten und und wenige Tage später werden Dringlichkeitsbeschlüsse über je zwei Millionen Euro gefasst. Warum fragt man uns da überhaupt?“

Für Gerwers und Hinze gab es auch keine Notwendigkeit, diese Gelder über Dringlichkeitsbeschlüsse freizugeben. Dass die sechs Fraktionsvorsitzenden im Kreistag trotz der erheblichen Sorgen der Kommunen diese Beschlüsse mitgetragen haben, hätte ihn enttäuscht, sagt Gerwers.