Den Haag. Marjolein Faber will, dass Ausländer die Niederlande verlassen. Im Streit über Asylverschärfungen kassiert sie eine herbe Klatsche – wieder mal.
Sie ist die Ministerin mit dem heiklen Aufgabenbereich „Ausländer raus“. Marjolein Faber, langjährige Regionalpolitikerin aus der kleinen Großstadt Amersfoort, hatte ihr Amt mit großen Versprechungen angetreten. Sie werde die „strengste Asylpolitik aller Zeiten“ betreiben und den Zustrom von Migranten stoppen, posaunte die 64-Jährige den Niederländern im Juli zu, als die zur Spätkarriere in Den Haag ansetzende Asyl- und Migrationsministerin ihr Amt übernahm. Keine acht Monate später ist Fabers Erfolgsbilanz äußerst dürftig.
Die streitbare Parteisoldatin gerät unter Druck. Das von ihr maßgeblich vorangetriebene neue Asylrecht wurde jüngst von der höchsten niederländischen Rechtsinstanz zerpflückt. Das vernichtende Urteil des Raad van State: Zwei Gesetzentwürfe, für die Faber eintritt, seien handwerklich schlecht gemacht und weitgehend wirkungslos. Im Gegenteil, ihre Umsetzung würde gar zur Mehrbelastung von Behörden und Gerichten führen.
Eine schallende Ohrfeige für Faber. Und für ihren Chef Geert Wilders (61) sowie die gesamte niederländische Rechtsaußen-Regierung.
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Asylstreit in den Niederlanden: Geert Wilders akzeptiert keine Änderungen
Die Bewertung wirft Zweifel an der Seriosität der vier-Parteien-Koalition auf. Die Mitglieder des Staatsrats, dessen Präsident König Willem-Alexander (57) ist, sprachen die Empfehlung aus, „das Gesetz über Asylnotstandsmaßnahmen und das Gesetz zur Einführung eines Doppelstatussystems in ihrer derzeitigen Form nicht dem Parlament vorzulegen“.
Die Regelungen würden wahrscheinlich nichts bringen, so das Gremium. „Dass die Maßnahmen tatsächlich zu einer Begrenzung des Zustroms oder einem effizienteren Asylverfahren beitragen“, sei „nicht plausibel“. Die Gesetzentwürfe seien „nachlässig“ ausgearbeitet worden.
Der Staatsrat hat nur eine beratende Funktion. Es ist die Aufgabe dieses Verfassungsorgans, eine juristische Einschätzung abzugeben. Doch die deutlichen Worte haben das Potenzial, die Koalition zu sprengen.
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Wilders, aufwändig frisierter Gebieter der rechtspopulistischen Regierungspartei PVV und zugleich der Mann, der Faber ins Amt geholt hatte, ließ die Kritik nicht auf sich sitzen. Seine Fraktion akzeptiere keinerlei Änderungen am vorgelegten Entwurf, drohte er. Falls seine gemäßigten Koalitionspartner auf Anpassungen bestünden, „dann ist es vorbei mit dieser Regierung“. Die Empfehlung des Staatsrats tat er als Meinung „nicht gewählter Bürokraten“ ab.
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Die Ministerin will unter anderem den Asylstatus von jetzt fünf auf drei Jahre verkürzen. Auch plant sie, den Familiennachzug einzuschränken. Könne sie nicht, befand der Rat in Fabers Armutszeugnis. Dieses Recht sei weitgehend in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankert, die nationale Gesetzgebung sei nachrangig. Der Raad van State befürchtet zudem, dass Migrationsbehörden sowie Gerichten durch Klagen betroffener Asylbewerber zusätzliche Arbeit entsteht.
Die niederländische Asylministerin wirkt hilflos
Faber gesteht keine Schuld ein. Sie hat bereits vor der Veröffentlichung deutlich gemacht, dass sie an ihren Entwürfen festhalten werde – egal, was die Prüfung des Staatsrats ergibt. Für sie bedeutet die Mängelliste eine weitere herbe Niederlage. Ihr Versprechen, den Zustrom von Flüchtlingen zu begrenzen, hat sie bislang nicht erfüllt. Was sie vorzuweisen hat, ist Symbolpolitik. Etwa als sie am Jahresende 2024 ankündigte, ab Januar Zahlungen für die Unterbringung abgelehnter Asylbewerber einzustellen – was so wenige Menschen betrifft, dass es auf den Staatshaushalt keine nennenswerten Auswirkungen hat. Auch die von ihr befohlenen Grenzkontrollen entfalten kaum Wirkung. Die Ministerin wirkt hilflos.
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„Faber möchte so viele Dinge auf einmal ändern, dass die Übersicht verloren geht“, kommentiert die Amsterdamer Zeitung „de Volkskrant“. Auch einem Kabinettsmitglied dürften zwar Fehler unterlaufen, schreibt das Blatt. „Das größte Problem der gesamten Faber-Aktion besteht allerdings darin, dass die Ministerin und ihr Parteivorsitzender noch vor einer Beratung des Rats erklärten, sie würden keine Kritik akzeptieren.“
Ihr Förderer Wilders hat Faber ins Amt gebracht. Sie muss beweisen, dass sie ihm gewachsen ist.