Düsseldorf. Umbenennung belasteter Straßennamen wird im Düsseldorfer Stadtrat entschieden. Vorschläge für Ersatznamen gab es viele, elf setzten sich durch.
Schon länger ist in Düsseldorf die Umbenennung von historisch belasteten Straßennamen Thema. Auf Beschluss des Stadtrates kam 2018 ein Beirat aus Historikern zusammen, prüfte in beinahe zwei Jahren Arbeit Straßennamen im Stadtgebiet. Heraus kam Anfang 2020 eine Liste mit Namen, die in den Kategorien „A“, „B“ und „C“ eingeteilt, wurden. Die zwölf Namen in der Kategorie „A“ gelten als „schwer belastet/nicht haltbar“ und sollen geändert werden. 2023 liefen in den Stadtbezirken Bürgerbeteiligungsverfahren zur Findung neuer Namen. Nun ist es so weit: Der Stadtrat entscheidet am Donnerstag über die Umbenennung von elf Straßen und über eine Umwidmung.
QR-Codes sollen Hintergrundinformationen bieten
Die jeweiligen Leiter des Stadtarchivs und der Mahn- und Gedenkstätte, Benedikt Mauer und Bastian Fleermann, leiteten den Beirat. „Unser Auftrag war die Überprüfung von Personen, die nach 1870 verstorben sind“, erklärt Mauer, „denn da begann die Hochzeit des Kolonialismus und auch des Nationalismus.“ In einem mehrschrittigen Verfahren beschäftigten sich die Historiker mit den Namensgebern. Insbesondere ging es um Berührungspunkte mit Kolonialismus und Nationalsozialismus.
Die Einordnung in die A-B-C-Kategorien fand per Mehrheitsentscheid statt und berücksichtigte auch das Gesamt-Lebenswerk der Personen. Alle einzelnen Gutachten lassen sich im Abschlussbericht nachlesen. Die Kategorisierung stellt eine Empfehlung dar: „A“-Namen sollten nach Meinung des Beirats geändert werden, bei denen der Kategorie „B“ sollte eine weitere Auseinandersetzung stattfinden. Dazu könnten bald QR-Codes an den Schildern zum Einsatz kommen. „Eine differenzierte Betrachtung kriegen Sie sehr schwer auf einem kleinen Metallschild hin“, erklärt Mauer die Idee. Namen der Kategorie „C“ seien zwar nicht per se unproblematisch, für sie gab es aber keine solche Empfehlung.
Sechs der Namen, über deren Änderung nun entschieden wird, stehen in Zusammenhang mit dem deutschen Kolonialismus, sechs im Zusammenhang mit dem NS-Regime. Zur ersteren Gruppe gehört der Namensgeber der Wissmannstraße in Bilk, Hermann Wilhelm Leopold Ludwig von Wissmann (1853 - 1905). Wissmann war „Reichskommissar“ und später Gouverneur in der Kolonie „Deutsch Ostafrika“, wo er für Kolonialverbrechen verantwortlich war. Nach der Empfehlung der Bezirksvertetung (BV) 3, über die der Stadtrat abstimmen wird, könnte die Wissmannstraße bald Hermann-Smeets-Straße heißen. Smeets (1910 - 1997) war ein niederländischer Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus, der in Deutschland wohnte. Er gründete 1951 die Bilker Heimatfreunde.
Die Smeets-Umbenennung war auf der Bürgerbeteiligungs-Veranstaltung vor Ort im März vergangenen Jahres als zweiter Vorschlag bestimmt worden. Erster Vorschlag als neue Namenspatin war Fasia Jansen (1929 - 1997), eine deutsche politische Liedermacherin und Friedensaktivistin, die im Nationalsozialismus wegen ihrer Hautfarbe diskriminiert wurde. 1991 erhielt sie das Bundesverdienstkreuz. „Der Vorschlag ist in der Abstimmung mehrheitlich unterlegen“, erklärt Grünen-Ratsherr und Bezirksbürgermeister Dietmar Wolf. Die Grünen hatten sich in der BV für Jansen ausgesprochen, auch mit Verweis darauf, dass bei neuen Straßennennungen Namensgeberinnen bevorzugt werden sollten. Smeets als neuer Namensgeber setzte sich wohl besonders wegen dessen starken Lokalbezug durch, denkt Wolf.
Der Bezirksbürgermeister ist zufrieden: „Ich bin sehr froh, dass es eine gemeinsame Lösung geben kann“, sagt er. Der Prozess zur Namensfindung habe ein „gutes Ergebnis gefunden“, so Wolf.
Die weiteren Empfehlungen der Bezirksvertretungen im Überblick (bisherige Straßennamen in Klammern): Ilna-Wunderwald-Straße (Porschestraße), Radschlägerweg (Schlieffenstraße), Bernd-und-Hilla-Becher-Straße (Heinz-Ingenstau-Straße), Auenblick (Leutweinstraße), Eisvogelweg (Petersstraße), Clara-Schumann-Straße (Pfitznerstraße) , Am Auwald (Woermannstraße), An der Kämpe (Lüderitzstraße), Helene-Weber-Straße (Hans-Christoph-Seebohm-Straße), Erika-Mann-Straße (Wilhelm-Schmidtbonn-Straße).
Der Münchhausenweg behält seinen Namen, soll allerdings in Zukunft nach dem legendären „Lügenbaron“ Hieronymus Carl Friedrich von Münchhausen benannt sein.
Vorschlag für Campino-Straße bereits gestrichen
Mehr als 300 Namen sind in der durch das Katasteramt aus Bürgervorschlägen zusammengestellten Liste zu finden. Vorschläge reichen von Pop-Legenden wie John Lennon, über Städtenamen bis Bezeichnungen von Insektenarten, die in der EU als Lebensmittel zugelassen wurden. Auch viele Namen von Betroffenen der NS-Diktatur und des deutschen Kolonialismus, wie auch des Widerstandes gegen dieselben, sind vertreten. Düsseldorfer Punk-Legende Campino findet sich übrigens sowohl unter seinem Künstlernamen als auch unter seinem bürgerlichen Namen in der Liste. Da Straßen aber nur nach verstorbenen Personen benannt werden, wurde er dort bereits wieder gestrichen.
Einige der Namensvorschläge haben einen engen Lokalbezug. So etwa der Vorschlag der „Radschlägerstraße“ für die bisherige Schlieffenstraße, der auf eine Radschläger-Skulptur an einem nahe gelegenen Plätzchen verweist. Dieser ist auf der Veranstaltung zur Bürgerbeteiligung aufgekommen, erklärt Ratsfrau Birgit Schentek (CDU), Bezirksbürgermeisterin im Stadtbezirk 6. „Den Vorschlag finde ich super“, so Schentek, und betont den starken örtlichen Bezug. Auf der Versammlung bekam er von den rund 20 teilnehmenden Anwohnern breite Zustimmung erklärt sie. Die Bezirksvertretung ist der Versammlung mit ihrem Vorschlag an den Rat dann gefolgt.
Die Fraktion der Linken im Stadtrat hat Änderungsanträge für die Namensvorschläge, unter anderem zur bisherigen Schlieffenstraße, angekündigt. Es sei „bitter, dass viele der neuen Straßennamen keine kritische Auseinandersetzung mit der Nazi- und Kolonialvergangenheit ermöglichen“, so Linken-Ratsfrau Sigrid Lehmann. „Schlieffen hat im Kaiserreich als Generalstabschef den Völkermord an den Herero gedeckt und gebilligt. Diese Straße sollte nach Auffassung der Linken nach einer Herero benannt werden. Wir werden Anna Mungunda vorschlagen, die als Kämpferin gegen die Apartheid und für die namibische Unabhängigkeit viele afrikanische Frauen inspiriert hat.“