Düsseldorf. Der Stadtrat hat am Donnerstag die Umbenennung von zehn historisch belasteten Straßennamen beschlossen. So sollen Anwohner entlastet werden.

Zehn Straßen im Düsseldorfer Stadtgebiet erhalten künftig einen neuen Namen, der Münchhausenweg wird umgewidmet. Das entschied der Stadtrat am Donnerstag (22. Februar) in der ersten Sitzung im neuen Jahr. Im Rathaus herrschte große Einigkeit darüber, dass die historisch belasteten Straßennamen aus dem Stadtbild der NRW-Landeshauptstadt verschwinden müssen. Lediglich die Ratsfraktion der AfD stimmte dagegen. Der Prozess der Umbenennungen wurde seit 2018 durch Historikern der Mahn- und Gedenkstätte und des Düsseldorfer Stadtarchivs wissenschaftlich begleitet, Anfang 2020 ergab sich daraus eine Liste mit Namen, die in den Kategorien „A“, „B“ und „C“ eingeteilt wurden.

Stadt übernimmt Kosten für Anwohner

Von den Umbenennungen sind in Düsseldorf viele Menschen betroffen. So steht für die Anwohnerschaft an den entsprechenden Straßen nun ein Bürokratiemarathon an, immerhin müssen nun Adressänderungen an Ausweisdokumenten, gegebenenfalls Aufenthaltstiteln, Führerschein, Kfz-Papiere sowie Grundbucheinträgen vorgenommen werden. Die Kosten dafür übernimmt laut eigenen Angaben die Stadt Düsseldorf. Um den bürokratischen Aufwand so gering wie möglich zu halten, können die Dokumentsänderungen „in einem Termin in besonders für diesen Zweck eingerichteten Angeboten in den jeweils nächstgelegenen Bürgerbüros erledigt werden“, so die Stadt weiter.

Wer als Immobilieneigentümer ein Hypothekendarlehen in Anspruch genommen hat, muss die Adressänderung „eigenständig bei Banken, Versicherungen usw.“ angeben, heißt es von Seiten der Stadt. Diese Änderung werde dann dem Grundbuchamt und dem Finanzamt durch die Landeshauptstadt Düsseldorf mitgeteilt und dort ebenfalls kostenfrei umgesetzt.

Ein ausgeweiteter Vor-Ort-Service für die betroffenen Anwohnerinnen und Anwohner wird nach Angaben der Stadt derzeit vorbereitet, zudem werden aktuell Termine zur Einweihung der neuen Straßennamen besprochen. Der Vor-Ort-Service sowie die Einweihungstermine werden voraussichtlich ab diesem Sommer stattfinden. Informationen dazu werden frühzeitig mitgeteilt, kündigt die Stadt weiter an.

+++ Folgen Sie der NRZ Düsseldorf jetzt auch bei Instagram! +++

Ansässige Firmen an den betroffenen Straßen schauen hingegen in die Röhre. Die Stadt übernimmt für die Adressänderungen keine Kosten, Änderungen der Beschriftung der Firmenfahrzeuge und der weiteren entstehenden Kosten für den Verwaltungsaufwand müssen Gewerbetreibende selbst bezahlen, wie die Stadt mitteilt. Immerhin: Auf Antrag übernimmt die Stadt die Kosten der Änderungen im Handelsregister.

Viele Straßen im Düsseldorfer Süden betroffen

Am Donnerstag wurde nur über Straßennamen der Kategorie „A“ entschieden. Dabei handelt es sich um Namen von Nationalsozialisten, NS-Sympathisanten und Kolonialisten, die nachweislich Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen haben. Vor allem der Düsseldorfer Süden ist von den Straßenumbenennungen betroffen. In Urdenbach erhalten gleich fünf Straßen neue Namen: Die Leutweinstraße wird künftig zum Auenblick, die Petersstraße erhält den Namen Eisvogelweg, die Pfitznerstraße wird zur Clara-Schumann-Straße, die Woermannstraße wird in Am Auwald umbenannt, die Lüderitzstraße heißt künftig An der Kämpe. Auch in Garath wird ein Straßenname geändert. So wird die Wilhelm-Schmidtbonn-Straße zur Erika-Mann-Straße. Die Hans-Christoph-Seebohm-Straße in Hellerhof erhält den Namen Helene-Weber-Straße.

Namensänderung auch im März Thema

Ursprünglich sollte im Düsseldorfer Stadtrat noch die Namensänderung der Heinz-Ingenstau-Straße an der Messe in Stockum in Bernd-und-Hilla-Becher-Straße beschlossen werden. Diesen Vorschlag zog die Verwaltung kurz vor Beginn der Stadtratssitzung zurück. In der kommenden Ratssitzung am 21. März wird zudem über die Namensänderung der Franz-Jürgens-Straße in Golzheim und des Jürgensplatzes am Polizeipräsidium entschieden. Franz Jürgens war während der Zeit des Nationalsozialismus Schutzpolizeioffizier. Im 1944 wurde er von Darmstadt nach Düsseldorf versetzt. In der NRW-Landeshauptstadt hat er die Gruppe „Aktion Rheinland“ bei der kampflosen Befreiung durch die US-Armee im April 1945 unterstützt. Dafür wurde er hingerichet. In Darmstadt soll Jürgens zuvor jedoch Mannschaften angewiesen haben, an der Bewachung von Deportationszügen 1942 teilzunehmen. Nach derzeitigem Forschungsstand stand er dem NS-Regime näher als angenommen. Daher steht auch eine Umbenennung des Franz-Jürgens-Berufskolleg im Raum.

Doch auch andere Straßen in Düsseldorf werden umbenannt: Die Porschestraße in Flingern heißt künftig Ilna-Wunderwald-Straße, die Wissmannstraße in Unterbilk erhält den Namen Hermann-Smeets-Straße, die Schlieffenstraße in Mörsenbroich wird zum Radschlägerweg. Der Münchhausenweg in Mörsenbroich bleibt, soll allerdings in Zukunft nach dem legendären „Lügenbaron“ Hieronymus Carl Friedrich von Münchhausen benannt sein.

Ratspolitikerin bringt Nawalny-Straße ins Spiel

Dass die Umbenennung der historisch belasteten Straßennamen mehrheitlich im Stadtrat beschlossen wurde, fand im Plenum großen Anklang. Für CDU-Ratsherr Marcus Münter seien die Namensänderungen „ein Zeichen dafür, was bewusste Erinnerungskultur bedeutet.“ Für weitere Straßenumbenennungen fordert er, dass wie bisher auch, „die Menschen vor Ort eingebunden werden“, was der Verwaltung bei den bisherigen Prozessen „sehr gut gelungen“ ist, wie Münter betont. Manfred Neuenhaus, Vorsitzender der FDP-Ratsfraktion, findet es „angenehm und erstaunlich, wie groß die Mehrheit für die Umbenennung der Straßen war. Damit wird in Düsseldorf einem Unrecht ein Ende gesetzt.“ Auch aus Sicht von Martin Volkenrath (SPD) sind die Namensänderungen „mehr als überfällig.“ Deswegen müssen „einige Namen schnell aus dem Stadtbild verschwinden.“

Thorsten Graeßner, schulpolitischer Sprecher der Grünen-Ratsfraktion, hob am Rendnerpult indes hervor, wer den Stein überhaupt erst in Rollen gebracht hat. „Die Initialzündung kam vor acht Jahren von der Hulda-Pankok-Gesamtschule. Dort hat sich ein Geschichts-Leistungskurs des 12. Jahrgangs mit dem Namen Wissmann auseinandergesetzt.“ Ludwig von Wissmann (1853 - 1905) war „Reichskommissar“ und später Gouverneur in der Kolonie „Deutsch Ostafrika“, wo er für Kolonialverbrechen verantwortlich war.

Claudia Krüger, Vorsitzende der Ratsfraktion Tierschutz/Freie Wähler brachte am Donnerstag unterdessen einen Nawalny-Platz oder eine Nawalny-Straße ins Spiel. Der russische Oppositionspolitiker Alexej Nawalny verstarb am 16. Februar in einem Gefängnis in Charp. Die Todesumstände sind bislang unklar. Deswegen richtete Krüger einen Appell an den Stadtrat: „Sie haben nun die Möglichkeit zu zeigen, dass Düsseldorfer spontan sein können - und das nicht nur im Karneval - und als erste deutsche Stadt eine Straße nach Alexej Nawalny benennen können.“ Keno Schmidt von der Partei/Klima-Fraktion hielt dagegen: „Dieser Vorschlag ist zwar aller Ehren wert, ignoriert aber die langjährige Arbeit in den Bezirksvertretungen komplett.“

Dass bei den Namensvorschlägen keine Frauen dabei waren, die sich dem nationalsozialisitischen Terror entgegengestellt haben und stattdessen lieber Natur- und Vogelnamen gewählt wurden, sei für Linken-Ratsfrau Anja Vorspel „feige und erbärmlich“. Um sich dem Bürgerwillen dennoch nicht entgegenzustellen, enthielten sich die Linken bei den einzelnen Abstimmungen zu den Namensänderungen.

Wie die Stadt am Freitag mitteilte, werden die alten Straßenbezeichnungen in einer Übergangsphase durchgestrichen und noch für etwa ein Jahr unter dem neuen Straßenschild erhalten bleiben. Zudem sollen die umbenannten Straßennamen jeweils unter anderem mit einem QR-Code als Aufkleber am Straßenschild-Pfosten versehen werden. Darüber gibt es dann Hintergrundinformationen zum Umbenennungsprozess sowie eine Erläuterung und Dokumentation zum ehemaligen und neuen Namensgebenden.