Rees. Ein Hund biss ein Mädchen in Rees. Die Halterin wies im Amtsgericht Emmerich jede Schuld von sich. Ihre Tiere würden diskriminiert.

Mit vernarbter Hand greift sie zum Taschentuch. Folgen einer blutigen Bisswunde, wie Lichtbilder bestätigen. Die Ereignisse des 9. Februar 2024 sitzen bei der damals 17-Jährigen noch tief. „Ich hatte so Panik“, rekapituliert sie den mutmaßlichen Angriff eines Kampfhundes. Dabei soll die Besitzerin noch gerufen haben „Der macht nix“, als das Tier auf sie und ihre Mutter zustürmt.

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Kurz später kommt angeblich auch der zweite Rottweiler dazu, in einem Gebüsch am Reeser Meer rangeln sich die Tiere nieder. Auf dem Boden soll der Hund des Mutter-Tochter-Duos liegen. Als sie dazwischengehen, erleide das junge Mädchen eine tiefe Wunde.

Verletztes Mädchen stehen gelassen

Mit blutender Hand soll sie sich aus der Situation entfernt haben. Ihre Mutter sei währenddessen, einen der Rottweiler am Halsband haltend, auf die vermeintliche Besitzerin getroffen. „Sie hat angeboten, uns ins Krankenhaus zu fahren, sobald sie die Hunde in ihr Auto gebracht hat“, erklärt sie. Als ihre verletzte Tochter und sie auf die Hundehalterin warten, werden sie nach ihrer Aussage jedoch Opfer eines dreisten Schachzugs.

In einem weißen Fahrzeug soll sich die mutmaßliche Täterin vom Ort des Geschehens entfernt haben. „Wir sahen nur noch das Auto über den Deich wegfahren.“ Nachdem sie im Krankenhaus waren, erstatten sie Anzeige gegen Unbekannt. In einer WhatsApp-Gruppe erkennen sie daraufhin eine Hundetrainerin aus Rees, die die Schuldige sein soll. Nun kam es im Amtsgericht Emmerich zum Prozess.

Alles nur Rassendiskriminierung?

Der Vorwurf gegen die 34-Jährige: fahrlässige Körperverletzung. Wenn ihre Rottweiler auch von der Maulkorb- sowie Leinenpflicht befreit waren, hätte sie gesetzlich nicht beide Kampfhunde gleichzeitig ausführen dürfen. Das sei ihr bewusst, immerhin bestehe ihre Berufung „aus allem rund ums Thema Hund“. Sogar auf ihren Rundschal, den sie während der Verhandlung trägt, sind Vierbeiner gedruckt. Umso schlimmer treffen die „Rottweiler-Mama“ Vorurteile gegenüber ihrer Tiere.

Haltung von Rottweilern

In NRW zählen Rottweiler zu gefährlichen Hunden, weshalb sie per Liste erfasst werden. Das bedeutet, dass für ihre Haltung eine Erlaubnis sowie ein Sachkundenachweis erforderlich sind.

Bestehen die Tiere strenge Verhaltenstests, werden sie von Maulkorb- und Leinenpflicht befreit. Auch dann muss beim Gassigehen eine mindestens 18-jährige Person pro Tier dabei sein. Es ist also nicht erlaubt, alleine mit zwei Rottweilern zu spazieren.

„Genauso wie man Menschen nicht diskriminieren darf, weil sie schwul oder lesbisch sind, darf man Hunde nicht wegen ihrer Rasse diskriminieren“, legt die 34-Jährige los. Wenn ein Tier, oder eben ein Mensch unabhängig seiner Sexualität, ein minderjähriges Mädchen beißt, folgen jedoch in beiderlei Fällen Konsequenzen.

Angeklagte liefert andere Version

Trotzdem rollt die Hundetrainerin die Augen: „Die ermittelnde Polizistin war voreingenommen, meinte, dass Hunde sowieso gefährlich und unberechenbar seien.“ Selbes gelte für unbeteiligte Reeser, die in einer Facebook-Gruppe über den Fall diskutierten. Nur weil sie Rottweiler habe, werde sie nun als Täterin hingestellt. Das sei in der Stadt ohnehin ein Problem, Verwandte mit ihrem Nachnamen würden mittlerweile keine Aufträge mehr bekommen. „Dabei war ich nicht beteiligt.“

Laut der Hundeverhaltenstherapeutin sei sie mit ihrer Mutter, den beiden Rottweilern und einer französischen Bulldogge spaziert. Pro Kampfhund eine Person – das ist so erlaubt. Gegen 14 Uhr sollen sich die Frauen getrennt haben. Ihre Mutter ging mit zwei Hunden am Reeser Meer laufen. „Ich bin mit einem meiner Rottweiler woanders geblieben, um zu trainieren.“

Staatsanwaltschaft vermutet eine Falschaussage

Die Vorwürfe könnten sich somit höchstens gegen die Mutter der Angeklagten richten. Aber auch sie weist jedes Verschulden von sich und den Vierbeinern: „Ich habe an dem Tag keinen besonderen Vorfall vernommen.“ Im Publikum sorgt diese Zeugenaussage für vehementes Kopfschütteln. „Wahrscheinlich soll die Tochter geschützt werden, deren Überführung auch berufliche Konsequenzen hätte“, vermutet die Vertretung der Staatsanwaltschaft eine Falschaussage.

Als die Mutter der Geschädigten die Version der Anklagebank hört, scheint sie empört. „Das ist absolut gelogen, von vorne bis hinten“, schüttelt die Reeserin den Kopf. Sie habe an diesem Tag eine solche Angst um ihre Tochter gehabt, „dass ich es schockierend finde, jetzt sowas zu erfinden.“

Über das Urteil erfreut

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Aussage gegen Aussage im Gerichtssaal. „Ich war es nicht“, nutzt die Angeklagte ihr letztes Wort. Und hat Erfolg. Freispruch. „Den Vorfall hat es definitiv gegeben, aber die Täterschaft lässt sich nicht zweifelsfrei belegen“, begründet die Richterin ihr Urteil. Damit ist die Hundetrainerin besser weggekommen, als im ursprünglichem Strafbefehl, der eine Geldstrafe von 1250 Euro vorsah.