Emmerich. Nach einer Schlägerei an einer Emmericher Shisha-Bar mussten sich gleich zwei Angeklagte vor Gericht verantworten. Das Verfahren wurde kurios.

Es ist die Nacht vom 1. auf den 2. Februar 2020. An einer Emmericher Shisha-Bar wird gefeiert. Und daneben, im Raucherbereich vor dem Eingang, gibt es eine Schlägerei. An deren Ende lag ein Opfer mit einer Unterschenkelfraktur am Boden. Und deswegen mussten sich nun gleich zwei junge Männer, 27 und 23 Jahre alt, wegen gemeinschaftlicher schwerer Körperverletzung vor Gericht verantworten.

Denn, so die Anklage, der 27-jährige Angeklagte sollte das mittlerweile 25-jährige Opfer mit einem Faustschlag an den Kopf zu Boden geschickt haben. Anschließend hätten die beiden jungen Männer gemeinsam auf den am Boden liegenden eingetreten.

Angeklagte selbst eher Opfer

Das schilderten die beiden Angeklagten vor Gericht allerdings ganz anders. Der 27-jährige Angeklagte hätte nur einen Bekannten verteidigen wollen, der angegriffen worden sei. Er hätte einen der Angreifer in den Schwitzkasten genommen, sei dann von mehreren Personen attackiert und gegen einen Zaun gedrängt worden. Am Ende hätten ihn die Sicherheitsleute aus der Situation befreit. „Das, was hier angeklagt ist, habe ich nicht mitbekommen“, sagt er. Also nichts von einem auf dem Boden liegenden Opfer, das wegen Schmerzen geschrien haben soll.

Allerdings hatte er sich an die Familie des Opfers gewandt, da diese ihm als „gefährlich“ beschrieben wurde und er nicht gewusst hatte, ob vielleicht die Person, die er in den Schwitzkasten genommen hatte, das Opfer gewesen sein könnte. „Ich hatte Angst“, sagte der 27-Jährige. Zu einer Klärung der Situation sei es dann aber doch nicht gekommen.

Auch der zweite Anklagte war, nach eigener Aussage, eher zufällig in die Schlägerei geraten. Er habe einen Schlag gegen den Hinterkopf bekommen, sich umgedreht und in der Bewegung zurückgeschlagen – allerdings, ohne groß etwas auszurichten. „Der Typ, der da vor mir stand war sicherlich 1,90 Meter groß“, erklärte der 23-Jährige vor Gericht. Er habe direkt einen Schlag ins Gesicht bekommen und sei daraufhin aus der Situation geflüchtet. Auch er wollte von der Verletzung des Opfers nicht mitbekommen haben.

Zwei Belastungszeugen sagten aus

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Das Opfer selbst konnte nicht viel zum Erkenntnisgewinn beitragen. „Ich habe einen Schlag abbekommen und bin zu Boden gegangen“, erklärte der 25-Jährige. Er sei kurz bewusstlos gewesen. „Dann wollte ich aufstehen, aber konnte nicht“, sagte er weiter. Allerdings hat die Verletzung Spuren hinterlassen. „Ich humple noch immer deswegen“, sagte der 25-Jährige, der im Prozess als Nebenkläger auftrat und Schmerzensgeld einklagen wollte.

Zwei Freunde des Opfers belasteten die beiden Angeklagten. Beide wollten genau gesehen haben, dass der 27-jährige Angeklagte ihren Freund niedergeschlagen habe. Dann sollten er und der zweite Angeklagte, auf den am Boden liegenden eingetreten haben. Doch die Aussagen der beiden gerieten durch die beiden Verteidiger schnell im Zweifel. Denn beide hatten, auf eigenen Wunsch, eine Aussage bei der Polizei gemacht – allerdings erst rund ein Jahr nach der fraglichen Tat. Zudem konnten beide keine Details zu der Schlägerei schildern. Ob es nun fünf oder 30 Beteiligte gegeben hatte, konnten beide nicht so richtig sagen. Ebenso wenig, an welcher Seite des Kopfes das Opfer getroffen worden war.

Noch mehr in Zweifel gerieten die Aussagen durch einen weiteren Zeugen, einen weiteren Freund des Opfers. Der war unmittelbar hinter dem Geschädigten, als es zu der Verletzung kam. Er hatte nur gesehen, dass sein Freund getroffen wurde und zu Boden ging und hatte sich dann schützend über diesen gebeugt. Identifizieren konnte er den Schlagenden nicht. Und ebenso wenig habe er danach Tritte gegen den Geschädigten wahrgenommen. Zudem hatte er aber auch die beiden anderen Freunde des Geschädigten nicht wahrgenommen, die ausgesagt hatten, sie wären sofort zur Hilfe geeilt.

Freispruch für die beiden Angeklagten

Ein weiterer Zeuge sagte schließlich aus, das Gerücht, das der 27-jährige Angeklagte den Geschädigten geschlagen hätte sei „im ganzen Kreis Kleve herumgegangen“. Anscheinend hatte die Familie des Opfers auf eigene Faust Nachforschungen zu den möglichen Tätern angestellt – und dabei auch die beiden Angeklagten direkt kontaktiert.

Am Ende beantragten sowohl die Staatsanwältin als auch die beiden Verteidiger Freisprüche für die beiden Angeklagten. Die Staatsanwältin schenkte den Aussagen der beiden Belastungszeugen keinen Glauben, zumal sie nicht von der Aussage des direkt beteiligten Freundes des Geschädigten bestätigt wurden. Der Verteidiger des 27-Jährigen ging noch einen Schritt weiter: „Ich halte das klipp und klar für Falschaussagen“, sagte er. Zweifel an der Glaubhaftigkeit, denen sich auch der Richter anschloss. Am Ende gab es einen Freispruch für die beiden.