Düsseldorf. In der Düsseldorf Messe tagte der Verband der Verkehrsunternehnmen und forderte mehr Geld von der Politik. Auch die Rheinbahn schickte Vertreter.

Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) hielt am Montag (10. Juni) seine Jahrestagung 2024 im Congress Center Düsseldorf in Stockum ab. Auch wenn keine Politiker eingeladen wurden, an ihre Adresse richtete sich ein flammender Appell von VDV-Präsident Ingo Wortmann: „Wir brauchen mehr Geld!“ An der Schuldenbremse werde „aus ideologischen Gründen“ festgehalten. Was die Politik verantworte, sei „das Gegenteil einer Verkehrswende“.

Die Politik mache zwar Vorgaben, liefere aber nicht

Die Politik mache dem ÖPNV erhebliche Vorgaben, fordere zum Beispiel, dass „die besten Dieselmotoren der Welt“ durch Elektrobusse ersetzt würden – was immense Kosten verursache. Auch das 49-Ticket koste Geld, doch „die Politik stiehlt sich aus der Verantwortung.“ Wortmann blicke „mit großer Sorge in die Zukunft.“ Und vor dem Hintergrund der jüngsten Europawahl befand er: „In diesem Land muss sich grundsätzlich etwas ändern.“ Soviel lässt sich dem mindestens entnehmen: Die ÖPNV-Macher sind sauer.

Und genau das zeigt sich auch in der jüngsten Umfrage, die der VDV unter seinen Mitgliedern durchgeführt hat. Teilgenommen hätten dabei, so Oliver Wolff, VDV-Geschäftsführer, 135 Unternehmen aus den Bereichen Schienenverkehr und Personenbeförderung. Eines aber eint die unterschiedlichen Unternehmen: Der Fachkräftemangel. Und das läge nicht an den Unternehmen.

Personalbedarf wächst branchenweit

Aus der Umfrage gehe hervor, dass die Unternehmen ihre Hausaufgaben gemacht hätten. Wortmann: „74 Prozent der Unternehmen gaben an, dass sie 2023 mehr Kolleginnen und Kollegen eingestellt haben als im Vorjahr.“ Und da seien die Werte auch schon hoch gewesen. Gleichzeitig aber hätten 75 Prozent angegeben, dass der Personalbedarf zugenommen habe. Lediglich 2,4 Prozent sagten, der Personalbedarf habe abgenommen.

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Und besser wird es in absehbarer Zeit nicht. Nach Willen der Politik solle die Bundesrepublik bis 2045 treibhausgasneutral sein. Der ÖPNV spiele dabei, so Geschäftsführer Wolff „eine herausragende Rolle“. Das Problem dabei: Der durchschnittliche Busfahrer oder Lokführer ist 51 Jahre alt. Im technischen Bereich liegt das Durchschnittsalter bei 47, in der Verwaltung bei 46. Dementsprechend dringlich ist es, Personal für den Fahrdienst zu finden. Denn das ist nicht nur zu alt, es ist vor allem zu wenig. Fast 82 Prozent der befragten Unternehmen prognostizieren einen erhöhten Bedarf in diesem Bereich für die kommenden Jahre. Was ist da zu tun?

VDV-Verbandschef in Düsseldorf: „Ein U-Bahnfahrer muss eine U-Bahn steuern können“

Verbandspräsident Wortmann sagt, die Unternehmen sollten sich auf die Kernanforderungen beschränken: „Ein U-Bahnfahrer muss eine U-Bahn fahren können. Ob er fehlerfrei in der E-Mail-Korrespondenz ist, ist erstmal nicht so wichtig.“ Es sei auch die Frage zu stellen, ob ein Fahrer eigentlich Deutsch sprechen können müsste, womöglich reiche Englisch ja aus. Deswegen plädiert der VDV auch dafür, sich verstärkt im Ausland nach neuen Fachkräften umzusehen. Da gebe es noch „viel Potenzial“, wie Wortmann sagt.

Viele der Unternehmen hingegen meinen, sie seien in der Lage, ihr Personal allein aus dem deutschen Pool zu rekrutieren. Über 53 Prozent sind dieser Ansicht. Gleichzeitig aber geben über 70 Prozent der Unternehmen an, die Qualität der Bewerber habe sich verschlechtert. 11,3 Prozent sagen sogar, die Qualität habe sich stark verschlechtert. Wenn also mehr als 80 Prozent der Unternehmen angeben, die Bewerber seien schlechter geworden, aber nur gute 12 Prozent sich überhaupt nach neuen Arbeitskräften im Ausland umsähen, dann könnte es tatsächlich naheliegen, einmal in Spanien, Albanien und Co. nachzusehen, wie es bereits einige wenige Unternehmen täten.

Grabbe: „Der Fachkräftemangel kommt erst noch“

Annette Grabbe, Vorstandsmitglied der Rheinbahn, ist überzeugt, dass der Düsseldorfer Verkehrsbetrieb für die Integration ausländischer Mitarbeiter gut gerüstet sei. Immerhin repräsentierten die 3513 Rheinbahner und Rheinbahnerinnen 51 Nationen. Zwar halte sich der Fachkräftemangel, so Grabbe, bei der Rheinbahn noch in Grenzen. Ja, er komme erst noch, sagte sie, dennoch sei die Situation auch jetzt schon schwierig. Es stünde eine „Mammutaufgabe“ an.

Zu lösen sei das etwa dadurch, dass man das Image der Berufe verbessere. Grabbe schlug vor, zentrale Kritikpunkte der in der Vergangenheit streikenden Lokführer zu „reframen“. Das Reizwort „Schichtdienst“ ließe sich auch ja wie folgt formulieren: „Komm zu uns, hier kannst Du 24 Stunden am Tag vollflexibel arbeiten. Du kannst Dir sogar deine Arbeitszeiten mehr oder weniger aussuchen.“ Sie höre „die Menschen immer darüber schimpfen ′Oh, es ist Schichtdienst und wir sollen mehr arbeiten′“. Aber man müsse „in dieses Denkmodell kommen“, den Schichtdienst also als Freiheit verstehen.

ÖPNV ist Zukunftsbranche – gerade für Menschen ohne „formale schulische Qualifikationen“

Und überhaupt sei der ÖPNV eine „Vorzeigebranche hinsichtlich der Integration“ und eine „sinnstiftende Aufgabe“ biete er auch. Und das sogar „ohne formale schulische Qualifikationen.“ Wo gebe es das, dass man schon nach wenigen Wochen „einen ehrenvollen Beruf ausüben“ könne? In anderen Branchen nenne man das „Helfertätigkeiten“, in der „Zukunftsbranche“ ÖPNV aber bedeute das eine „ehrenvolle Aufgabe: man kann ein großes Fahrzeug führen, man zahlt auf Klimaschutzziele ein“. Dieses „riesige Potenzial, eine Vorzeigebranche zu sein“, gelte es „noch viel mehr zu betrachten.“

Gleichzeitig aber forderte Grabbe: „Wir müssen auch selbstkritisch sein“. Trotzdem: „Wir als ÖPNV sind Teil der Lösung.“ Das sahen die beiden Repräsentanten des VDVs auch so. Nur dass der Fachkräftemangel noch komme, wollte Wolff so nicht stehen lassen: „Wenn man mal anschaut, was wir an Reduzierung von Verkehrsleistungen haben, gerade hier in Nordrhein-Westfalen und eben nicht nur im städtischen Verkehr, dann ist es offen gestanden brutal.“ Innerhalb der Düsseldorfer Stadtgrenzen scheint die Situation also etwas entspannter zu sein.

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