An Rhein und Ruhr. Sema S. aus Moers starb, weil ein 21-Jähriger mit über 150 km/h in ihren Wagen raste. Montag startet der Prozess. Ihre Familie leidet bis heute.

Sema S. will gerade in die Bismarckstraße in Moers abbiegen, als der Mercedes in ihr Heck kracht – wohl mit mehr als 150 Kilometern pro Stunde. Bei dem Aufprall müssen unfassbare Kräfte gewirkt haben: Die 43 Jahre alte Mutter von zwei Kindern ist nicht angeschnallt und wird aus ihrem Fahrzeug geschleudert. Ihr der Citroën prallt noch gegen ein weiteres geparktes Fahrzeug, das Reserverad wird durch die Luft geschleudert. Sema S. stirbt wenige Tage nach dem Unfall im Krankenhaus.

Der tödliche Raser-Unfall in Moers-Meerbeck hatte im Frühjahr 2019 bundesweit für Entsetzen gesorgt, nun startet am Montag der Prozess vor dem Klever Landgericht. Verantworten müssen sich zwei junge Männer aus Duisburg. Die Staatsanwaltschaft hat einen 22-Jährigen wegen Mordes angeklagt. Ihm und einem weiteren jungen Mann wird zudem die Teilnahme an einem illegalen Autorennen mit Todesfolge vorgeworfen. Im Falle einer Verurteilung droht dem 22-Jährigen eine lebenslange Freiheitsstrafe. Er fuhr bei dem Unfall einen Mercedes mit mehr als 600 PS, der Mitangeklagte steuerte einen 550 PS-starken Range Rover.

Raser-Unfall in Moers: Familie des Opfers als Nebenkläger

Bei dem Prozess werden der Ehemann und die beiden erwachsenen Kinder von Sema S. als Nebenkläger auftreten. Der Moerser Rechtsanwalt Christian Stieg vertritt die Familie, die nach seinen Worten nach wie vor unter dem Vorfall leidet. Dies gelte insbesondere für die Tochter, die erst kurz vor dem Vorfall volljährig geworden war. Der Vater versuche, den Verlust der Mutter zu kompensieren – „so gut es geht“, sagt Stieg.

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Was die Sache nicht leichter macht: Die Familie lebt nach wie vor in der Wohnung im Moerser Stadtteil Meerbeck, ganz in der Nähe des Tatortes. Die drei kommen nahezu täglich an der Stelle vorbei, an der die Ehefrau und Mutter durch den angeklagten mutmaßlichen Raser so schwer verletzt wurde, dass sie wenige Tage später starb.

Moers-Meerbeck: Angehörige nahmen Abschied von Sema S.

An der Bismarckstraße hatten die Meerbecker im April in einer spontanen Trauerfeier auf der Straße Abschied von Sema S. genommen. Blumen, Kerzen und Abschiedsbriefe, die damals niedergelegt worden waren, sind längst verschwunden. Übrig geblieben ist ein kleines türkisches Fähnchen am Baum.

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Die Nebenklage, sagt Anwalt Stieg, sei auch deshalb wichtig für die Familie, weil sie daran beteiligt werde, den Fall aufzuklären und ihn zu Ende zu bringen: „Es ist auch Teil ihrer Trauerarbeit.“ Aus Sicht des Rechtsanwaltes gibt es zudem eine Reihe von Fragen, die noch zu klären sind.

Als Nebenkläger bekommen Mann und Kinder die Möglichkeit, auf den Prozessverlauf Einfluss zu nehmen, weil sie dann ein eigenes Recht haben, Fragen und Anträge zu stellen, erklärt der Jurist: „Sonst wären sie bloße Zuschauer.“ Obwohl es sich um ein Strafverfahren handelt, das am Montag in Kleve beginnt, könnte im Laufe des Prozesses auch das Thema Schadensersatz eine wichtige Rolle spielen.

Update, 17. Februar 2020 – Urteil gefallen: Der 22-jährige Hauptangeklagte ist zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Der zweite Angeklagte ist zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und neun Monaten verurteilt worde. Lesen Sie hier den Bericht zum Urteil im Moerser Raserprozess.