Stralsund. Mohammad Mawed aus Stralsund saß sieben Monate in einem brutalen Foltergefängnis des Assad-Regimes. Eine Frage quält ihn bis heute.

Als Mohammad Mawed die Augen verbunden wurden und er die ersten Schläge spürte, wusste er, dass dies der Anfang von etwas Unvorstellbarem war. Rund sieben Monate verbrachte der 31-Jährige in einem von Assads Foltergefängnissen. „Das ist eine Erfahrung, die ich nicht noch einmal machen will, auch wenn es meinen Tod bedeutet“, sagt der syrische Palästinenser.

Mawed, der heute in Stralsund lebt, hatte nach eigenen Angaben seit 2011 an zahlreichen Freiheitsprotesten gegen das diktatorische Regime von Baschar Al-Assad teilgenommen, weshalb er von den Sicherheitsbehörden des Regimes gesucht wurde. Doch 2014 startete die Regierung von Baschar al-Assad eine Versöhnungsinitiative mit all jenen, die gegen das Regime protestiert hatten.

So beschließt Mawed, sich zu stellen, um im Gegenzug eine Amnestie für seine „Verbrechen“ zu erhalten. Doch statt einer Amnestie wartet auf ihn die Hölle. Er wird verhaftet und in eine der Sicherheitsabteilungen des Regimes in Damaskus gebracht. Bis heute weiß er nicht, in welchem Gefängnis er war. „Ich habe die neuen Bilder der Foltergefängnisse durchsucht, um herauszufinden, in welchem ich war, aber ohne Erfolg.“

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Direkt nach seiner Einlieferung beginnt eine Tortur. „Als wir ins Gefängnis gebracht wurden, haben sie uns zur Begrüßung auf den Kopf geschlagen. Das nannten sie Willkommensritual.“ Mawed wird mit Stöcken und Kabeln gequält.

Jan Jessen in Syrien
Foto aus dem Assad-Gefängnis bei Saidnaya. © FMG | Jan Jessen

Folter in Syrien: In einer Zelle ohne Essen und Wasser

Mawed wird in eine dreißig Quadratmeter große Zelle gesperrt, in der zu diesem Zeitpunkt mehr als 80 Menschen untergebracht sind. „Die Luft war stickig, es war eine unerträgliche Mischung aus dem Gestank von Tod, Blut, Krankheit, Urin und Schimmel.“

In dieser Zelle bekommen die Gefangenen wenig zu essen und kaum Wasser. Sie dürfen die Sonne nicht sehen und keine frische Luft atmen. Sie müssen dort auf den Knien sitzen, sie dürfen nicht sprechen. Verletzte dürfen nicht behandelt werden. Die Insassen haben keinen Namen, nur eine Nummer.

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Ein Mann, der seit Jahren einsitzt, hat ein Auge auf die anderen Gefangenen und bereitet sie darauf vor, wenn sie an der Reihe sind, verhört zu werden. „Er hat mir von Anfang an gesagt, dass ich alles gestehen muss, was der Vernehmer sagt, auch wenn ich es nicht getan habe, um nicht wie alle anderen gefoltert zu werden“, sagt Mawed. „Das habe ich am nächsten Tag sofort getan.“

Mohammad Mawed aus Stralsund erzählt von seiner Erfahrung im Foltergefängnis des Assad-Regimes.
Mohammad Mawed aus Stralsund erzählt von seiner Erfahrung im Foltergefängnis des Assad-Regimes. © Privat

Folterknast in Syrien: Gefangene wurden von Shabeh und Dulab gefoltert

Während seiner Vernehmung kann er hören, wie andere Gefangene gefoltert werden. „Ich konnte ihre Schreie aus dem Verhörraum hören.“ Nach den Folterungen flüstert Mawed mit einigen Gefangenen, die noch sprechen können. Sie erzählen, dass die Folterer ihre Hände mit Seilen gefesselt und dann die Seile zugezogen hätten. Dann seien sie mit einem Knüppel auf alle empfindlichen Stellen geschlagen worden. „Um dem Körper so viele Wunden wie möglich zuzufügen.“

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Außerdem seien sie an ein Rad gefesselt worden, in das Kopf und Körper gesteckt werden, damit sich der Gefangene nicht bewegen kann. „Und dann fangen sie an, ihm mit einem sehr scharfen Gegenstand auf den Kopf zu schlagen, damit er den Verstand verliert und verrückt wird“, erzählt Mawed.

Menschen aus Syrien feiern die Befreiung Syriens von Machthaber Baschar Al-Assad .
Menschen aus Syrien feiern die Befreiung Syriens von Machthaber Baschar Al-Assad . © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

Assads Syrien: „Der Wärter lachte über den Zustand des Gefangenen“

Neben der physischen Folter ist für Mawed auch die psychische Gewalt allgegenwärtig. Er muss mit ansehen, wie ein schwer verletzter Mitgefangener vor seinen Augen stirbt. „Er wurde zu Tode geprügelt, sein Rücken und seine Beine waren gebrochen. Er konnte nicht mehr aufstehen, er war so gelähmt, dass er zur Zellentür kroch, um zu klopfen und nach dem Wärter zu rufen, der wiederum kam und über den Zustand des Gefangenen lachte, anstatt ihm zu helfen.“

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Im Krisenmodus

Sieben Monaten später ist Mohammed Maweds Zeit im Gefängnis zu Ende. Nach einer Begnadigung durch den Ex-Präsidenten Baschar al-Assad wurden „alle Häftlinge, die kein Blut an ihren Händen hatten, freigelassen“. „Allerdings war die Entscheidung nicht sehr gut für uns. Wir wurden nackt ausgezogen, in die Sonne gelegt, in die große Hitze, und man schlug uns wieder auf den Kopf, als ob man sagen wollte: Auch wenn ihr aus dem Gefängnis kommt, werden wir euch schlagen“. Viele der Entlassenen, so Mawed, seien an den Schlägen gestorben, als sie aus dem Gefängnis entlassen wurden. 

Sofort danach flieht Mawed in die Türkei und von dort aus nach Deutschland. Seit 2015 lebt der 31-Jährige mit seiner Frau und seinen Töchtern in Stralsund – in Sicherheit, er genießt seine Freiheit. An den Folgen der Folterung leidet er zwei Jahre. Jetzt geht es ihm körperlich besser, sagt er. „Aber innerlich bin ich immer noch ein Gefangener dieser Erfahrung.“

Nach dem Sturz Assads hat er neue Hoffnung geschöpft, „dass all jenen Gerechtigkeit widerfährt, die ihr Leben verloren haben, ohne einen ihrer Menschlichkeit würdigen Tod zu finden“ – auch für seinen Vater. Das letzte Lebenszeichen seines Vaters ist ein Foto aus dem berüchtigten Militärgefängnis von Saidnaya. „Dort ist mein Vater gestorben.“