Emmerich. Zur Demo gegen rechts in Emmerich erschienen mehr als 500 Leute. Kurz ließ sich auch die AfD blicken. Das sagten Demonstrierende.
Elisabeth ist 91 Jahre alt, hat ein Schild vor ihren Rollator gespannt: „Oma gegen rechts.“ Mit ihren Enkelinnen versammelt sie sich am Samstag auf dem Emmericher Geistmarkt, „denn ich bin Zeitzeugin und weiß, wie wichtig das ist“. Als damals der Alarm der Fliegerbomben ging, hatte sie keine Lust mehr. „Ich stehe nicht auf“, habe sie immer gesagt. Gegen Faschismus jedoch schon.
„Hot Girls hate Nazis“, belegt Enkelin Meret mit ihrem pink-schwarzen Demoschild die eigene These. Nach der Ampel einfach mal links abbiegen, das wünschen sich die 22-Jährige und ihre Familie von der nächsten Regierung. Auf einen Kreis aus Pappe haben sie daher den weißen Verkehrspfeil gepinselt.
Zur Demonstration für Demokratie und Vielfalt, die das gleichnamige Emmericher Bündnis organisierte, erschienen über 500 Menschen. Und machten richtig Krach gegen Hass und Hetze. Dabei bekam mit Schildern wie „EkelhAFD“ nicht nur eine Partei ihr Fett weg.
Besonders junge Frauen waren sich einig: „Nicht jeder Merz bringt Frühlingsgefühle.“ Seit den jüngsten Geschehnissen in Berlin, bei denen aus Sicht vieler Demonstrierender CDU und FDP die Brandmauer zur AfD einrissen, zeigten sich neben kirchlichen Vertretern viele Wähler aufgebracht. Einer von ihnen hat die Backsteine gezeichnet, hinter denen sich „Die demokratische Mitte“ befindet. Auf der anderen Seite stehen BSW, CDU, AfD und FDP.
Die 14-jährige Paula darf zwar noch kein Kreuz setzen, kennt sich mit Politik aber schon ziemlich gut aus. „Es ist nicht okay, dass Leute ausgegrenzt werden. Sowas hatten wir schon mal. Ich finde es traurig, dass so viele erwachsene Menschen daraus nichts gelernt haben“, bedauerte die Gymnasiastin. Dann streckte sie ihre Mitteilung in die Höhe: „Unsere Demokratie hat einen Merz-Infarkt.“
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Auch als die Demonstrierenden durch die Emmericher Steinstraße wandern, stimmen sie immer wieder zu Parolen an. „Merz ist ein Scherz“ singen sie, dann „Nazis raus“, als sich Vertreter der AfD zu einer dreiköpfigen Gegendemo aufbauen wollen. Nach wenigen Minuten ziehen sich die Männer in den blauen Jacken auch schon wieder zurück.
Integration nach acht Stunden Schwerstarbeit?
„Es ist schön, dass alle so bunt erschienen sind. Besser könnten wir Emmerich gar nicht darstellen“, freut sich Mit-Organisatorin Andrea Schaffeld. Angemeldet habe sie anfangs 200 Demonstrierende, das war jedoch vor den Ereignissen im Bundestag.
„Es ist schön, dass alle so bunt erschienen sind. Besser könnten wir Emmerich gar nicht darstellen“
Pfarrer Peter Kossen setzt sich deutschlandweit für faire Arbeitsbedingungen und gegen moderne Sklaverei ein. Und weiß dadurch auch, wie viele Migranten in Deutschland Schwerstarbeit leisten, in Sektoren, die ohne sie nicht funktionieren würden. Beispielsweise die Pflege, Paketzustellung und Fleischindustrie. Ohne sie würde Deutschland demografisch vergreisen. Um genau zu sein, gäbe es „eine Lücke von sieben Millionen fehlenden Arbeitskräften“.
„Ist es nicht verlogen, ihre Schwerstarbeit anzunehmen und ihnen gleichzeitig fehlende Integration vorzuwerfen?“, fragte Kossen. Besonders unter dem Gesichtspunkt, dass die meisten Fluchtgründe ihren Ursprung in unseren Konsumgewohnheiten hätten, unterstrich der Redner.
Trotzdem würden Parteien bis in die einstige politische Mitte im Wahlkampf darauf setzen, Randgruppen zu suchen, denen man die Schuld für alles, was schieflaufe, geben könne. Dabei ließ Kossen auch Anschläge wie in Aschaffenburg oder Solingen nicht außen vor, die aktuell die Emotionen bestimmen.
So trat Emmerich für die Demokratie ein – die Bilder der Demo
Teil der Wirklichkeit sei aber auch: „Fast täglich wird in Deutschland eine Frau getötet. Es werden brutale Verbrechen von Deutschen an Deutschen verübt. Wo bleibt da ein vergleichbarer Aufschrei der Gesellschaft?“ Der lasse anscheinend auf sich warten, Frauenhäuser gäbe es noch immer zu wenige – in der Politik werde das, obwohl es so viele Todesopfer zur Folge hat, kaum aufgegriffen.
Wie Integration funktioniert, zeigt auf lokaler Ebene beispielsweise das Klever Freundschaftsorchester. Da musizieren Geflüchtete und Klever gemeinsam. So ließe sich aus „Nie wieder ist jetzt“ nur von einer Phrase in die Wirklichkeit übergehen, wenn „Begegnungsräume geschaffen werden, für alle Menschen, so unterschiedlich sie sind“, erklärte Thomas Ruffmann vom Haus Mifgash.
Wähler sollen, so der Referent, auf Parteien mit Inhalten setzen, statt auf die, „die ihren Stimmfang mit Hass und Hetze machen“. Trillerpfeifen ertönen, Emmericher verfallen ins Jubeln. Damit setzten sich viele Menschen am Samstag stabil gegen rechts ein. Denn: „Für Demokratie frieren wir uns gern den Arsch ab“, deutet ein Demonstrant auf sein Pappschild.
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