Duisburg. Wegen drohender Einschnitte bei den Sozialausgaben schlagen die Verbände Alarm. Das sind ihre Forderungen in einem „Duisburger Appell“.

Wegen geplanter Kürzungen der Sozialetats bei Bund und Land fürchten die Verbände der freien Wohlfahrtspflege in Duisburg einen Kahlschlag bei Kitas, Altenhilfe, Pflegediensten, Eingliederungshilfen und Beratungsangeboten. Gegen das „leise Sterben der sozialen Infrastruktur“ wenden sie sich mit einem „Duisburger Appell“ und planen eine große Protestaktion mit ihren Beschäftigten am Mittwoch, 22. November vor der Kulturkirche Liebfrauen am Opernplatz in Stadtmitte.

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Tariferhöhungen und eine nicht auskömmliche Refinanzierung der Leistungen, die sie im Auftrag von Bund, Land und Kommunen erbringen, „bringen die Träger in eine prekäre Situation“, beschreibt Dirk Tänzler, Geschäftsführer des Paritätischen und Sprecher der Duisburger AG der Wohlfahrtsverbände, die Lage bei Awo, Diakonie, DRK, Caritas und Jüdischer Gemeinde.

Duisburger Verbände können Verträge mit Beschäftigten nicht verlängern

Weil die Weiterführung von Projekten nicht gesichert ist, werden ohnehin befristete Verträge nicht verlängert. Etwa in der Flüchtlingsbetreuung des DRK. „Wir müssten für jede Stelle 15.000 Euro drauflegen“, erklärt der stellvertretende Kreisgeschäftsführer Volker Klaus.

Drei weitere Schuldnerberater wollte die Awo Integration im Duisburger Norden einstellen. „Sehr wichtig in der Stadt mit der bundesweit höchsten Schuldnerquote“, sagt Geschäftsführer Dirk Franke, „aber für 59.000 Euro, die das Land pro Stelle bewilligt, finden Sie niemanden.“ Mit dem Geld wenigstens zwei Berater einzustellen, sei verweigert worden.

Vor einem Kahlschlag der sozialen Infrastruktur warnen v.l.: Jürgen Voß (Grafschafter Diakonie), Volker Klaus (DRK), Dirk Tänzler (Paritätischer), Julia Schröder (Caritas), Dirk Franke (Awo-Integration) und Barbara Montag (Diakoniewerk).
Vor einem Kahlschlag der sozialen Infrastruktur warnen v.l.: Jürgen Voß (Grafschafter Diakonie), Volker Klaus (DRK), Dirk Tänzler (Paritätischer), Julia Schröder (Caritas), Dirk Franke (Awo-Integration) und Barbara Montag (Diakoniewerk). © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Sozialsektor ist der größte Arbeitgeber der Stadt nach der Stahlindustrie

„Wir brauchen deshalb konkrete, pragmatische Maßnahmen“, fordert Barbara Montag. „Für jene, die Tag und Nacht für andere Menschen da sind, muss es auch eine bessere Bezahlung geben“, so die Geschäftsführerin des Diakoniewerks. Die Verbände verweisen auf die Bedeutung des Sozialsektors: Mit rund 14.500 Beschäftigten ist er nach der Stahlindustrie der größte Arbeitgeber in Duisburg.

Auf allen Ebenen versuchten sie derzeit, mit der Politik ins Gespräch zu kommen. Auch an alle Duisburger Abgeordneten in Land- und Bundestag habe man Brandbriefe geschrieben: „Alle haben viel Verständnis geäußert, aber wir spüren auch eine Sprachlosigkeit.“

„Wir klagen nicht die Stadt an. Sie ist nicht Gegner, sondern Gesprächspartner“, betont Dirk Tänzler. Er verhandelte zuletzt die Übernahme der Kita-Trägeranteile mit der Verwaltung, weiß, „dass die Kommunen die letzten in der Nahrungskette sind“. So ist es bei der Erfüllung des Rechtsanspruchs auf Kitaplätze, bei der Sicherung der Schulsozialarbeit, wenn Bund und Land ihren finanziellen Verpflichtungen nicht nachkommen oder die Politik keine Verständigung erreicht.

Dirk Tänzler: „Es gibt niemanden, der den Knoten durchschlägt“

„Wir stehen mit dem Rücken zur Wand, ich habe eine ähnlich dramatische Lage noch nicht erlebt“, sagt auch Jürgen Voß von der Grafschafter Diakonie, die im Stadtwesten engagiert ist. Lange Zeit habe das Soziale weit oben auf der politischen Agenda gestanden, „nun haben Kriege, Klima, Corona und Inflation es verdrängt“, stellt Barbara Montag fest. Dabei werde ein Kahlschlag sehr viele Menschen in Duisburg treffen, warnt Dirk Tänzler, „aber es gibt niemanden, der den Knoten durchschlägt.“

>>APPELL AN DIE POLITIK UND PROTESTAKTIONEN

  • In ihrem „Duisburger Appell“ fordern die Verbände „praktische und spürbare Verbesserungen in der sozialen Arbeit“, eine angemessene Bezahlung und auskömmliche Finanzierung. Bei der Entwicklung sozialpolitischer Ziele und Strategien plädieren sie für „eine frühzeitige Beteiligung auf Augenhöhe“.
  • Als Zeichen des Protests werden an allen Standorten in den nächsten Tagen rote Lichter blinken neben Plakaten mit dem Slogan: „Sozialabbau in Duisburg stoppen – sonst geht bei uns bald das Licht aus“. Darauf weisen die Verbände auch in einer Social-Media-Kampagne hin.
  • Mitarbeitende, Klienten und Bürger sind eingeladen zur Veranstaltung in der Liebfrauen-Kirche am Mittwoch, 22. November, ab 15 Uhr. Für eine Podiumsdiskussion hat Sozialdezernentin Astrid Neese bereits zugesagt.