Essen. Der 41-Jährige, der am Samstag in Essen Brände gelegt und Menschen bedroht hat, war bereits wegen Bedrohung angeklagt. Das erzählt sein Anwalt.
Die Motivlage völlig unklar, die Hintergründe der schweren Gewalttaten nebulös: Der 41-Jährige, der am Samstag im Essener Norden zwei Brände legte und mit einer Machete Menschen bedrohte, gab den Ermittlern zunächst Rätsel auf. Nun kristallisiert sich heraus, dass es sich um eine persönlich motivierte Tat handelte. Terroristische Motive gebe es nicht, betont sein Anwalt Volker Schröder. „Mein Mandant befindet sich in einem psychischen Ausnahmezustand.“ Er sieht bei seinem Mandanten Wahnvorstellungen.
Frau ist mit den Kindern ins Frauenhaus geflohen
Auch Landesinnenminister Herbert Reul hatte sich am Sonntagmittag in diese Richtung geäußert: „Das war alles das Werk eines Mannes, welcher möglicherweise die Trennung von seiner Ex-Frau nicht verkraftet hat. Die aktuellen Ermittlungen lassen den Verdacht zu, dass die Objekte mit der Trennung der Frau im näheren Zusammenhang stehen.“ Doch die heute 32-Jährige, die inzwischen neu liiert sei, habe ihren Mann offenbar keineswegs erst in jüngerer Vergangenheit verlassen, klärt Anwalt Schröder auf: „Er war es, der vor zwei Jahren die Trennung eingeleitet hat“, sagte Schröder am Montag gegenüber unserer Redaktion. Der Mann habe sich auch nach der Trennung liebevoll um die gemeinsamen Kinder gekümmert und bei der Einrichtung der neuen Wohnung geholfen haben. Das habe ihm die Familienrichterin so am Montag attestiert.
Im vergangenen Jahr sei die Frau mit ihren Kindern ins Frauenhaus geflohen, aber zu diesem Zeitpunkt sei sie von ihrem Ex-Mann längst getrennt gewesen. Schröder sagt, dass sein Mandant bisher nicht vorbestraft ist. Der Jurist geht derzeit davon aus, dass sein Mandant Wahnvorstellungen entwickelt habe, dass seine Ex-Frau bedroht werde und zur Prostitution gezwungen werden soll.
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Ein unbeschriebenes Blatt ist der Mann allerdings nicht: Im Stadtteil wird berichtet, dass der 41-Jährige zuletzt immer wieder mit einem Messer auf offener Straße unterwegs gewesen sei und andere Menschen bedroht habe. Sein Groll habe sich wohl vor allem gegen mögliche Freunde oder Unterstützer seiner Ex-Frau gerichtet. Ein Nachbar berichtet, dass er wegen der Vorfälle wiederholt die Polizei alarmiert habe. Es sei aber nichts gegen den Mann unternommen worden. Der Eindruck könnte jedoch täuschen: Wie Volker Schröder erklärt, war sein Mandant inzwischen wegen Bedrohung angeklagt, eine Hauptverhandlung bereits für Oktober terminiert. Der Anwalt wird zu diesem Fall am Montag Akteneinsicht beantragen, kennt also noch keine weiteren Details.
Tatverdächtigem droht eine langjährige Haftstrafe
Angesichts der jetzt im Raum stehenden Vorwürfe gegen den 41-Jährigen wird die Verhandlung wegen Bedrohung wohl abgesagt. Am Sonntag wurde der Haftbefehl gegen ihn verkündet, dem Mann wird Mordversuch, schwere Brandstiftung und (gefährliche) Körperverletzung vorgeworfen. Daneben Sachbeschädigung und Bedrohung.
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Besonderes Gewicht hat der Umstand, dass er Wohnhäuser in Brand gesetzt haben soll, in denen sich Menschen befanden. Das schlägt sich nicht nur strafrechtlich nieder, es ist auch das, was Anwohner, Beobachter, Berichterstatter und Politik fassungslos macht: „Viele Menschen sind durch diese Taten schwer verletzt worden. Anscheinend war es ihm egal, was er mit seiner Tat anrichtet“, erklärt etwa Innenminister Herbert Reul. Zwölf Menschen wurden bei dem ersten Brand verletzt, weitere 19 beim zweiten; einige von ihnen schwer. „Dabei wurde auch in Kauf genommen, dass sogar kleine Kinder zu Schaden kommen. Was mich besonders betroffen macht“, sagt Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen zu den Brandstiftungen.
„Ich habe den Eindruck, er leidet unter einem Verfolgungswahn. Er sieht da offenbar eine Verschwörung zwischen Jugendamt, Familiengericht und seiner Familie.“
Anwalt: Er befand sich in einem psychischen Ausnahmezustand
Von erster Einsicht oder gar Reue weiß Rechtsanwalt Schröder unterdessen noch nicht zu berichten. Sein Mandant sei noch nicht in der Lage, das Ausmaß seiner Tat zu erkennen oder diese und ihre Hintergründe einzuordnen. Bisher habe er lediglich gesagt, dass es ihm nicht um seine Ehefrau gegangen sei, sondern um die drei gemeinsamen Kinder (6, 7, 15 Jahre alt). „Ich habe den Eindruck, er leidet unter einem Verfolgungswahn. Er sieht da offenbar eine Verschwörung zwischen Jugendamt, Familiengericht und seiner Familie.“ Auch die Auswahl der Tatorte unterstreiche dies: Die Adressen stünden mit all jenen in Zusammenhang, „die seiner Frau helfen wollten“.
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Schröder hat angeregt, dass sein Mandant psychiatrisch untersucht wird. Eine Drogen- oder Alkoholproblematik gebe es bei dem Mann nicht. Auch mit einem typischen Integrationsversager habe man es offenbar nicht zu tun. „Er hat hier selbstständig als Fliesenleger gearbeitet, und er spricht nahezu perfekt Deutsch.“ Der Mann sei im syrischen Damaskus geboren und 2015 nach Deutschland gekommen. Während die Polizei mitteilte, dass er die syrische Staatsangehörigkeit habe, möchte er nicht als „Syrer“ bezeichnet werden: „Er sagt, er sei Palästinenser.“
Nur die Unterbringung in der Psychiatrie kann ihn vor Haft bewahren
Allein wegen des Tatbestandes des versuchten Mordes drohe dem Mann laut Schröder „eine zweistellige Haftstrafe“ – also eine von zehn oder mehr Jahren. Angesichts der auf zahlreichen Fotos und Videos gut dokumentierten Taten dürfte es auch wenig zu leugnen geben. Das Gefängnis dürfte dem 41-Jährigen wohl nur erspart bleiben, wenn stattdessen nach § 63 Strafgesetzbuch auf die Unterbringung in einer Psychiatrie entschieden würde.
Einstweilen sitzt der mutmaßliche Brandstifter in Essen in Untersuchungshaft. Sein Anwalt geht davon aus, dass die JVA veranlassen wird, dass sein Mandant in eine Beobachtungszelle komme. „Auch wenn er selbst sagt, er würde sich nichts antun.“
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