Neukirchen-Vluyn/Moers. Dass Ende August der dritte CSD in Neukirchen-Vluyn startet, hat für viele Hass in sozialen Netzwerken gesorgt. Die Kommentare sind erschreckend.
- Am 31. August startet in Neukirchen-Vluyn der dritte Christopher-Street-Day (CSD).
- Die Ankündigung der Demonstration hat für viele Hasskommentare im Netz gesorgt.
- Organisator und Grünen-Sprecher Christian Pelikan ist schockiert über die Menge an negativen Reaktionen.
Die Ankündigung, dass Ende August der dritte Christopher-Street-Day (CSD) in Neukirchen-Vluyn startet, hat für viele wütende Reaktionen im Netz gesorgt. Unter dem Bericht dieser Redaktion, der auf dem sozialen Netzwerk Facebook geteilt wurde, häufen sich ablehnende bis hin zu Hasskommentare. „Langsam nervt es“ und „Die gehen mir so auf den Geist“ sind vergleichsweise harmlose Leserreaktionen. So schreibt etwa ein Herr: „Haltet eure Freak-Show in der Kanalisation ab. Das ist der richtige Platz dafür“. Direkt darunter kommentiert ein weiterer Mann: „Extra aufs Land gezogen, um diesem degenerierten Schwachsinn zu entgehen. Zeit für einen Regierungswechsel, damit der Mist endlich aufhört“. Und ein dritter Nutzer schreibt kurz und knapp: „Was für ein kaputter Haufen“.
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Es sind nur einige Beispiele von vielen. Der Bericht, der am Montagabend online ging, informiert über die dritte Demonstration für Toleranz, Vielfalt und Liebe in Neukirchen-Vluyn, die von der Partei Bündnis 90/Die Grünen und Kulturprojekte Niederrhein e.V. organisiert wird. Parade und Party steigen am Samstag, 31. August.
CSD in Neukirchen-Vluyn: Auch in den vergangenen Jahren gab es Hasskommentare
Christian Pelikan, Mitorganisator des Christopher-Street-Days und Sprecher der Grünen in Neukirchen-Vluyn, zeigt sich beunruhigt über die vielen Hassreaktionen. „Ich bin nicht wirklich überrascht, auf der anderen Seite aber weiterhin schockiert“, sagt er im Gespräch mit der Redaktion. Schon in den vergangenen Jahren hätte es diverse Hasskommentare zum CSD gegeben, insbesondere auf der „toxischen Plattform“ Facebook, wie Pelikan berichtet. „Der Diskurs verschiebt sich immer weiter Richtung rechts und Hass.“
Gefühlt sei der Hass gegen queere Menschen, also Menschen, deren geschlechtliche Identität oder sexuelle Orientierung nicht der zweigeschlechtlichen, cis-geschlechtlichen und/oder heterosexuellen Norm entspricht, schlimmer geworden. Nach dem ersten CSD in Neukirchen-Vluyn erhielt Pelikan eine Hassmail, die er zur Anzeige brachte.
In der Mail, die dieser Redaktion vorliegt, fallen unter anderem Sätze wie „Haben Sie auch noch andere Probleme, als Ihren schwulen Verein zu organisieren?“ und „Was Sie hier vorhaben, ist der Untergang Deutschlands“. Auch Beleidigungen wie „Grüne Tunten“ sind zu lesen. Die Anzeige führte zu einer Verhandlung, ein Urteil blieb aufgrund eines Formfehlers jedoch aus, erläutert der Grünen-Sprecher.
Hass gegen queere Menschen: Auch beim CSD in Moers gab es Kommentare
Auch die aktuellen Kommentare zum Vorbericht möchte Pelikan prüfen und gegebenenfalls zur Anzeige bringen. „Hass hat in Neukirchen-Vluyn keinen Platz. Es geht hier um Minderheitenschutz. Jeder sollte leben und lieben, wie er möchte, das gestatten wir den Kommentatoren ja auch.“ Der CSD-Organisator betont: Bei den Kommentatoren handele es sich um eine laute Minderheit. „Die Mehrheit hat gezeigt, dass Neukirchen-Vluyn zu demokratischen Werten steht.“ Dies habe etwa die Demonstration gegen Rechtsextremismus Ende Januar gezeigt. „Zu diesen Werten gehört auch der Schutz queerer Menschen dazu.“
Hasskommentare waren bereits beim Christopher-Street-Day in Moers präsent, die Demonstration hier startete Mitte Juli. Man muss sich nur mal vor Augen führen, wie viele Hass-Einträge unter der Ankündigung des CSD auf der Facebook-Seite zu finden waren. Zum Beispiel, Moers brauche solche Leute nicht. „Dann kennt man die Meinung vieler Menschen“, hatte Projektleiterin Tina Berg damals im Gespräch mit der Redaktion verdeutlicht. Auch Teilnehmende beim Moerser CSD berichteten von verbalen Attacken im Alltag, vermissten vor allem von der älteren Generation Toleranz und Respekt.
Pride-Parade in Neukirchen-Vluyn: Menschen wollten „aufräumen“
Besonders für Menschen, die ihre eigene Sexualität noch entdecken, seien Reaktionen wie die unter dem aktuellen Beitrag zum CSD in Neukirchen-Vluyn ein „Schlag ins Gesicht“, sagt Christian Pelikan. Im vergangenen Jahr, so berichtet er weiter, hätten Menschen angekündigt, zur CSD-Demo zu kommen, um dort „aufzuräumen“. „Die waren zwar nicht da, dafür aber Männer, die am Rand standen und die Teilnehmenden beleidigt haben. Das geht gar nicht.“
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Reaktionen wie diese würden Menschen einschüchtern, Pelikan befürchtet, dass der verbale Hass irgendwann in Gewalttaten enden könnte. Er erinnert an den Vorfall beim CSD 2022 in Münster, bei dem ein Transmann Opfer einer tödlichen Prügelattacke wurde. „Wenn Leute hier jetzt schreiben, ihr gehört in die Kanalisation, dann kann das auch dazu führen, dass die handgreiflich werden. Das ist unterste Schublade.“ Er betont: „Es geht hier um Menschen und die Menschenwürde, und die ist unantastbar.“
Nicht im Grundgesetz verankert
Christian Pelikan erinnert daran, dass der Schutz queerer Menschen nach wie vor nicht im dritten Artikel des Grundgesetzes verankert ist. Dort heißt es: „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“
„Die queere Gruppe ist die letzte Gruppe der von den Nationalsozialisten verfolgten Menschen, die noch nicht vorkommt“, betont Pelikan.