Duisburg. Sie wollen Lobbyarbeit für Familien, Arbeitsuchende und Wohnungslose machen: Das Diakoniewerk Duisburg hat nun eine weibliche Doppelspitze.

Eine weibliche Doppelspitze leitet künftig die Geschicke des Diakoniewerks Duisburg mit rund 550 Mitarbeitern sowie 60 Ehrenamtlichen. Barbara Montag übernimmt im November die Geschäftsführung zusammen mit Ruth Stratmann, die bereits seit vielen Jahren im Haus ist und an der Seite von Udo Horwat die Geschäfte leitete. Der bisherige Geschäftsführer geht in den Ruhestand.

Vier Monate hat sich das Trio für die Gestaltung des Übergangs gegeben. Die Aufgaben sind nicht eben klein: Der Jahresumsatz liegt bei über 30 Millionen Euro. Die Aufgabengebiete decken „das gesamte Leben ab mit allen Schwierigkeiten“, sagt Montag. Die Fachbereiche unterstützen Kinder, Jugendliche und Familien, setzen auf Themen wie Arbeit und Ausbildung sowie Soziales, Wohnen und Gesundheit. Hinzu kommt das Tochterunternehmen Inwerk Duisburg GmbH, ein Malerbetrieb, der als Integrationsfirma gegründet wurde.

Neue Geschäftsführerin setzt auf christliche Werte und „gute Haushalterschaft“

Barbara Montag (60) ist Pfarrerin und war unter anderem in leitenden Funktionen beim Spitzenverband der Diakonie Rheinland Westfalen Lippe tätig. Als Kulturliebhaberin hat sie bereits Karten für das Theater Duisburg, der Opernplatz gefällt ihr ausnehmend gut, weil er so einladend und freundlich wirke. „Hier wird das zweite Standbein meines Lebens entstehen“, ist sich die Essenerin sicher.

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Inwieweit hilft das Studium der Theologie und Diakoniewissenschaft bei der Leitung einer gemeinnützigen Gesellschaft? „In der Bibel ist eine gute Haushalterschaft gefragt“, sagt Montag, für das Diakoniewerk stehe sie in der Verantwortung, die Arbeit finanziell angemessen zu gestalten. „Mir geht es aber auch um eine christliche, werteorientierte Grundhaltung.“

Dass viele Fortbildungen im Laufe ihrer beruflichen Karriere zusätzliches Knowhow vermittelten, schadet in Duisburg sicher nicht. Zudem hat sie mit Ruth Stratmann (57) eine Betriebswirtin und fachlich erfahrene Frau an ihrer Seite. Noch siezen sie sich, aber gegenseitiger Respekt und Sympathie sind spürbar.

Gegen Einsparungen im sozialen Bereich aktiv werden

Die beiden Chefinnen beobachten die Entwicklungen auf Bundesebene genau: Dass sich die Zahl der Wohnungslosen verdoppelt hat, bereitet ihnen Sorge. Dass im Haushalt der Bundesregierung 25 Prozent in sozialen Bereichen eingespart werden sollen, „ist eine Hausnummer, wir werden auf allen Ebenen politisch aktiv werden“, betont Montag.

Noch sei unklar, was das im einzelnen für Duisburg bedeutet, „wir sind gerade dabei, es herunterzubrechen, aber der Markt ist unruhig“, ergänzt Stratmann. Dabei brauche es in der Sozialwirtschaft längerfristige Maßnahmen, keine kurzfristigen Aktionen, die schnell beendet sind.

Angebote wie das Pro Kids Café, die Zentrale Vermittlungsstelle für Wohnungslose begeistern Montag. Manche von ihnen sind aber spendenfinanziert, erinnert Stratmann, sie stehen immer wieder neu auf der Kippe, obwohl sie längst regelfinanziert sein müssten. Dass die Schulsozialarbeit nicht weiter ausgebaut wird, an Projekten wie dem Freiwilligen Sozialen Jahr gespart wird, nennt Montag einen regelrechten Skandal. „Wir sehen große Herausforderungen und scheuen sie nicht“, so Montag, das sei aber ein Gemeinschaftswerk. Sie wird an Horwats Stelle in die „gut aufgestellten“ Netzwerke hineinrutschen.

Frauen-Quote in den Spitzenfunktionen des Diakoniewerks niedrig

Das Frauen-Duo ist sich bewusst, dass es in NRW bis auf eine ähnliche Konstellation in Dinslaken einzigartig ist. Die Diakonie Deutschland, die in diesem Jahr 175-jähriges Bestehen feiert, ist aus patriarchalen Strukturen entstanden“, sagt Montag. Die kürzlich berechnete Frauenquote von 2,9 Prozent in Duisburger Top-Positionen stimme traurig. In den Gremien des Diakonischen Werks Rheinland-Westfalen-Lippe sei es auch nicht viel besser: Hier sind rund 70 Prozent der Führungskräfte männlich.

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Es scheint ein Ansporn zu sein. Sie wollen sozialpolitische Lobbyarbeit machen, „um den Sozialstaat zu retten, braucht es jeden“, betont Stratmann. Ihre neue Kollegin Montag sieht das genauso. Sie will der Bedeutung des griechischen Wortes diakonia folgen: Als Tischgemeinschaft agieren, bei Bedarf Brücken bauen und „dazwischen gehen, wenn es nötig wird“.

Der ausscheidende Chef des Diakoniewerk Duisburg, Udo Horwat, die neue Geschäftsführerin Barbara Montag (mitte) und die weiterhin zweite Geschäftsführerin Ruth Stratmann. Das Diakoniewerk Duisburg wird künftig von zwei Frauen geleitet.
Der ausscheidende Chef des Diakoniewerk Duisburg, Udo Horwat, die neue Geschäftsführerin Barbara Montag (mitte) und die weiterhin zweite Geschäftsführerin Ruth Stratmann. Das Diakoniewerk Duisburg wird künftig von zwei Frauen geleitet. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

>>DAS DIAKONIEWERK DUISBURG

  • 2022 hat das Diakoniewerk Duisburg 493 Menschen in stationären oder teilstationären Einrichtungen betreut. Ambulant wurden 4800 Menschen beraten oder betreut.
  • 2000 Betreute befinden sich in Ausbildungs- und Beschäftigungsmaßnahmen.
  • Es gibt sozialtherapeutische Wohngemeinschaften, Eingliederungshilfen, Sozial-Kaufhäuser, Streetwork, Tagesgruppen, Schuldnerberatung und verschiedene berufliche Angebote.
  • Die Angebote richten sich unter anderem an Wohnungslose, Geflüchtete, Haftentlassene, Suchtkranke, psychisch Kranke, arbeitslose Jugendliche sowie Kinder und deren Familien mit Problemen