Saidnaja/Berlin. Helfer versuchen verzweifelt, Tausende Gefangene aus Syriens größtem Foltergefängnis Saidnaja zu befreien. Ihnen läuft die Zeit davon.

Das Assad-Regime in Syrien ist gefallen, doch Tausende seiner Gefangenen schmoren noch in seinen Folterlagern. Das berüchtigtste ist das Saidnaja-Gefängnis nördlich von Damaskus, in dem laut der syrischen Menschenrechtsorganisation Weiße Helme Menschen in versteckten unterirdischen Zellen festgehalten werden.

Wie die Weißen Helme auf X schreiben, sind sie aktuell mit fünf Notfallteams im Gefängnis, um die Gefangenen zu befreien. Wie Überwachungskameras zeigen, befinden sich noch immer Tausende Menschen in geheimen Zellen, die mehrere Stockwerke unter der Erde liegen und drohen aufgrund fehlender Belüftung zu ersticken. Die Wärter sind geflohen und die Türen durch Codes und Tarnmechanismen gesichert.

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Auf sozialen Plattformen rief die Provinz Damaskus ehemalige Soldaten und Gefängnismitarbeiter des Regimes auf, den Rebellentruppen die Codes für die elektronischen Türen zu unterirdischen Gängen zu übermitteln, damit die Gefangenen freikommen.

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Videos zeigen mutmaßliche Foltereinrichtungen und Hinrichtungsräume

Im Internet kursieren Videos, die zeigen, wie Rebellen Wände einschlagen, um die Gefangenen zu befreien. Mit Hunden und Geräuschsensoren versuchen sie die geheimen Zellen zu orten. „Wir werden von Personen begleitet, die alle Einzelheiten des Gefängnisses kennen“, schrieb Raid Al Saleh, Leiter der Weißhelme. Bislang blieb die Suche jedoch erfolglos. Die Arbeiten würden fortgesetzt, schrieb Al Saleh weiter. Videos zeigen zudem mutmaßliche Foltereinrichtungen und Hinrichtungsräume im Saidnaja-Gefängnis – ihre Echtheit kann allerdings nicht bestätigt werden.

Sednaya Military Prison after overthrow of 61-year Baath Party rule
Im Saidnaja-Gefängnis wurden in den vergangenen Jahren Zehntausende Menschen hingerichtet. © Anadolu/Getty Images | Getty Images

Andere Aufnahmen zeigen die Freilassung von Gefangenen, darunter ein kleines Kind, das mit seiner Mutter festgehalten wird. Es ist in einem Video von der Freilassung von Frauen zu sehen, das von der in der Türkei ansässigen Vereinigung der Gefangenen und Vermissten im Saidnaja-Gefängnis (ADMSP) veröffentlicht wurde.

„Er [Assad] ist gefallen. Habt keine Angst“, sagt eine Stimme im Video und versucht offenbar, die Frauen zu beruhigen, dass sie nun in Sicherheit seien. Viele Gefangenen, die nun befreit werden, gelten seit Jahren als verschollen. Ihre Angehörigen haben oftmals angenommen, sie seien tot.

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Amnesty International nannte Saidnaja „menschlichen Schlachthof“

Das Saidnaja-Gefängnis war das größte Militärgefängnis des Assad-Regimes. Laut Menschenrechtsorganisationen waren dort physische und psychische Misshandlungen, sexueller Missbrauch und Folter wie Elektroschocks an der Tagesordnung. Die Gefangenen wurden in überbelegten Zellen ohne ausreichend Nahrung und Wasser und ohne jegliche medizinische Versorgung untergebracht.

Seit 2011 sollen Schätzungen zufolge über 30.000 Häftlinge in dem Gefängnis gestorben sein. Sowohl an Folter und den unmenschlichen Haftbedingungen, aber auch bei geheimen Hinrichtungen, die in dem Gefängnis durchgeführt wurden. 2017 warf die US-Regierung dem Assad-Regime vor, im Saidnaja-Gefängnis ein Krematorium zu unterhalten, um die Leichen der Gefangenen verschwinden zu lassen. Amnesty International sprach in einem Bericht von einem „menschlichen Schlachthof“ und behauptete, dass die höchsten Ebenen der Assad-Regierung die Hinrichtungen angeordnet hätten.

Sednaya Military Prison after overthrow of 61-year Baath Party rule
Luftaufnahme des Saidnaja-Militärgefängnisses. © Anadolu/Getty Images | Getty Images

So wurde ein Mann offenbar nur knapp vor seiner geplanten Hinrichtung befreit: „Jetzt stehen wir im Herzen von Damaskus“, sagte ein Mann. „Ich schwöre bei Gott, dem Allmächtigen, dieser Mann und ich sollten heute erst vor 30 Minuten gehängt werden. Ich schwöre bei Gott, dem Allmächtigen, heute sollten 54 Männer hingerichtet werden.“

Einer der befreiten Saidnaja-Gefangenen, ein junger Mann, berichtete dem Sender Al-Dschasira von seinen grauenvollen Erlebnissen und schilderte seine Zeit in Gefangenschaft: „Ich hatte im Gefängnis keinen Namen, nur eine Nummer. Ich verlor meine Identität, meinen Namen und meinen Charakter. Ich wurde vom Regime gefangen genommen und meine Familie dachte, ich sei tot.“

Mit Material von dpa