Berlin. Die extrem rechte Partei feiert einen Erfolg. Jetzt setzt die Weidel-AfD darauf, dass eine CDU-Regierung schnell scheitert.
Kurz vor 18 Uhr hält Alice Weidel eine Deutschland-Fahne in die Kameras. Sie lächelt. Sie weiß schon, dass die AfD nie stärker in den Bundestag einziehen wird als jetzt, in ein paar Minuten. Neben ihr steht Björn Höcke, Rechtsextremist und Thüringer Landeschef.
Doch als die ersten Prognosen über die Großleinwand flackern, ist der Jubel von Weidel und Co. nicht euphorisch. Eher höflich. 19,5 Prozent. Keine 20. Kurz danach steht Spitzenkandidatin Weidel auf der Bühne in der Bundesgeschäftsstelle der AfD im Norden Berlins und nennt das Ergebnis „historisch“. Und doch scheint im ersten Moment auch etwas Enttäuschung mitzuschwingen. Umfragen hatten die AfD zuletzt deutlich über 20 Prozent gesehen.
Und dennoch: Die AfD hat ihr Ergebnis im Vergleich zur vergangenen Bundestagswahl verdoppelt. Die Partei zeigt sich so geeint, so selbstbewusst und professionell wie nie zuvor in der mehr als zehnjährigen Geschichte. Auch Parteichefin Alice Weidel sitzt so fest im Sattel wie kein anderer Spitzenkandidat der bisher. Und: Noch nie zeigte sich die AfD so radikal. Geschadet haben Hetze und Lügen der AfD offenbar nicht – im Gegenteil.
In ihrer Rede in der Parteizentrale ruft Alice Weidel ins Mikrofon: Die AfD sei „fest als Volkspartei verankert“. Offenbar hat sich der Trend der vergangenen Wahlen bestätigt: Vor allem die Menschen in Ostdeutschland stimmten stark für die AfD, sogar in den Großstädten wie Leipzig. Thüringen und Sachsen sind Hochburgen der Partei. Vor allem in ländlichen Regionen ist die AfD erfolgreich. Bei Männern punktet sie eher als bei Frauen. Auch viel Nicht-Wähler gaben der AfD ihre Stimme.
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Bundestagswahl: Der AfD spielte für den Wahlerfolg vor allem eines in die Hände
Und auch junge Menschen wählen die AfD. Der Wahlkampf war Teil eines polarisierten Landes. Bundesweit gab es in den vergangenen Wochen Demonstrationen gegen Rechtsextremismus und die AfD, Hunderttausende gingen auf die Straßen. Fast alle Parteien, von Linkspartei bis Grüne, verzeichnen enorme Zuwächse bei den Mitgliederzahlen. Zugleich zeigt sich auch die extrem rechte Szene in Deutschland so organisiert wie selten zuvor.
Die AfD hat es geschafft, ein Umfeld aus eigenen Medienkanälen und außerparlamentarischen Gruppierungen und Organisationen aufzubauen. Auch auf der Wahlparty in der Bundesgeschäftsstelle im Berliner Norden sind mehrere TV-Kanäle vor Ort, die als Szenemedien gelten.
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Fachleute gehen davon aus, dass diese Polarisierung nach dem Erfolg der AfD nun wachsen könnte – nicht nur auf der Straße, sondern auch in den Echokammern der digitalen sozialen Netzwerke. AfD-Experte und Soziologe Matthias Quent warnt gegenüber unserer Redaktion zugleich: „Viele Menschen haben Angst vor der AfD und ihrem Erstarken, nicht nur Migranten.“ Der Machtzuwachs könne dazu führen, dass sich mehr und mehr Menschen zurückziehen aus Diskussionen.
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Der AfD spielte für den Wahlerfolg vor allem eines in die Hände: Attentate in Magdeburg, Aschaffenburg und München durch Geflüchtete und Ausländer machten Migration zum zentralen Wahlkampfthema. Und genau darauf setzt die AfD: Stimmung gegen Schutzsuchende und Migranten. Spitzenkandidatin Alice Weidel propagierte erstmals in ihrer Rede auf dem Parteitag im sächsischen Riesa Mitte Januar die „Remigration“ von Millionen von Menschen. Es ist ein Kampfbegriff der rechtsradikalen Szene.
Die AfD ist auf Linie von US-Präsident Donald Trump
Was auffiel: Die AfD entdeckte im Wahlkampf ihre Liebe zu den USA, Weidel suchte die Nähe zu Trumps erstem Regierungsberater und Milliardär Elon Musk, trat gemeinsam auf. Auch die Einmischung von US-Vize-Präsident J.D. Vance bejubelte die Partei – obwohl die AfD sich gerne als Partei der nationalen Souveränität in Szene setzt. Schon im Europawahlkampf sah sich die AfD scharfer Kritik aufgrund ihrer mutmaßlichen Nähe zu russischen und chinesischen Netzwerken ausgesetzt.
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Ohnehin ist die AfD auf Linie von Trump, will Waffenhilfen an die Ukraine im Kampf gegen den russischen Angriffskrieg unterbinden. Die rechte Partei profitiert nun von der Schwäche des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW). Doch brisant könnte es werden, wenn AfD und Linke gemeinsam im Bundestag so stark werden, dass sie eine Sperrminorität bekommen – und sich gegen weitere Hilfen für die Ukraine etwa durch ein Sondervermögen stellen. Wahrscheinlich ist eine solche Allianz allerdings nicht.
Die Professionalisierung der AfD kann sich durch den Wahlerfolg weiter fortsetzen. Die Partei erhält mehr Steuergeld, sie kann mehr Mitarbeitende im Bundestag einstellen, wird noch intensiver in den sozialen Netzwerken werben – dort ist sie schon jetzt stärker als die anderen Parteien. Die AfD mobilisiere „deutlich über das rechtsradikale Milieu hinaus“, sagt Experte Quent.
Ein erster Angriff der AfD dürfe schon kurz nach der Wahl kommen
Der Politikwissenschaftler und AfD-Kenner Wolfgang Schroeder von der Universität Kassel hebt hervor, dass die AfD als stärkste Oppositionskraft zu einem „parlamentarischen Scheinriesen in Deutschland“ werde. Mit Folgen, so Schroeder, vor allem für die Union. „CDU und CSU werden sich einerseits permanent abgrenzen müssen, andererseits wird die Machtposition der AfD gestärkt – und die Stimmen auch in der Union lauter, die ein Bündnis mit den Rechten schmieden wollen“, sagt Schroeder unserer Redaktion.
Die Union war es auch, die von der AfD zu ihrem Hauptgegner im Wahlkampf ausgemacht wurde. Als Alice Weidel ihre Rede vor den AfD-Anhängern hält, hebt sie einen Satz hervor. Er richtet sich an CDU-Chef Friedrich Merz. „Unsere Hand ist immer ausgestreckt.“ Man sei bereit für eine Regierungsbildung. Und scheitere ein neues Bündnis ohne AfD, sagt Weidel, dann kämen die nächsten Wahlen schnell. „Und dann überholen wir die CDU.“ Es ist Weidels Drohung an Merz, der nun in Koalitionsverhandlungen ziehen muss.
Noch etwas dürfe sich weiter verschärfen: der Ton der Debatten im Bundestag. Keine Fraktion erhält laut Medienrecherchen so viele Ordnungsrufe im Parlament wie die AfD. Die Partei beleidigt, schimpft, hetzt. Zugleich gibt sie sich angriffslustig, feiert Erfolge auch im Bundestag – etwa wie der gemeinsame Antrag mit Stimmen von Union und FDP kurz vor der Wahl zur Migrationspolitik. Alice Weidel lachte im Parlament. Merz schwieg.
Ein erster Angriff der AfD dürfe schon kurz nach der Wahl kommen: Sie wird als zweitstärkste Kraft einen Stellvertreter als Bundestagspräsident stellen wollen. Es wäre das erste Mal in der Geschichte. Schon einmal wehrten die anderen Fraktionen das ab. Mit einer noch stärkeren AfD dürfte das noch schwieriger werden.