Mülheim. Mülheims Verwaltung braucht mehr Personal, etwa wegen der Cannabis-Legalisierung und der damit verbundenen Kontrollen. So soll‘s gelingen.
Insgesamt 120 Maßnahmen hat man ausgemacht, die dazu beitragen können, die Mülheimer Stadtverwaltung zu einer interessanteren Arbeitgeberin zu machen. 19 dieser Maßnahmen sollen nun priorisiert umgesetzt werden, um die Lücken, die sich im Rathaus durch den Fachkräftemangel auftun, zu schließen. Und auch die aktuell Beschäftigten sollen profitieren.
Angestoßen worden war der Prozess Ende 2022, nachdem auf einer Personalversammlung Unmut laut wurde wegen der Arbeitsbedingungen innerhalb der Stadtverwaltung. Ein Kritikpunkt: Arbeitsverdichtung in zahlreichen Abteilungen, weil Stellen nicht nachbesetzt werden konnten oder durften - damals waren etwa die Ausländerbehörde sowie Sozialamt und Jobcenter betroffen, aber auch die Bauplanung sowie die IT. Von dauerhafter Belastung bei den städtischen Beschäftigten war die Rede, die zu krankheitsbedingten Ausfällen und Überstunden führe.
Stadtverwaltung Mülheim muss immer mehr Aufgaben übernehmen
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Personaldezernentin Anja Franke bestätigt auf Nachfrage, dass die Aufgaben bei der Stadtverwaltung aktuell wüchsen. Ursache für diesen Aufgabenzuwachs seien hauptsächlich veränderte gesetzliche und gesellschaftliche Rahmenbedingungen. Ein Beispiel sei das Ordnungsamt, das immer mehr Kontrollaufgaben zu erledigen habe. Franke nennt in diesem Zusammenhang die Legalisierung des Cannabiskonsums und erklärt: „Das ist mit vielen kontrollpflichtigen Einschränkungen verbunden, die die Ordnungsämter überwachen sollen.“
Zugleich aber wachse auch der Personalbestand. „Der Stellenplan 2024 sah etwa Zuwächse für den Bildungsentwicklungsplan/Schulbau in Folge einer gewachsenen Zahl an Schülerinnen und Schüler vor oder zusätzliche Rettungsdienstkräfte, da die Einsatzzahlen in den letzten Jahren immer weiter angestiegen sind“, nennt die Personaldezernentin weitere Beispiele.
Stadt Mülheim verliert durch demografischen Wandel rund 35 Prozent aller Beschäftigten
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Doch aufgrund des demografischen Wandels werden in den kommenden Jahren rund 35 Prozent der Beschäftigten aus der Verwaltung ausscheiden. Franke schildert dazu: „Der notwendige Personalaufwuchs fällt in ein schwieriges Marktumfeld: Die Altersfluktuation - die Baby-Boomer-Generation scheidet aus - muss ausgeglichen werden und die überall anfallenden zusätzlichen Aufgaben müssen besetzt werden. Dabei geht es allen Städten gleich.“
Die Städte stünden bei der Personalsuche in Konkurrenz zueinander. „Daher ist es gerade besonders wichtig, die Arbeitszufriedenheit in der Belegschaft zu fördern und möglichen Einstiegskandidaten attraktive Angebote zu unterbreiten. Dazu gehört auch, sich in die Belegschaft und nach außen zu positionieren, wofür man als Arbeitgeber steht“, ist die Dezernentin sicher. Dirk Neubner, der als Personalrat der Stadt in den Findungsprozess für Maßnahmen zur Personalgewinnung eingebunden ist, führt das weiter aus: „Wir wollen eine Arbeitgebermarke nach innen und nach außen etablieren.“ Unerlässlich sei dazu eine Wettbewerbsanalyse darüber, was die umliegenden Städte böten. „Das fordern wir als Personalrat ein“, betont Neubner.
Nach Unmut in der Belegschaft: Identität mit dem Mülheimer Rathaus festigen
Ziel sei, die Identität mit dem Rathaus zu festigen und damit diejenigen an Mülheims Verwaltung zu binden, die dort bereits beschäftigt sind, betont Personalrat Neubner, denn: „Sie sind sehr gut ausgebildet, hoch qualifiziert und engagiert. Und sie haben vieles geschultert in den letzten Jahren.“ Das müsse gesehen und wertgeschätzt werden, so der Personalrat. Ein klares Bekenntnis zu einem Werteversprechen für die Belegschaft sei unumstößlich.
Um zu erfahren, was der Belegschaft wichtig ist, seien die Fachbereiche befragt worden, erläuterte Personalrat Neubner „Die Antworten sind in die Konzeption des Maßnahmenkatalogs eingeflossen.“ Ein Beispiel aus den Anregungen der Mitarbeitenden sei etwa die zeitgemäße Ausstattung der Büros. „Ergonomische Möbel und ein frischer Anstrich werden gewünscht“, so Neubner.
Goodies wie Jobrad und Tablets für Azubis sollen Mülheims Verwaltung attraktiver machen
Zudem zählten etwa auch vergünstigte Nahverkehrstickets (Jobticket), Fahrradleasing (Jobrad), Tablets für die Auszubildenden und Studierenden sowie ein On- und Off-Boardingprozess, also ein geregeltes Vorgehen bei der Einstellung und Einarbeitung von Mitarbeitern, ebenso wie beim Ausscheiden aus der Stadtverwaltung, dazu. „Daraus können wir nur lernen, wenn jemand, der uns verlässt, seine Gründe benennt“, so Neubner. Daneben sei die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten - im Verwaltungsdeutsch Telearbeit genannt - ein entscheidender Aspekt, um die Stadtverwaltung als attraktive Arbeitgeberin dastehen zu lassen. Letzteres sei bereits in der Umsetzung.
Als entscheidendes Kriterium dafür, dass sich Bewerber für die Mülheimer Stadtveraltung als Arbeitgeberin entscheiden, nennt Neubner auch die Wahlmöglichkeit zwischen Verbeamtung oder Angestelltendasein und spricht von einem enormen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Kommunen: „Damit haben wir ein Alleinstellungsmerkmal unter den Stadtverwaltungen.“ Bereits der aktuell gestartete Ausbildungsjahrgang werde wählen können: „Wer 2024 beginnt, dem können wir am Ende seiner Ausbildung anbieten zu entscheiden, ob er Beamter oder Angestellter sein möchte.“
Quereinsteiger sollen Lücken in Mülheims Verwaltung stopfen
Eine weitere Neuerung, um Personallücken zu schließen, ist laut Anja Franke ein Quereinsteiger-Modell. Dabei stellt die Stadt Personen ein, die bereits Erfahrungen in anderen, ähnlichen Berufen gesammelt haben und „die sich einen Wechsel in die öffentliche Verwaltung, insbesondere ihrer Heimatstadt, vorstellen können“.
Als Pilotprojekt sei diese Maßnahme bereits vor der Klammer des Maßnahmenkataloges gestartet - mit fünf solcher Quereinsteiger. „Wir sammeln nun gemeinsam Erfahrungen“, so die Dezernentin, denn: „Die Verwaltung kann selber viel von anderen Arbeitsweisen lernen, die Quereinsteiger mitbringen - insbesondere bei der Digitalisierung und Verwaltungsmodernisierung.“ Denn der Digitalisierung und der Prozessoptimierung innerhalb der Verwaltung komme wachsende Bedeutung zu, „um das Verwaltungshandeln wirtschaftlicher zu gestalten“, betont Franke.
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