Kreis Kleve. Die Polizei reagiert mit 10-Punkte-Plan auf den Anstieg von Messervorfällen im Kreis Kleve. Diese Menschen erhalten eine Ansprache.

Das war ein heißer August: Ein 15-Jähriger läuft mit einer täuschend echt aussehenden Softair-Pistole durch die Klever Innenstadt, am Drogencontainer gab es drei Vorfälle mit einem Messer, auf dem Hochschulgelände gab es zwei Auseinandersetzungen mit einem Messer, im Prinz-Moritz-Park lag eine Pistole auf der Parkbank und in Kalkar und Kleve werden jeweils schwere Straftaten angekündigt. Dazu kommt noch die Bedrohung eines 11-Jährigen mit einem Messer auf einem Soccerfeld. Was ist denn nur los im Kreis Kleve? Die NRZ bat die Kreispolizeibehörde um ein Gespräch.

Zunahme der Messergewalt

Uwe Lottmann, Abteilungsleiter der Kreispolizeibehörde Kleve, Thorsten Schröder, Leiter der Direktion Kriminalität, und Tim Probst, Leiter der Direktion Gefahrenabwehr, haben die Taten der vergangenen Wochen genau im Blick. Auf die Frage, ob es normal werde, mit einem Messer in der Tasche aus dem Haus zu gehen, antwortete Uwe Lottmann, dass man dies nicht so einfach beantworten könne. Manche würden ein Messer als Gebrauchsgegenstand mitnehmen, andere aus dem Irrglauben heraus, sich damit schützen zu können. „Ich kann nur davon abraten, ein Messer mitzunehmen, denn aus der vermeintlichen Verteidigungswaffe kann eine Angriffswaffe werden“. Und aus einer einfachen Auseinandersetzung wird so schnell eine Messerstecherei.

Sie setzen jetzt einen 10-Punkte-Plan gegen Messergewalt um: Thorsten Schröder, Leiter der Direktion Kriminalität, Uwe Lottmann, leitender Polizeidirektor in Kleve, und Tim Probst, Leiter der Direktion Gefahrenabwehr. 
Sie setzen jetzt einen 10-Punkte-Plan gegen Messergewalt um: Thorsten Schröder, Leiter der Direktion Kriminalität, Uwe Lottmann, leitender Polizeidirektor in Kleve, und Tim Probst, Leiter der Direktion Gefahrenabwehr.  © NRZ | Andreas Gebbink

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Grundsätzlich kann die Kreispolizei Kleve in den letzten vier Jahren eine Zunahme der Messergewalt feststellen. Von 2020 auf 2023 seien die Delikte deutlich angestiegen, so Thorsten Schröder. Gab es im Jahr 2020 insgesamt 72 Delikte, bei denen ein Messer eingesetzt oder mit einem Messer gedroht wurde, waren es 2021 bereits 120, 2022 sogar 166. Im Jahr 2023 sanken die Delikte wieder leicht auf 149. Bis Ende Juli 2024 weist die Polizeistatistik für den Kreis Kleve 73 Delikte aus..

Fast 50 Prozent der Tatverdächtigen sind unter 21

Ein Muster, wo Messer eingesetzt werden, lässt sich aus der Statistik nicht ablesen. In größeren Städten sei Messergewalt häufiger als in kleineren Gemeinden. Messer würden eher in den Abendstunden eingesetzt und die Täter agierten ortsgebunden. Allerdings gebe es im Kreis Kleve keine Hotspots, bei den bisherigen Taten habe sich gezeigt, dass die Beteiligten eine persönliche Beziehung zueinander hätten. Interessant sei, so Lottmann, dass nach einer Auswertung des Landeskriminalamtes NRW landesweit ein Großteil der Tatverdächtigen unter 21 Jahre alt sei (fast 50 Prozent). Zudem haben 45 Prozent der Tatverdächtigen keine deutsche Staatsangehörigkeit. Sie kommen vor allem aus Marokko, Syrien, Türkei, Irak, Afghanistan, Algerien, Rumänien, Polen und Serbien.

Der leitende Polizeidirektor Uwe Lottmann.
Der leitende Polizeidirektor Uwe Lottmann. © (...) | Polizei Kreis Kleve

Lottmann fragt sich, ob es gegebenenfalls einigen dieser Personen gar nicht bekannt ist, dass man in Deutschland kein Messer mit sich führen muss. In anderen Ländern scheine das eher üblich zu sein. In Deutschland brauche man kein Messer, um sicher zu sein.

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Polizei setzt 10-Punkte-Plan um

Die Kreispolizeibehörde Kleve wird einen neuen 10-Punkte-Plan zur Bekämpfung von Messergewalt umsetzen. So wurde aktuell bereits in einem Fall ein Messerverbot ausgesprochen und schriftlich verfügt. Der Betroffene darf kein Messer, keine gefährlichen Werkzeuge, Sportgeräte oder sonstige Gegenstände mehr mit sich führen. Auch Tierabwehrsprays sind nicht mehr erlaubt. Bei Zuwiderhandlung wird ein Zwangsgeld fällig. „Das ist ein probates Mittel, das wir jetzt verstärkt einsetzen werden“, so Lottmann.

Darüber hinaus werden die Bezirksbeamten nun die Zentralen Unterbringungseinrichtungen (ZUE) in Rees und Weeze sowie alle kommunalen Flüchtlingseinrichtungen aufsuchen, um die Kampagne „#besser ohne Messer“ vorzustellen. Mit Hilfe von mehrsprachigen Flyern soll deutlich gemacht werden, dass es besser ist, in der Öffentlichkeit kein Messer mit sich zu führen. Und dass manche Messer auch verboten sind. Diese gezielte Ansprache wird ein Schwerpunkt sein.

Ansprache auf der Wache

Eine weitere Maßnahme ist die verstärkte Kommunikation. Wer ein Messer benutzt, muss jetzt zwingend auf die Wache, um eine mündliche Gefährderansprache zu erhalten. Früher hätte man bei einfacheren Delikten einen Anhörungsbogen verschickt. „Jetzt wollen wir die Möglichkeit haben, kommunikativ einzugreifen“, sagt Tim Probst. Der Unterschied: Die Anonymität fällt weg, man muss sich von einem Polizeibeamten belehren lassen. „Wir werden auch personell stärker eingreifen, und zwar zeitnah“, sagt Thorsten Schröder. 

Die Einführung einer Videoüberwachung in der Klever Innenstadt ist aus Sicht der Kreispolizeibehörde wenig sinnvoll. Auch die Einrichtung einer Waffenverbotszone sei für Kleve wenig hilfreich, da sich die Kneipenszene auf wenige Gaststätten konzentriere. Kleve sei nicht Düsseldorf oder Duisburg, so Kriminalitätsexperte Thorsten Schröder.