Emmerich. 40-jähriger Emmericher soll 15-Jährigen verprügelt haben, um seinem Nachbarn einen Gefallen zu tun. Wieso es einen Freispruch gab.

Er ist über 1,90 Meter groß, breit gebaut, 40 Jahre alt. Und soll laut Anklage einen 15-jährigen Jungen verprügelt haben, um seinem Nachbarn einen Gefallen zu tun. Nun stellte sich ein Emmericher schweigsam, ohne eine Miene zu verziehen, den Vorwürfen im Amtsgericht. Dazu musste der besagte Nachbar, ein 15-jähriger Schüler mit braunem Lockenkopf, aber erstmal ausholen.

In der Schule bahnte sich ein Streit zwischen ihm und einem Mitschüler an, den sie am Kleinen Löwen in Emmerich austrugen. „Es gab eine Minute einen kompletten Schlagaustausch“, erklärte er vor dem Emmericher Amtsgericht. Der Minderjährige im Zeugenstand habe ein Veilchen davon getragen, sein Kontrahent eine ähnliche Verletzung. „Eine Prügelei zwischen Jungs ist nicht ungewöhnlich“, schüttelte der 15-Jährige seine Locken. Nur sollte die gefährliche Straftat erst noch folgen, als ihn angeblich sein erwachsener Nachbar rächte.

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Am 6. Januar endete die kurze Schlägerei gegen 21 Uhr. Der Junge mit den braunen Locken sei von seinen Eltern abgeholt und nach Hause gebracht worden. Laut Anklage des anderen Jugendlichen, der am Kleinen Löwen zurückblieb, sei dann der Angeklagte auf ihn zugekommen. Er soll, um den 15-Jährigen zu rächen, auf ihn eingeschlagen und -getreten haben. Nun kam es nach vielen Zeugenaussagen im Amtsgericht zu einem Urteil.

Vom Schlägertrupp zum Einzeltäter

Freundinnen der Mutter des 15-jährigen Lockenkopfes beobachteten die Tat. „Man sah nur einen Knäuel und zwei Köpfe“, erinnerte sich eine von ihnen. Weil sie Angst hatte, es könnte sich um ihren Sohn handeln, riss sie die beiden Jugendlichen auseinander, um in ihre Gesichter zu sehen. „Da erkannte ich ihn und rief seine Eltern an. Es vergingen keine fünf Minuten, bis sie ihn abholten“, führte sie weiter aus. Dann habe der 15-Jährige mit den braunen Locken die Szenerie verlassen. Dass sein zurückgelassener Kontrahent danach von dem viel älteren Angeklagten angegriffen worden sei, glaubte die Frau nicht: „Als sie sich schlugen, war kein erwachsener Mann in der Nähe.“ Weitere Zeuginnen sagten deckungsgleich aus.

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Trotzdem standen am späten Tatabend der geschädigte Mitschüler und dessen Vater vor der Tür des 15-Jährigen. „Sie sagten, ich hätte meine Onkel oder so auf ihn gehetzt, nachdem unsere Prügelei vorbei war“, rekapitulierte er. Es seien unzählige Vorwürfe gefallen, die er nicht verstanden habe. Gleiches gilt für Polizei und Gericht, die die Aussagen des Geschädigten nicht zu entwirren wussten. Erst sei er von einem ganzen Trupp Erwachsener verprügelt worden, später nur von einem. Ob es wirklich der Mann war, der nun im Gerichtssaal Platz nahm, wollte der klagende Schüler bis zum Schluss nicht zweifelsfrei bestätigen.

Gekränkter Stolz? Freispruch für Angeklagten

„Der Fall zeigt, wie schnell man in die Mühlen der Justiz geraten kann und wie lange es dauert, wieder ausgespuckt zu werden“

Der Anwalt des Angeklagten
vor Gericht

Für den Anwalt des 46-Jährigen war die Sache klar: Trotz der physischen Auseinandersetzung sei besonders der Stolz des Mitschülers verletzt worden. Nach der Prügelei mit einem Gleichaltrigen nach Hause kommen und dem wütenden Vater gestehen, dass der Kontrahent ein paar gute Schläge gelandet hat? „Da ist es einfacher zu sagen, ein großer, starker Mann hätte einen besiegt“, so der Anwalt.

So seien die „leichtfertigen Anschuldigungen“ auf den Nächstbesten gefallen. Das Gericht erklärte den Angeklagten für unschuldig, sodass mit dem Hammer der Freispruch fiel. „Der Fall zeigt, wie schnell man in die Mühlen der Justiz geraten kann und wie lange es dauert, wieder ausgespuckt zu werden“, schloss sein Anwalt.