Moers. Jedes Jahr landen Haustiere unterm Weihnachtsbaum. Das Tierheim Moers warnt: Tiere sind keine Ware. Hund „Snooker“ ist ein trauriges Beispiel.
Der graubraune Mischling hasst Regen. Sein zarter Körper zittert, seine Ohren flachen langsam ab. Auf dem feuchten Steinboden gefällt es ihm gar nicht. Der Chihuahua-Terrier-Mix will viel lieber nach drinnen vor die Heizung und schlummern, wie es sich für einen neunjährigen Senior gehört. Dass der Hund namens Snooker dieses Privileg hat, ist aber eine reine Glückssache.
Snooker war ein ungewolltes Weihnachtsgeschenk. Vor neun Jahren wurde er aus einer Welpenstube geholt – keine sieben Wochen alt und mit knapp 800 Gramm auf der Waage viel zu früh. Eigentlich dürfen kleine Hunderassen erst ab der neunten Woche von der Mutter getrennt werden. Das war den Verantwortlichen und dem Mann, der seiner Freundin ein Tier zu Weihnachten schenken wollte, offenbar egal. Der Freundin war das neue Hündchen auch egal.
Tierheim Moers: Tiere sind keine Geschenke
„Tiere sind keine Ware, keine Geschenke. Egal was für ein Tier und egal zu welcher Zeit“, sagt Kathrin Novotny, die im Tierheim Moers für die sozialen Kanäle zuständig ist, mit Nachdruck. Ihre Kollegin Nicola Kreuzmann ergänzt: „Aus seriösen Quellen bekommt man kein Tier, wenn es ein Geschenk werden soll.“ Kreuzmann ist die Leiterin des Tierheims – und heute Halterin von Snooker.
Auch die Pressereferentin des Deutschen Tierschutzbundes, Kerstin van Kan, bestätigt in einer Mitteilung: „Ein Tier ist ein Lebewesen – kein Spielzeug oder Pullover, der wieder umgetauscht werden kann.“ Und genau deshalb seien vor allem Überraschungsgeschenke ein absolutes No-Go. Wie im Fall von Snooker.
Weihnachtsgeschenk zurückgeben: Absurde Gründe bei Tieren
27. Dezember 2015, es ist Notdienst im Tierheim Moers – und die letzte Zuflucht für Snooker. Schnell wird klar, dass die Freundin ihr Weihnachtsgeschenk unter keinen Umständen haben will. Oft wird der wahre Grund für die Abgabe eines Tieres jedoch verschwiegen. So fühlen sich Halterin und Halter wohl besser.
„Tiere sind keine Ware, keine Geschenke. Egal was für ein Tier und egal zu welcher Zeit.“
Sowohl der Tierschutzbund als auch das Tierheim Moers berichten von vorgeschobenen Allergien. „Damit die Halter wohl auf Verständnis stoßen und keine Vorwürfe bekommen. Sich also einer Kritik erst gar nicht aussetzen müssen“, so Novotny.
Snooker war viel zu jung, als er abgegeben wurde. Und zu klein für den Zwinger. So musste Nicola Kreuzmann den Welpen drei Monate lang bei sich zu Hause großziehen und merkte schnell, dass er – wie viele Hunde aus Welpenkaufhäusern – krank war. Zudem auch sozial auffällig. Denn neben schlechtem, regnerischem Wetter hasst er auch Welpen. Die gehen dem Chihuahua-Terrier-Mix schon auf die Palme, wenn sie nur im Fernsehen zu sehen sind.
Heute ist Snooker glücklicherweise gesund. Seine sozialen Schwierigkeiten sind aber geblieben, zwar nicht so stark wie anfangs, doch die unbekannten traumatischen Erlebnisse seiner ersten Lebenswochen werden nie heilen. Mit den Folgen unseriöser Zucht müssen Beschenkte und Tier 15 Jahre lang leben.
Gründe für eine Abgabe ins Tierheim
Neben Allergien werden als Hauptgründe fehlende Zeit, Überforderung, Beißvorfälle und gestiegene Tierarztkosten genannt. Das geht aus einer Trendumfrage aus 2024 unter Tierheimen, die dem Deutschen Tierschutzbund angeschlossen sind, hervor.
Aber auch spontane Urlaubspläne, veränderte Lebenssituationen oder unerwarteter Zeitaufwand sind Gründe, die mit einer unüberlegten und undurchdachten Anschaffung von Tieren einhergehen.
Abgabe nach Weihnachten: Wie viele Tiere landen im Moerser Tierheim?
Wöchentlich erhält das Tierheim Moers mehr als zehn Anfragen zur Abgabe von Tieren. Allein bis Dienstagnachmittag seien schon fünf Anfragen für Hundeabgaben eingegangen. Dabei verfügt das Tierheim am Peschkenhof 34 nur über zwölf Zwinger.
Nach den Weihnachtsfeiertagen kämen aber nicht mehr Anfragen als im Rest des Jahres. Denn: Abgabewellen setzen eher im Laufe des Jahres ein, wenn der anfangs putzige Welpe plötzlich lästig wird. Ob es sich dann um ursprüngliche Weihnachtsgeschenke handelt, ist schwierig zu erfassen, wie van Kan vom Tierschutzbund mitteilt.
„Der unüberlegte Kauf und die anschließende Abgabe im Tierheim ist vielmehr ein durchgängiges Problem – das ganze Jahr über“, so Novotny, die das Problem nicht in der Weihnachtszeit und nicht unter dem Tannenbaum sieht. Sondern 365 Tage im Jahr.
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Vermittlungsstopp über Weihnachten? Tierheim Moers positioniert sich
„Den Leuten, die ein Tier verschenken, ist es völlig egal, was das „Geschenk“ dazu sagt.“ Langzeitüberlegungen fehlen, nur der Überraschungseffekt zähle. Wer ein Tier verschenken möchte und das dem Tierheim Moers so mitteilt, bekomme keines. Denn die Tiere müssen den oder die künftige Halterin vorher kennenlernen. Und umgekehrt auch. Was, wenn die Chemie nicht stimmt?
„Man muss kein Tier besitzen, um ein Tierfreund zu sein.“
Über die Weihnachtsfeiertage verhängen einige Tierheime deshalb einen Vermittlungsstopp. Das Tierheim Moers tut dies aber nicht, denn die Kriterien für eine Vermittlung seien nicht saisonabhängig. Wichtig ist Novotny und Kreuzmann, dass sich Menschen für ein Individuum und nicht für eine Tierart bewerben. „Ein Nein auf eine Vermittlungsanfrage heißt nicht, dass sie keinen Hund bekommen, sondern zum Beispiel nicht zu unserer Martha passen.“ Das Tierheim Moers warte auf das Perfect Match. Kein Tier müsse hier weg.
Ein Tier zu Weihnachten: Tierheim Moers gibt Alternativen
Wer noch immer ein Tier zu Weihnachten oder anderen Anlässen verschenken möchte, dem raten Kreuzmann und Novotny zu überlegen, wie Tieren in Not geholfen werden kann. Tierpatenschaften, Sachspenden, Gutscheine – „Man muss kein Tier besitzen, um ein Tierfreund zu sein.“
Im Fressnapf, Hornbach, Raiffeisen-Markt und in kleineren Geschäften rund um Moers stehen sogenannte Wunschbäume. Hier können Tierfreunde einen Wunsch des Tierheims aussuchen und erfüllen. „Davon zehren wir das ganze Jahr“, bestätigt Kreuzmann. Am Ende brauche das Tierheim aber immer Geld. So seien sie am flexibelsten und können auch Tierarztkosten decken.
Und wenn sich das Kind schon seit Jahren einen neuen besten Freund wünscht, dann raten Kreuzmann und Novotny, den Vermittlungsweg gemeinsam zu gehen. Mehrmals das Tierheim besuchen, zusammen recherchieren und die langjährige Verantwortung begreifen. „Ich frage die Kinder dann, ob sie auch das Katzenklo sauber machen. Und lasse sie zum Spaß den Vertrag mit unterzeichnen“, sagt Nicola Kreuzmann mit einem Lächeln.
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