Mülheim. Nach dem Alarmruf des Personalrates Ende 2022 bleibt die Personalnot in Mülheims Rathaus Thema. Jetzt bezog die neue Dezernentin Stellung.
Immer wieder sind Mülheimer Stadtämter in der jüngeren Vergangenheit wegen Personalnotstands in die Knie gegangen. Bürgerservice musste eingeschränkt werden, lange Schlangen bildeten sich vor dem Ausländeramt, der Politik wurde mehrfach signalisiert, dass dieser oder jener Auftrag nicht zeitnah zu erledigen sei. . . Jetzt äußerte sich Personaldezernentin Anja Franke auf Initiative der SPD zur Lage im Rathaus.
Dabei ist Franke, seit Jahresbeginn im Amt, redlich bemüht, das Bild nicht so dramatisch zu zeichnen wie es der Personalratsvorsitzende Dirk Neubner Ende des Vorjahres vor der versammelten Verwaltungsmannschaft getan hatte. Neubner hatte seinerzeit eine ausgewachsene Personalkrise beschrieben: Die Personaldecke sei zu dünn, die Arbeitsbelastung sehr hoch. Im Jahr 2021 seien 470 Stellen und damit jede fünfte unbesetzt geblieben. Zudem würden in naher Zukunft 35 Prozent der Beschäftigten die Verwaltung altersbedingt verlassen. Die Stadt habe derweil „ein ausgewachsenes Problem, geeignetes und qualifiziertes Personal zu finden“, stellte Neubner bei jener Personalversammlung fest.
Mülheims Personaldezernentin sieht keine Dramatik, wie vom Personalrat ausgemacht
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Dezernentin Franke war nun bemüht, den Spagat hinzulegen zwischen Alarmstimmung und Anerkennung einer mitunter schwierigen Situation in zahlreichen Ämtern. Dass 20 Prozent der Stellen unbesetzt seien, wie es Neubner als Horrorszenario skizziert hatte, sei so nicht repräsentativ, sagte Franke zuletzt im Hauptausschuss des Stadtrates. Aktuell (im Mai) betrage mit Bezug auf den beschlossenen Stellenplan die sogenannte Vakanzquote für nicht besetzte Stellen 6,9 Prozent – dass sei angesichts der Fluktuation und mit Blick auf andere Stadtverwaltungen „ein durchaus üblicher Wert“.
Der SPD-Aufforderung, scharfzustellen auf die Situation in einzelnen Ämtern, kam Franke (noch) nicht nach. Sie vertröstete dafür auf Mitte September, dann werde sie das zweite Halbjahr 2022 und die ersten Monate dieses Jahres bilanzieren.
Stadtverwaltung Mülheim: Zahl der Überlastungsanzeigen steigt
So lässt sich vorerst die Not einzelner Ämter nicht an Zahlen festmachen. Gleichwohl stellte Franke fest, dass „im Durchschnitt alle Verwaltungsbereiche von einer gewissen Belastung betroffen“ seien – nicht nur wegen unbesetzter Stellen, sondern auch wegen zusätzlicher Aufgaben und dem lange andauernden „strategischen Personalabbau“ samt einjähriger Wiederbesetzungssperre für zahlreiche Stellen der überschuldeten Stadt. Der „Arbeitsdruck“ in verschiedenen Ämtern sei auch deshalb so hoch, weil die Digitalisierung noch nachzuziehen sei, um für Entlastung zu sorgen. Es gelte darüber hinaus, die Arbeitsabläufe weiter zu optimieren.
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„Die Überlastungsanzeigen nehmen zu“, sagt Franke mit Blick darauf, dass Mitarbeiter mitunter gar zum letzten Mittel greifen und anzeigen, dass sie ihre Aufgabe nicht mehr verantwortbar stemmen können. Sechs solcher Anzeigen registriert Franke für 2022, vier weitere sind es schon in diesem Jahr. „Keine Drama-Zahl“, sagt Franke, aber jeder Einzelfall sei ernstzunehmen, „eine Überlastungsanzeige schreibt man ja nicht so einfach hin“. Man schaue sich jeden Fall genau an, prüfe, wie man Abhilfe schaffen könne, etwa durch Verstärkung mit Mitarbeitenden aus dem städtischen Personalpool (rund 300 Personen stark). Es seien immer mal wieder Prioritäten zu setzen, um den Dienstbetrieb aufrecht zu halten, so die Dezernentin.
Situation in Mülheims Bürgeramt weiter „schrecklich“?
Etwa im Bürgeramt sei aber schon viel passiert, entgegnete Franke im Ausschuss auf die Kritik von MBI-Fraktionssprecher Lothar Reinhard, die Situation dort sei mit Blick auf fehlendes Personal weiterhin „schrecklich“. Trotz der Führerschein-Umstellung sei es gelungen, alle Anliegen der Bürgerinnen und Bürger zu erledigen, ebenso die zahlreichen Anträge auf Verlängerung von Reisepässen, die es nach der Corona-Pandemie gegeben habe. Die Wartezeiten bei der Buchung von Online-Terminen habe sich verringert, man habe einige Stellen neu besetzen können, die Fahrzeugzulassung ins digitale Zeitalter gehievt. Gleichwohl bestätigte Franke fortlaufenden Handlungsbedarf, bestätigte etwa Reinhards Forderung, mangels Fachkräften für das Bürgeramt auch auf Quereinsteiger setzen zu wollen, die dann allerdings durch vorhandenes Personal „on the job“ erst noch zu schulen seien.
Schnell auf einen Notstand reagiert hat die Verwaltung laut Franke auch beim betriebsärztlichen Dienst des Gesundheitsamtes, der bei rund 1000 Untersuchungen im Jahr für Gesundheitsprävention in der Belegschaft sorgt, Impfungen anbietet oder nötige Untersuchungen für Mitglieder der Tauchstaffel oder der Berufsfeuerwehr vornimmt. Mangels eigenem Personal habe man die Aufgaben „zügig outgesourct, damit nichts anbrennt“, so Franke.
Arbeitsgruppe mit Personalrat sucht nach neuen Wegen für die Stadt Mülheim
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Angesicht der Belastungen in vielen Ämtern bestehe aus ihrer Sicht zwar nicht das Risiko, dass die Verwaltung Pflichtaufgaben wie etwa der Verkehrssicherung, die die SPD explizit angesprochen hatte, nicht oder nicht rechtzeitig nachkomme, so Franke. Allerdings ist es wohl ein Indiz, dass die Dezernentin um die große Not in einigen Bereiche weiß, dass sie mehrfach darauf Wert legt, ihre „Hochachtung vor der Motivation und der Einsatzbereitschaft der Kolleginnen und Kollegen“ zu betonen, die das Verwaltungsgeschäft unter aktuellen Bedingungen stemmen.
Im Hauptausschuss machte Franke deutlich, dass die Stadt im Werben um knappe Fachkräfte für die Verwaltung vor einigen Herausforderungen steht. Nach dem Paukenschlag bei der Personalversammlung Ende 2022 sei mit dem Personalrat eine Arbeitsgruppe gebildet worden, die hier nach Lösungen suche. So wolle man etwa mit der Düsseldorfer Aufsicht ins Gespräch kommen, ob wieder mehr Verbeamtungen möglich werden können, bei der Eingruppierung der Tarifbeschäftigten gehe man jetzt schon ans Limit. Neue Wege wolle man auch im Wissensmanagement beschreiten. Vermehrt sei Weiterbildung „on the job“ nötig, weil die gängige Allround-Ausbildung „weniger hilft“. Erste Maßnahmen, die in der Arbeitsgruppe diskutiert werden, sollen noch in diesem Jahr greifen.
Aber Franke macht der Belegschaft keine Hoffnung auf schnelle Linderung: „Der Arbeitsdruck wird noch eine Weile weiter da sein.“
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