Mülheim/Duisburg. Er hat die Zeiten erlebt, als Mülheims Innenstadt florierte. Jetzt ist „Kruse classics“ Geschichte. Der Inhaber wagt den Neustart - in Duisburg.

Fast 40 Jahren lang hat er selbst im Geschäft am Löhberg Schuhe verkauft und medizinische Fußpflege angeboten, seine Mutter hatte das Geschäft bereits 1968 übernommen, als sich die Familie Konschak zur Ruhe gesetzt hatte: Georg Kruse hat zum Jahreswechsel sein traditionsreiches Schuhgeschäft am Löhberg geschlossen. Noch ein inhabergeführter Fachhandel weniger in Mülheims Innenstadt.

67 Jahre alt ist Georg Kruse jetzt. Sein Geschäft aber gibt er nicht aus Altersgründen auf. „Ich bin topfit und denke gar nicht dran, zu Hause die Möbel zu zählen“, sagt der Mülheimer Einzelhändler. Er macht weiter. Aber nicht mehr in Mülheim. Kruse übernimmt in Duisburgs Innenstadt das Geschäft „Kos-Schuhe“ am Salvatorweg, einen Steinwurf entfernt von der Königstraße, in 1b-Lage. Anfang, Mitte Februar will er dort wiedereröffnen.

Mülheimer Händler macht mit 67 neuen Laden auf: „Einmalige Chance des Schicksals“

Kruse verspricht sich in der Nachbarstadt ein wieder auskömmlicheres Leben als Einzelhändler. „In Mülheim ist es seit zehn Jahren so, dass ich am Ende auf eine schwarze Null kam. Ich habe seit zehn Jahren keinen Urlaub gemacht, habe auf vieles verzichtet“, sagt der Händler. Er hätte das Geschäft, das er 1996 von seiner Mutter Regina übernommen hat, durchaus noch weiterbetrieben, weil er sich eben noch nicht im Ruhestand sieht. Als „einmalige Chance des Schicksals“ bezeichnet er aber das, was sich mit der Geschäftsübernahme in Duisburg am Horizont auftut. Kundinnen hatten Kruse im September 2024 erzählt, dass der Laden nach 28 Jahren Existenz an Ort und Stelle zur Übernahme frei würde. Kruse machte Nägel mit Köpfen.

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In Mülheim beklagt der Einzelhändler den Niedergang der Innenstadt und blickt wehmütig auf Zeiten zurück, als das Geschäftsleben noch florierte, als die Menschen zwischen Wochenmarkt am Rathaus und Kaufhof auch an seinem Laden in Massen vorbeigespült worden seien. Früher ließ es sich mit Laufkundschaft prächtig wirtschaften im Mülheimer Einzelhandel, heute zehren die inhabergeführten Läden insbesondere von treuer Stammkundschaft.

Mülheimer Schuhhändler: Ohne Markt am Rathaus und Kaufhof fehlt Frequenz

Kruse sieht viele Fehlentwicklungen, die den Niedergang befeuert hätten. Die Eröffnung des Centro 1996 in Oberhausens Peripherie habe „enorm Kaufkraft abgezogen“. Negativ habe sich die Euro-Einführung ausgewirkt. Finanzkrise. Corona-Krise, aktuelle Krisen, die die Konsumfreude der Kundschaft trüben... Den Online-Handel sieht der Fachhändler gar nicht mal so kritisch für sich. Im höheren Preissegment sei individuelle Beratung weiter gefragt.

Kruse Classic - Schuhgeschäft in der Mülheimer Innenstadt hat zum 31.12.2024 geschlossen - im Bild: Ladeninhaber Georg Kruse
Ein weiterer Leerstand in Mülheims Innenstadt: Das Schuhgeschäft „Kruse classic“ ist geschlossen. © WAZ | Mirco Stodollick

Die Probleme der Innenstadt sieht Kruse aber, wie viele andere, auch als hausgemacht an. „Schleichend, aber kontinuierlich“ sei es bergab gegangen. Für Kruse ein wichtiger Punkt: Die Ödnis auf dem Rathausmarkt, seit es den Wochenmarkt dort nicht mehr gibt. Kruses Knochen, von denen er gezehrt hat - Wochenmarkt und Kaufhof - sind nicht mehr da, die Frequenz fehlt. „Sie haben uns immer gesagt, der Wochenmarkt kommt zurück, darauf haben wir vertraut“, ist er enttäuscht von Verwaltung und Politik.

„Sie haben uns immer gesagt, der Wochenmarkt kommt zurück, darauf haben wir vertraut.“

Georg Kruse
Einzelhändler

Mülheimer Innenstadt-Händler erinnert sich: „Da war es noch mal wie früher...“

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Sie seien mit den vielen Baustellen, mit der Entscheidung, Parkplätze am Rathausmarkt zu streichen, mit einer neuen Verkehrs(irre)führung in der Innenstadt dafür mitverantwortlich, dass Kundinnen und Kunden der Innenstadt in Scharen den Rücken gekehrt haben. Vergeblich habe die Händlerschaft darauf gewartet, dass auf dem Rathausmarkt solche Events etabliert werden, die Belebung auch im Handel hätten bringen können. Letztes Highlight sei da die 200-Jahr-Feier Mülheims gewesen. Im Jahr 2008! „Das war perfekt organisiert. Da war es noch mal wie früher“, erinnert sich Kruse.

Kruse Classic - Schuhgeschäft in der Mülheimer Innenstadt hat zum 31.12.2024 geschlossen - im Bild: Ladeninhaber Georg Kruse
Georg Kruse hat sein Schuhgeschäft mit integrierter Fußpflege in Mülheims Innenstadt geräumt. © WAZ | Mirco Stodollick

Das Früher lässt Kruse jetzt komplett hinter sich, wagt mit 67 Jahren den Neustart in Duisburgs Innenstadt. In 28 Jahren habe sich Kos-Schuhe dort „einen tadellosen Ruf“ verdient, daran wolle er unter gleichem Namen anschließen. Mit einem dreigeteilten Shop (Ara, Bequemschuhmarken, Gabor) habe der Duisburger Laden das Alleinstellungsmerkmal, mit dem stationärer Handel weiter punkten könne, ist Kruse überzeugt.

Beim Instandsetzen des Ladens habe er bereits viele Kundinnen getroffen, die er auch in seinem Mülheimer Geschäft bedient habe. Und da alle, die in Duisburg das alte Parkhaus von Galeria Kaufhof nutzen, an seinem künftigen Laden vorbei müssen, sei auch eine viel stärkere Laufkundschaft zu erwarten als am Löhberg.

Schon Kruses Eltern machten Geschäfte in Mülheims Innenstadt

In Mülheims Innenstadt beendet Kruse eine jahrzehntelange Familiengeschichte. Aus Freiburg waren seine Eltern Heinz und Regina in den 1950er-Jahren in die Stadt gekommen, der Vater hatte gegenüber vom heutigen Bürgeramt einst die in einem Innenhof untergebrachte Schuhmacherei Hülk übernommen, später die Besolei der Familie Overath. In den 1960ern verselbstständigte sich Mutter Regina mit jenem eigenen Schuhladen samt Fußpflege am Löhberg. Eine Geschichte, die jetzt - wie viele andere von Mülheimer Innenstadt-Händlern - ein Ende hat.

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