Voerde. Der Handelsverband warnt vor dem Verschwinden kleiner Modeboutiquen. Händlerinnen aus Voerde und Dinslaken erzählen, was ihr Erfolgsrezept ist.

Der Einzelhandelsverband Niederrhein warnt davor: Immer mehr inhabergeführte Geschäfte könnten aus den Innenstädten verschwinden: Denn die Lage werde immer schwieriger, sagt Doris Lewitzky, Geschäftsführerin des Einzelhandelsverbandes. Bekannte, große Modeketten in den Innenstädten, der zunehmende Online-Handel und die Auswirkungen der Krisenzeiten würden es vor allem den kleinen Modeboutiquen derzeit schwer machen. Wie ist die Lage in Dinslaken und Voerde? Die NRZ hat sich umgehört.

„Die Zeiten haben sich geändert“, stellt auch Annette Mayer, Inhaberin des gleichnamigen Modegeschäfts an der Neustraße in Dinslaken, fest. „Aber wir können uns momentan nicht beschweren.“ Die Modehändlerin blickt positiv auf das neue Geschäftsjahr.

Denn ihre Kunden würden noch immer eine Sache schätzen, die sie im Internet nicht bekommen: die persönliche Beratung. „Das Zwischenmenschliche ist mir sehr wichtig, das hebt uns und allgemein den stationären Handel von der Online-Konkurrenz nach wie vor ab“, sagt Mayer. Das sei aber auch Arbeit. Den Kontakt zu ihren Stammkunden pflegt sie intensiv. „Man muss aktiv sein.“

Modeboutique-Inhaberin Annette Mayer (rechts) und Modeberaterin Daniela Schulitz im Geschäft Annette Mayer Moden an der Neustraße in Dinslaken.
Modeboutique-Inhaberin Annette Mayer (rechts) und Modeberaterin Daniela Schulitz im Geschäft Annette Mayer Moden an der Neustraße in Dinslaken. © Jasmin Ohneszeit | Jasmin Ohneszeit

Die Auswirkungen der Inflation, eine geringere Kaufkraft, weniger Kundschaft – das alles spüre Annette Mayer noch nicht. Sie schätzt, dass es eher das regnerische Wetter der vergangenen Wochen gewesen sei, das die Menschen von einem Bummel durch die City abgehalten habe.

ten-have-Chefin bevorzugt ruhigere Lagen statt Einkaufszentren

Auch in Voerde ist von Krisenstimmung nichts zu spüren. Da blickt Claudia Stöcker, Inhaberin des Modegeschäfts ten have, positiv in die Zukunft. „Ich bin durchweg zufrieden. Wir haben gut zu tun.“ Dass es in der Branche viele Krisen gibt und gab, streitet Stöcker nicht ab. „Ich glaube aber, wenn man seiner Linie treu bleibt, trägt man irgendwann die Früchte. An diesem Punkt sind wir jetzt.“ Und was ist Claudia Stöckers Linie? „Ehrlichkeit“, antwortet die Geschäftsfrau sofort. „Wenn einem Kunden etwas nicht gut passt oder steht, dann sagen wir ihm das.“ Und das funktioniert: Seit 45 Jahren existiert die Voerder Filiale an der Bahnhofstraße schon.

Aber ganz verschont blieb auch Claudia Stöcker von der Corona-Krise nicht: Während der Pandemie musste sie 2020 ihre dritte Filiale in der Dinslakener Neutor-Galerie schließen. „Das tat weh, aber es war die richtige Entscheidung. Wir hätten die Krise dort nicht überstanden.“ Aus dem Versuch hat Stöcker ihre Schlüsse gezogen. „Wir fühlen uns in ruhigeren Lagen wohler als in einem Einkaufszentrum – und unsere Kunden schätzen das auch mehr.“

Die Kunden würden bewusst die ten-have-Filialen in Voerde und Dinslaken-Hiesfeld ansteuern. „Weil sie etwas suchen und direkt kaufen wollen.“ Und noch einen Vorteil hätten die dörflichen Strukturen: Man kennt sich, ein Besuch im inhabergeführten Modegeschäft bedeutet auch, Kontakte zu pflegen. „Ich weiß teilweise noch, was meine Stammkunden vor vier Wochen gekauft haben, und kann entsprechend beraten“, erklärt die Inhaberin. Das könnten große Läden in den Städten gar nicht leisten.

Das Modegeschäft ten have existiert seit nunmehr 45 Jahren an der Bahnhofstraße 54 und 56 in Voerde.
Das Modegeschäft ten have existiert seit nunmehr 45 Jahren an der Bahnhofstraße 54 und 56 in Voerde. © FUNKE Foto Services | Markus Weißenfels

Und schließlich sind es die Stammkunden, die für Claudia Stöcker die beste Werbung machen würden – nämlich mit Mundpropaganda. Apropos Kunden: Da verspürt auch Stöcker noch keinen krisenbedingten Rückgang bei der Kaufkraft: „Wir bieten weder ganz günstige noch ganz teure Mode an, sondern die ‚gute Mitte‘. Und die können sich unsere Kunden noch leisten.“

Ein Umdenken habe in der Kundschaft aber stattgefunden: Das Thema Nachhaltigkeit und Qualität der Mode sei in den letzten Jahren deutlich wichtiger geworden. „Es wird zunehmend darauf geachtet, dass Kleidungsstücke mehr als eine Saison halten“, stellt die ten-have-Chefin fest.