An Rhein und Ruhr. 2012 wurden einige Altkennzeichen, die bei der Gebietsreform vor 50 Jahren verschwanden, wieder eingeführt. Nun wird erneut über neue Nummernschilder diskutiert.

Mönchengladbach wächst durch die Eingemeindung von Rheydt und Wickrath, Wesel wird zur Kreisstadt und mit den Altkreisen Dinslaken, Moers und Rees zusammengelegt, Walsum gehört plötzlich zu Duisburg und neben vielen Städten wie Emmerich zählt nun auch der Kreis Geldern zum Kreis Kleve. Ein halbes Jahrhundert ist es nun her, dass sich durch die kommunale Gebietsreform nicht nur die Landkarte am Niederrhein veränderte. Durch Inkrafttreten am 1. Januar 1975 änderte sich auch das Leben vieler Menschen in der Region, für die der Verlust von historischen Ortsstrukturen oft auch mit Schmerz verbunden war.

Ein Gefühl von Heimat und Identität, das auch an unscheinbaren Dingen hing – wie beispielsweise dem Nummernschild. Umso größer war die Freude und der Andrang, als viele Städte im Jahr 2012 die Altkennzeichen wieder einführten. Moerser bekamen ihr „MO“-Kennzeichen wieder, Dinslakener das „DIN“-Nummernschild zurück – und die Verkehrsämter wurden mit Anmeldungen überflutet.

Neue Kennzeichen für viele Städte am Niederrhein möglich

Schon damals hatte die Hochschule Heilbronn mit Prof. Dr. Ralf Borchert die Kennzeichenliberalisierung in Nordrhein-Westfalen begleitet – und Umfragen erstellt, die zeigten, wie groß das Verlangen nach den nostalgischen Kennzeichen war. Auch jetzt, 12 Jahre später, beschäftigt sich die Uni Heilbronn mit der Kennzeichenliberalisierung. Mit dem Ziel, im Rahmen einer deutschlandweiten Initiative neue Kfz-Schilder für 320 mittelgroße Städte mit mehr als 20.000 Einwohnern zu ermöglichen.

In einer kürzlich veröffentlichten Studie tauchen auch viele Städte in der Region auf, für die eine solche Neueinführung infrage käme. Darunter Emmerich (EMM), Rees (REE), Xanten (XA), Monheim (MOH), Kamp-Lintfort (KLI), Hamminkeln (HMI), Neukirchen-Vluyn (NV), Rheinberg (RHB), Voerde (VOE) und Ratingen (RAT).

In der Stadt im Kreis Mettmann stimmten bereits 85 Prozent der über 1400 Teilnehmer im Rat bei einer Befragung der CDU-Fraktion für die Einführung eines eigenen Kennzeichens, die Mehrheit für das Nummernkürzel RTG. Für Prof. Dr. Borchert ein besonderes Beispiel, wie er im Gespräch mit der NRZ erklärt: „Aus meiner Sicht ist Ratingen besonders relevant, weil Ratingen mit knapp 90.000 Einwohnern bundesweit, nach dem Sonderfall Bremerhaven, die größte Stadt ohne eigenes Kennzeichen ist.“

Am Beispiel Ratingen werde deutlich, wie „absurd“ es sei, dass ME für eine Stadt mit nicht einmal 40.000 Einwohnern steht, während Ratingen selbst kein eigenes Kennzeichen hat. Stehe die Kfz-Ortskennung für eine emotionale, individuelle und verortende Funktion im Kontext von Heimat, wie es bei vielen Menschen der Fall sei, dann ergebe es laut dem Experten keinen Sinn, Menschen einer großen Stadt dazu zu „zwingen“, eine andere kleinere Stadt, mit der sie wenig zu tun haben, zu repräsentieren, „wenn es doch völlig unproblematisch zu ändern ist.“

Denn mehr Kennungen pro Landkreis kosten nicht unbedingt mehr Geld. „Wenn es anders wäre, dann bedürfte es komplizierter Kosten-Nutzen-Untersuchungen, das muss man hier nicht tun.“ Für die Städte sei das Thema außerdem auch deshalb interessant, weil es eine kostenlose Marketingmaßnahme mit hoher Sichtbarkeit sei.

Kennzeichen als Heimatindikator: „Die Stadt als Verortungskern“

Doch warum scheint ein kleines Stück Blech für viele Menschen so bedeutsam? „Es ist sicher eine Kombination von Gründen. Die Stadt als Verortungskern. Die Größe der Städte ist für sehr viele Menschen relevanter als „Heimat“ als Regionen oder gar Landkreise, weil die Städte mit ihren kleineren Radien besser verstanden und „gelebt“ werden als größere Einheiten“, erklärt Prof. Dr. Borchert von der Hochschule Heilbronn.

„Die Größe der Städte ist für sehr viele Menschen relevanter als „Heimat“ als Regionen oder gar Landkreise.“

Prof. Dr. Ralf Borchert
Hochschule Heilbronn

Kreiskennzeichen wie „WES“ für Kreis Wesel und „KLE“ für den Kreis Kleve beispielsweise verwiesen laut dem Wissenschaftler auf einzelne Städte und nicht auf die Region „und verorten daher ganz sicher außerhalb der symbolisierten Städte nur sehr schwach“.

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Eigene Kennzeichen für mittelgroße Städte? Änderung der Fahrzeugzulassungsverordnung nötig

Laut dem Experten von der Hochschule Heilbronn ähnelte der von den Städten angestrebte Prozess dem, der vor der Wiedereinführung der Altkennzeichen 2012 lief. Doch was muss passieren, damit kleinere Städte vielleicht bald die Möglichkeit auf lokale Nummernschilder haben? „Eine Änderung der Fahrzeugzulassungsverordnung (FZV), indem die für Kreise zusätzlich möglichen Kennungen nicht auf Altkennzeichen beschränkt werden. Das wäre eine sehr einfache Änderung im Text der FZV.“ Das Prozedere laufe dann über den Bundesrat. „Aus meiner Sicht war die Änderung 2012 schon eine Überraschung, weil man mit der Regel „Ein Kreis = Ein Kennzeichen“ gebrochen hat“, so Prof. Dr. Borchert. Laut dem Wissenschaftler stellt sich diese Grundsatzfrage nun nicht mehr.

Auch eine Sprecherin des Verkehrsministeriums erklärt auf Nachfrage der NRZ: „Voraussetzung hierfür wäre zunächst eine Änderung der Fahrzeugzulassungsverordnung durch den Bund.“ Doch unterscheide sich die Diskussion um die Einführung neuer Kennzeichen für kleinere Städte von der im Jahr 2012 geregelten Möglichkeit der Wiedereinführung von Altkennzeichen. „Bei letzterer können nur Kennzeichen wiedereingeführt werden, die bereits offiziell zugelassen waren und im Zuge von kommunalen Gebietsreformen weggefallen sind.“ Insgesamt existierten in NRW 40 solcher Altkennzeichen, 27 davon seien wieder eingeführt worden. „Der jüngste Vorschlag der Hochschule Heilbronn sieht dagegen die Einführung vollkommen neuer Kennzeichen vor.“

Derzeit wird eine solche Änderung der Verordnung vom Bundesverkehrsministerium geprüft. Ob und wann es lokale Kennzeichen in den Städten gibt, bleibt abzuwarten. Während sich das Interesse an einem eigenen Kennzeichen für Rheinberg in Grenzen hält, wie die Pressestelle gegenüber der NRZ mitteilt, gibt es unter anderem in Voerde, Kamp-Lintfort und Emmerich Bestrebungen, ein eigenes Kennzeichen zu führen. Auch Xantens Bürgermeister Thomas Görtz erklärte jüngst: „Als einzige deutsche Stadt mit dem Anfangsbuchstaben X hätten wir ein ganz besonderes Interesse an einem eigenen Kennzeichen, vermittelt es doch Heimatliebe und -stolz.“