Berlin. Deutschland wählt nach dem Scheitern der Ampel den Kurswechsel. Für den nächsten Kanzler könnte die Herausforderung nicht größer sein.

Die Wählerinnen und Wähler haben gesprochen und ihre Entscheidung ist deutlich: Sie wollen einen Kurswechsel und einen neuen Kanzler. Friedrich Merz hat mit der Union eindeutig den Auftrag bekommen, das Land die nächsten vier Jahre zu führen.

Das ist ein außergewöhnlicher Karrieresprung für einen Mann, den Angela Merkel beiseite geschoben hatte, der nach 18 Jahren in die Politik zurückkam und drei Anläufe nahm, um die Partei endgültig zu erobern. Diese Hartnäckigkeit wird Friedrich Merz jetzt dringend brauchen.

Merz wird den Aufprall auf die Wirklichkeit erleben

Der designierte Bundeskanzler wird nach einem Wahlkampf der harten Ansagen jetzt den Aufprall auf die Wirklichkeit erleben. Die Union kann nicht alleine regieren und braucht wie erwartet Hilfe außerhalb der Union. Das heißt: Merz muss Kompromisse eingehen und – entgegen seiner Natur – das Trennende zurückstellen und das Gemeinsame herausarbeiten. Nur so funktionieren Koalitionen.

Die Deutschen werden schon bald einen neuen Friedrich Merz erleben. Einen Moderator des Machbaren, der sicher manchen Satz bereut, den der Wahlkämpfer Friedrich Merz sportlich rausgehauen hat.

Auch Olaf Scholz ist endlich vom Planeten Utopia kommend in der Wirklichkeit gelandet und kassiert die Quittung für das Scheitern seiner Mission Ampel. Dass er bis zuletzt von einem möglichen Wahlsieg sprach, darf man ihm nicht verübeln. Was soll ein Kanzlerkandidat auch anderes sagen?

An den anstehenden Sondierungsgesprächen mit der Union werde er laut eigener Aussage nicht teilnehmen. Der Noch-Kanzler hat sich in vielen Ämtern für Deutschland abgerackert und muss nicht mehr in der ersten Reihe stehen. Jetzt müssen andere das retten, was von der einst stolzen Partei noch übrig geblieben ist. Viel ist es nicht mehr.

Für die SPD ist es das Ground Zero der Sozialdemokratie

Das Ergebnis dieser vorgezogenen Bundestagswahl ist für die SPD keine Niederlage. Es ist das Ground Zero der Sozialdemokratie. Von Kanzlerpartei auf Platz drei und runter auf das schlechteste Ergebnis aller Zeiten - das muss man erstmal hinkriegen. Die Parteiführung sollte harte Konsequenzen daraus ziehen. Die SPD muss sich radikal erneuern, weg von einer Besitzstandwahrerpartei hin zu einer sozial gerechten Problemlöserpartei.

Auch ein paar Ministerposten für den sozialdemokratischen Juniorpartner darf die alte oder neue Parteiführung nicht von diesem steinigen Weg abbringen, sonst droht beim nächsten Mal die finale Bedeutungslosigkeit.

AfD ist der klare Wahlsieger

Der deutlichste Wahlsieger dieser Wahl ist die AfD, die auf Platz zwei hinter der Union kommt. Es wird die größte Herausforderung für den künftigen Kanzler, ihre Wählerinnen und Wähler zurückzugewinnen. Eine schwierige Wählerschaft, die in ihrem Frust über die Verhältnisse in Deutschland sogar über rechtsextremistische Parolen der AfD-Führung hinwegsah.

Die rund 20 Prozent der Wählerinnen und Wähler kann man nicht einfach als „Nazis“ abtun. Sie kommen auch aus der Union, der SPD, sogar von den Linken. Die neue Regierung muss mit überzeugender Politik den Großteil dieser Wähler zurück ins demokratische Spektrum holen. Der harte, rechte und geschichtsvergessene Kern ist dabei abzuschreiben.

Ob Friedrich Merz das gelingt, wird in vier Jahren auch über die Zukunft der Union entscheiden. Und der Wunschtraum von einem Parteiverbot, das das Problem einfach per Verfassungsgerichtsurteil erledigt ist, ist mit dem heutigen Wahlergebnis jedenfalls ausgeträumt.