Essen. Um hinter Gittern zu landen, müssen einige Voraussetzungen erfüllt sein. Körperverletzung allein ist kein Grund für eine Untersuchungshaft.

Der Todesnachricht folgt die schiere Gewalt: Als Angehörige durch eine Ärztin des Essener Elisabeth-Krankenhauses von dem unerwarteten Ableben ihres über 80 Jahre alten Familienoberhaupts erfahren, rasten sie aus. Sie treten und schlagen auf Klinik-Personal ein, verletzen sechs ihrer Prügelopfer, eine 23-jährige Krankenschwester sogar schwer, und zertrümmern teure medizinische Geräte als auch Mobiliar in einem Behandlungszimmer.

Nach dieser grenzüberschreitenden Eskalation am Freitag (20. September) am Klara-Kopp-Weg ermittelt die Polizei weiterhin wegen gefährlicher Körperverletzung und Sachbeschädigung, bestätigt deren Sprecher Matthias Werk am Mittwoch. Nach wie vor versuchen die Clan-Experten der Behörde weitere Beteiligte zu überführen, die dem Huttroper Großfamilien-Milieu zugerechnet werden.

Bei einem 41-Jährigen scheint das bereits gelungen. Er gilt den Ermittlern als Haupttäter, landete kurzzeitig ins Gewahrsam des Polizeipräsidiums, wurde aber schnell wieder entlassen. So manch einer mag sich da verwundert die Augen gerieben und sich gefragt haben: Wieso wanderte so jemand nach solchen Ausschreitungen nicht in Untersuchungshaft?

Eine Körperverletzung ist kein absoluter Haftgrund

Weil ein von der Polizei informierter Richter verfügt hat, dass der Verdächtige wieder entlassen wird - und das auf Grundlage bestehender Gesetze. In der Strafprozessordnung (StPO), die vorgibt, wie Strafverfahren durchzuführen sind, ist ziemlich klar geregelt, wer unter welchen Voraussetzungen hinter Gitter geschickt werden kann. Eine Körperverletzung zum Beispiel ist kein absoluter Haftgrund und wurde selbst im aktuellen Fall als ebenfalls nicht ausreichend erachtet. Mag der Gewaltausbruch in der Klinik auch noch so brachial wie gleichzeitig abstoßend erscheinen, reicht der Verdacht einer solchen Straftat alleine nicht aus, um jemanden in den Knast zu schicken - und sei es auch nur für kurze Zeit.

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Für die Strafverfolger, also Polizei und Staatsanwaltschaft, gilt in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren wie später in einem Strafverfahren mit einem Angeklagten vor Gericht bis zum rechtskräftigen Beweis der Tat generell die Unschuldsvermutung. Dennoch kann ein Beschuldigter auch in einem frühen Stadium des Verfahrens hinter schwedischen Gardinen landen - im Rahmen einer zeitlich begrenzten sogenannten Untersuchungshaft und unter bestimmten Voraussetzungen.

Das können die Haftgründe sein

Mit Ausnahme von Kapitaldelikten wie Mord, Totschlag oder ähnlich schwer eingestuften Verbrechen wie Bildung terroristischer Vereinigungen, schwerer sexueller Missbrauch von Kindern, besonders schwere Brandstiftung oder das Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion, durch die Leib oder Leben gefährdet werden, muss mindestens ein Haftgrund - mehrere sind durchaus möglich - über den dringenden Tatverdacht hinaus bestehen.

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Ein Grund für einen Haftbefehl mit dem möglichen Ziel einer anschließenden U-Haft besteht, wenn sich ein Beschuldigter aus dem Staub gemacht hat oder untergetaucht ist. Er wird dann in der Regel durch die Staatsanwaltschaft zur Festnahme durch die Landes- oder Bundespolizei ausgeschrieben.

Sieht die Justiz die Gefahr einer Flucht, um sich einem Strafverfahren zu entziehen, kann dies ebenso ein Haftgrund sein wie der begründete Verdacht, dass ein mutmaßlicher Täter Beweismittel vernichten, verändern, verstecken oder auf Beteiligte seines Verfahrens wie Zeugen oder Gutachter einwirken könnte, um möglichst zu verhindern, dass die Wahrheit ans Tageslicht kommt. Das heißt Verdunkelungsgefahr.

Der denkbar härteste Eingriff der Justiz in die persönliche Freiheit

Dazu kommt die sogenannte Wiederholungsgefahr: Es besteht dann der dringende Verdacht, dass weitere Straftaten begangen werden, wenn die Justiz sie nicht mit ihren schlichtesten Mitteln Schloss und Riegel verhindert. All dies sollte ein Richter in jedem Einzelfall individuell und nach den Maßstäben der Verhältnismäßigkeit zwischen der Schwere einer mutmaßlichen Straftat und dem denkbar härtesten Eingriff in die persönliche Freiheit. beurteilen. Denn nichts anderes bedeutet eine Haft für denjenigen, hinter dem die Knasttür abgeschlossen wird.

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