Kamp-Lintfort. XXL-Urlaub in Kanada mit kleinen Kindern. Ein Lehrer aus Kamp-Lintfort hat es gewagt. Über Begegnungen mit Bären - und was wirklich genervt hat.
Raus! Der Mann muss raus! Ein Interview im miefigen Klassenzimmer? Bloß nicht. Lieber die letzten Sonnenstrahlen im schuleigenen Gärtchen genießen. Und klar, Stefan Walter, der am Georg-Forster-Gymnasium unterrichtet, fängt in seinem Pullöverchen auch nicht an zu frieren, als seine Gesprächspartnerin mit Schal und zwei Jacken langsam fröstelt. So muss man wohl unter anderem gestrickt sein, wenn man vier Monate Zelturlaub mit der Familie in Kanada, Mexiko und Guatemala plant.
Was die fünfköpfige Familie Walter in der weiten Welt erlebt hat, das hat der Pädagoge für Sport und Englisch in einem Buch festgehalten. „Ich möchte die Menschen inspirieren, ermutigen und meine Erfahrungen weitergeben, aber auch Ängste nehmen“, erklärt der Herr Lehrer - ganz ohne erhobenen Zeigefinger.
Beim Stichwort Kanada kommen einem ja sofort mögliche, unliebsame Bärenbegegnungen in den Sinn. „Ja, da gab es einige“, sagt Walter ganz entspannt. Einen Bär habe die Familie aus dem sicheren Auto heraus gesehen. Per Lichthupe hätten die Einheimischen gewarnt. Der Verkehr habe sich aufgestaut und der Bär habe in aller Seelenruhe die große Straße überquert. „In Kanada gibt es viele Schwarzbären. Die sind nicht so gefährlich, wenn man nicht gerade sein Essen ins Zelt stellt und sich daneben setzt. Zum Grizzly würde ich auch nicht gehen.“ Jedenfalls sei nach diesem Urlaub bei seinen Töchtern das „Wieviele-Bären-hast du-schon-gesehen?“ ein Kriterium dafür geworden, ob der fremde Gesprächspartner wohl interessant sein könnte.
Überhaupt habe die große Reise einiges bei seinen Kindern verändert, berichtet der Vater der damals 3-, 5- und 7-Jährigen. „Sie sind selbstsicherer geworden, sie können sehr wohl für eine längere Zeit auf das gewohnte Umfeld verzichten, sie können besser Kontakte knüpfen und sind unbefangener und mutiger“, glaubt der drahtige 41-Jährige beobachtet zu haben. Im Übrigen: „Über Oma und Opa, Freunde, ihre Zimmer oder über ihr Spielzeug haben sie erst wieder auf dem Rückflug gesprochen.“ Na also, geht doch. Auch ohne Vergnügungspark und große Attraktionen. Das würde auch nicht zum Low-Budget-Urlaub und der grundsätzlichen Einstellung der Familie passen, findet Walter. Gummibärchen oder mal eine Pizza sind dann Belohnung genug.
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Dafür nehmen die Kleinen aber Erfahrungen mit, die nicht jeder machen darf. Wer weiß schon, dass Lamas bellen, wenn sie vor Bären warnen. Welches Kind hat schon Rochen und Haie gestreichelt? Oder ist wagemutig einen Gletscher hinaufgestiefelt? Oder ist morgens vom Zelt aus direkt im See schwimmen gewesen? Ja, aber gab es denn kein Gemecker, wenn es hieß, heute machen wir eine Wanderung? Oha, warnt der Pädagoge. „Von einer Wanderung zu sprechen, ist keine gute Idee, eher von Ausflug. Und am Ende muss schon eine Belohnung winken. Und, ganz wichtig: nach Möglichkeit keine Wege wählen, die schnurgerade sind. Lieber verwunschene, geschlängelte Pfade.“
Reisen bildet
„Wahnsinnig! Glücklich!“ ist das zweite Buch des Lehrers Stefan Walter (192 Seiten - voll bebildert, 360° medien Verlag, ISBN 3947944152, 16,95 Euro). „Freiheit leben - Was ich von der Welt gelernt habe“ war das erste, indem er von diversen Trips, auch als junger Mensch, erzählt. Ein drittes wird es womöglich bald geben. Denn als nächstes, schon in diesem Winter, möchte der dreifache Vater nach „Malaysia oder Thailand, das steht noch nicht ganz fest“. Die beiden ersten Bücher zeichnen sich dadurch aus, dass sie keine Reisetagebücher im klassischen Sinne sind. Sondern sie erzählen Episoden, mal heiter, mal nachdenklich, aber immer mit viel Herz. Die vielen Fotos steuert der leidenschaftliche Weltenbummler selbst bei. Wer mehr wissen will: https://www.backpacken.de/
Scheint geklappt zu haben bei dem jüngsten Urlaub. Denn das, was die Familie wirklich wie im Titel „wahnsinnig“ gemacht hat, erzählt Walter, sei ein Campingplatz mit Mückenplage gewesen. So schlimm, dass nur noch die ungeordnete Flucht ins Zelt half: „Ohne Abendessen, ohne Zähneputzen.“ Die einzigen drei Regentage dagegen waren problemlos überstanden. „Einen haben wir an einer heißen Quelle verbracht, die Füße im warmen Wasser, das kalte Wasser von oben war da gar nicht schlimm. Den nächsten Tag haben wir stundenlang in einer Show-Bäckerei verbracht“, erinnert der Vater und schmunzelt ein wenig darüber, wie klein die Freuden manchmal sein können. Und am dritten Tag gab es mal nix vom Camping-Gaskocher, sondern eine Pizza im Lokal.
Eine weitere Hürde, die gerade Eltern vor einer solchen Reise zurückschrecken lässt, ist die Schulbefreiung der schulpflichtigen Tochter. Da hat der Lehrer eine erstaunliche Erkenntnis: „Kein Problem. Das kann man schon überbrücken.“ Die Reise hat Sommer- und Herbstferien mitgenommen, die zehn Wochen dazwischen haben die Eltern mit ihrem Kind Hausaufgaben gemacht. Und viel gelesen. Die Klassenlehrerin habe ihrem Schützling bestätigt, dass keine erkennbaren Lücken entstanden seien, sagt Walter, wohl wissend, dass es vielleicht nicht mit jedem Kind so einfach ist.
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Auch für ihn selbst sei die Auszeit nicht so schwierig gewesen. Da gibt es Elternzeit, die man nutzen kann. Vertretungen, die einsatzbereit sind. Und einen entspannten Schulleiter Alexander Winzen, der entgegenkommend ist. „Das rechne ich ihm hoch an.“ Dabei ist Stefan Walter sich darüber im Klaren, dass er sich in einer privilegierten Situation befindet. Die seiner Unrast entgegenkommt. Sechs Wochen Sommerferien zu Hause? „Nee, bitte nicht“, kommt es sofort zurück. Was die Kosten angeht, sagt Walter, dass es natürlich für jemanden wie ihn leichter ist, etwas anzusparen. Aber die Walters bieten auf solchen Reisen ebenso immer mal ihre Arbeitskraft an, um das Budget aufzustocken.
Auch wenn Reisen mitunter anstrengend sein kann - fragen Sie mal Frau Walter, was sie von vier Monaten ohne richtiges Bett hält - unterm Strich ist es entspannter als der Alltag, rechnet der Lehrer vor. „Keine Termine, keine Verpflichtungen. Kein Flötenunterricht, kein Sportverein. Und wenn ein Kind krank wird, bricht nicht das ganze Kartenhaus zusammen“, sagt der Vater im Doppelverdienerhaushalt. In den gesamten vier Monaten habe es genau einen Krankheitstag gegeben. „Wenn ich überlege, wie das mit Kita- und Schulbesuch hier gewesen wäre..“