Düsseldorf. Ein Szene-Treffpunkt für Obdachlose und Drogenabhängige ist in Düsseldorf seit langem Streit-Thema. Nun will die Stadt handeln - was sie plant.
Die Diskussion um die Drogen- und Wohnungslosenszene geht in die nächste Runde. Nachdem die Baugrube von der Stadt Düsseldorf geräumt wurde und viele Vertriebene nun unter der Werdener Straße in einer neuen provisorischen Siedlung gelandet sind, stellt sich weiterhin die Frage, wie mit der Szene umzugehen ist. Mit einer Anfrage an den Ordnungs- und Verkehrsausschuss will die SPD-Ratsfraktion die Verwaltung nun dazu bewegen, Farbe zu bekennen: Welche Perspektiven sieht die Verwaltung, unterschiedlichen sozialen Gruppen einen Aufenthalt in der Öffentlichkeit zu ermöglichen?
Auch wenn die Anfrage von der SPD unter Federführung von Martin Volkenrath stammt, zeichnet sich doch ein überfraktionelles Bündnis ab. Um Aufmerksamkeit für die Problematik zu generieren, luden die Sozialdemokraten, die Fraktion der Linken, die Partei-Klima-Fraktion, die Obdachloseninitiative Fiftyfifty und Angehörige der Szene zum gemeinsamen Kaffeetrinken und Klönen am Gesundheitsamt an der Kölner Straße ein. Die Auswahl des Ortes ist dabei kein Zufall. Vor Räumung der Baugrube hatte Fifityfifty hier schon einmal ein Treffen veranstaltet, bei dem gefordert wurde, den Platz als wenigstens vorläufigen Szenetreffpunkt zu akzeptieren. Die Stadt hatte damals mit einer prompten Absage reagiert, wie Volkenrath erinnerte: Die Stadt habe das Anliegen abgelehnt, weil hier der neue Gesundheitscampus entstehen solle. Freilich könne mit einem Baubeginn erst in drei Jahren gerechnet werden. Bis dahin stünde wenigstens vorübergehend einen Platz zur Verfügung.
Stadtverwaltung: Ein tatsächlich genutzter Platz und geplante Bebauung schließen sich aus
Die Stadt hatte damals auch argumentiert, ein tatsächlich genutzter Platz könne kein Provisorium sein. Das lässt Oliver Ongaro von Fifityfifty nicht gelten: „Wir brauchen doch nicht viel: eine Toilette, die Möglichkeit, Streetwork zu betreiben. Es braucht ja keine Überdachung.“ Der Aufwand würde sich in Grenzen halten und die Menschen könnten wenigstens irgendwohin und müssten sich nicht am Worringer Platz sammeln.
Volkenrath umriss die Situation am Worringer wie folgt: „Hier geht die Post ab. Und jetzt, da der Zaun der Pizzeria seine juristische Rechtfertigung bekommen hat, wird die Situation dort nicht einfacher.“ Es werde enger und das merke man auch am Binnenklima. Fest stehe aber, dass „jeder das Recht hat, sich im öffentlichen Raum aufzuhalten. Auch die Szene-Angehörigen sind Düsseldorfer.“ Und weiter: „Wir fordern die Stadt auf, Plätze zur Verfügung zu stellen, wo sich die Szene treffen kann.“ Allein schon, damit Sozialarbeit funktioniert.
Der Worringer Platz bleibt dabei ein Zankapfel. Auch wenn die Absprachen zwischen Ordnungs- und Servicedienst (OSD) und den dort aktiven Streetworkern nach Ansicht der Beteiligten mittlerweile ganz gut funktioniert, sei die OSD-Präsenz aus Sicht der Sozialarbeiter mitunter kontraproduktiv. In der Vergangenheit sei es, wie aus Streetworker-Kreisen zu erfahren ist, durchaus zu Reibungen mit dem OSD gekommen. In letzter Zeit sei aber eine Verbesserung zu konstatieren.
Ehemaliger Obdachloser sieht Vertreibungspolitik als kulturelles Problem
Volkenrath beklagte aber, dass die Präsenz der Ordnungskräfte offiziell als „Prävention“ verkauft werde: „Tatsächlich ist das Vertreibung.“ Genau das unterstreicht auch Django, ein ehemaliger Obdachloser, der mit bürgerlichem Namen Ludwig Marchlewitz heißt. Er, der auch als „Straßen-Gursky“ bekannt ist und in Kaiserswerth die Obdachlosenzeitschrift Fiftyfifty verkauft, sieht eine grundsätzliche Vertreibungspolitik in Düsseldorf am Werke. Das betreffe aber nicht nur die Stadtverwaltung, sondern sei ein gesamtgesellschaftliches Problem.
Bekannt ist Django auch, weil er den Protest an der Apollinaris-Kirche weiterführt. Dort hatte die Gemeinde im Zuge einer Renovierung ein Gitter angebracht, das Obdachlose daran hindern soll, auf der Treppe zu übernachten. Django und seine Frau halten den Protest lebendig, auch wenn die Aussichten, wie er meint, nicht sehr rosig seien: „Wir bleiben trotzdem hier, jeden Donnerstag halten wir eine Mahnwache ab.“ Auch wenn er selbst kein Angehöriger der Drogenszene und auch nicht mehr obdachlos sei, setze er sich für die Belange der Szene ein. „Wir sind alle Menschen und Menschen haben Respekt verdient. Der Respekt, den der Ordnungsamt-Mitarbeiter von mir einfordert, der steht mir auch zu.“
Nun also doch eine provisorische Lösung
Just während des Ortstermins hatte die Stadtverwaltung angekündigt, unweit des avisierten Treffpunkts ein sogenanntes „Winterquartier“ für Wohnungslose einzurichten. Dieses „Winterquartier“ ist zwar auch nur ein Provisorium, schließlich werde hier bald das Technische Rathaus gebaut, dennoch sei es, wie Oliver Ongaro von Fifityfifty sagt, „ein Schritt in die richtige Richtung. Man merkt, dass sich in der Stadt etwas bewegt. Jetzt müssen wir sehen, wie es angenommen wird.“
Übrigens ist „Winterquartier“ laut Digitalem Wörterbuch der Deutschen Sprache (DWDS) ein Begriff, der genau drei Bedeutungen hat: Aufenthaltsort von Heeren im Winter, Aufenthaltsort von nicht winterharten Pflanzen und Aufenthaltsort für Tiere, die den Sommer über an anderen Orten verbringen. Welche Assoziation die Stadt bei der Namensgebung hatte, konnte uns eine Sprecherin bisher nicht mitteilen.