Kreis Kleve. Im Kreis Kleve gibt es Lachgas legal im Supermarkt. Jugendliche missbrauchen es als Partydroge. Welches Gesetz bald folgen könnte.
An Lachgas zu kommen, ist in Deutschland ein Kinderspiel. Wortwörtlich. So greifen immer mehr Minderjährige auf das Narkosemittel als Partydroge zurück. In Großbritannien ist der Besitz von Lachgas seit 2023 illegal. Auch beim Grenznachbarn, der Niederlande, gibt es strengere Vorgaben. Derweil reicht in Deutschland ein Gang zum Supermarkt, um das Narkosemittel legal zu erwerben, da dieses per Gesetz nicht als Betäubungsmittel gilt. Konkrete Versuche der Politik, den Missbrauch zu unterbinden, könnten nun aber folgen.
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Schon lange will Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) Lachgas verbieten. Ein gänzliches Verbot, das Herstellung, Handel, Erwerb und Besitz einschließt, gestaltet sich wegen der medizinischen Verwendung als schwierig. Das Bundesgesundheitsministerium habe nun einen Regelungsentwurf für ein weiterentwickeltes Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz vorgelegt, das unter anderem Lachgas einschließen soll. Aktuell befinde sich der Entwurf im Eil-Notifizierungsverfahren bei der EU-Kommission und solle im Rahmen eines laufenden Verfahrens zügig umgesetzt werden. Für Minderjährige gäbe es dann ein Verkaufs- und Besitzverbot.
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Leere Ballons liegen auf dem Asphalt, daneben finden sich außerdem Kapseln für Sahnespender. Sieht nach Party aus? War es auch. Statt bunter Deko und Kuchen deuten die Utensilien jedoch auf ein legales Rauschmittel, das sich unter Jugendlichen im Kreis Kleve immer größerer Beliebtheit erfreut.
Zum Konsum von Lachgas bedarf es neben Luftballon und Gaskapsel, die im Übrigen in jedem Supermarkt erhältlich sind, nur einen sogenannten „Cracker.“ Ist der Behälter damit geöffnet, wird die Partydroge umgefüllt. Reihum ist jeder dran. „Erst kräftig aus-, dann langsam durch den Mund einatmen“, erklärt ein 20-jähriger Emmericher. Der Ballon schrumpft, das Gas zieht in die Lungen der Partygäste. Wenige Sekunden später entfaltet sich die kurze Wirkung. „Die Ohren machen wum wum wum, man sieht alles langsamer, hört alles fünfmal doppelt“, führt er aus. Als er das Narkosemittel erstmals konsumierte, war er 16. Eine Fete auf einem Bauernhof in Kleve, „da wurde es verkauft, jeder macht es, da macht man es halt auch.“ Mittlerweile fänden sich Flaschen samt Ballons auf vielen Partys im Kreis Kleve. Der einst auflebende Trend sei nun „immer da.“
Lachgas-Taxi versorgt Partygäste
Schließlich ist Lachgas legal und nicht als Droge eingestuft. Von kleinen Sahnespendern, die in jedem Supermarkt erhältlich sind, greifen Partygäste nun zu großen Gasflaschen. Die ließen sich über bestimmte Instagram-Seiten und lokale Kontakte bestellen, „die bringen es einem dann bis zur Party. Der ganze Kofferraum ist voll, wie ein Taxi eben.“ Die leichte Zugänglichkeit ist jedoch nicht der einzige Vorteil, den Jugendliche im Konsum sehen: „Man merkt es einem nicht an, ich kann danach mit dem Auto nach Hause fahren.“ Ganz so lustig ist Lachgas aber nicht.
„Man halluziniert, verspürt Wärme, ein Glücksgefühl. Das will man dann immer und immer wieder, also werden Dosis und Häufigkeit erhöht“
Neben langfristigen Schäden an Nervensystem und Knochenmark, birgt bereits der einmalige Konsum Risiken. „Je nach Intensität ist es sehr gefährlich“, so Barbara Kortland, Leiterin der Beratungsstelle für Suchtfragen im Kreis Kleve. Bereits beim Einatmen durch Ballon oder Tüte kann es zur Bewusstlosigkeit kommen. „Medizinisch kennt man Lachgas beispielsweise vom Zahnarzt, da wird es aber mit Sauerstoff verdünnt. Beim privaten Konsum meistens nicht“, erklärt die Expertin. Durch die Ausdehnung des zuvor in die Flasche gepressten Gases in der Lunge können außerdem Risse am Organ entstehen. Das Worst-Case ist ein Lungenkollaps: „Bisher ist sowas zum Glück noch nicht passiert, jedenfalls hier im Kreis Kleve.“
Drogenberatung vorbereitet auf Sucht-Welle
Ohnehin seien die Anfragen Jugendlicher an die Beratungsstelle in puncto Lachgas „verschwindend gering.“ Nur an einer Kevelaerer Schule erkundigten sich Jugendliche beim Präventionsteam über die Partydroge. Für die Suchtberaterin ist das trotz zunehmendem Konsum nicht verwunderlich, wie bei jeder Substanz passiere das versetzt. Jetzt Trend, in ein paar Jahren abhängig. Psychisch könne definitiv eine Sucht entstehen. „Man halluziniert, verspürt Wärme, ein Glücksgefühl. Das will man dann immer und immer wieder, also werden Dosis und Häufigkeit erhöht“, erklärt Kortland. Vorbereitet auf Anfragen ist die Beratungsstelle daher schon seit Monaten.
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In offenen Jugendhäusern sei Lachgas immer wieder Gesprächsthema, vermehrt berichten die Teenager untereinander von ihren Erfahrungen. Eine Nebenwirkung fiel den meisten als einzige auf. „Die Gasflasche wird extrem kalt“, überlegt ein 17-Jähriger Auszubildender. Wie oft er schon konsumiert habe, wisse er nicht, „auf jeder Party eben. Seit ungefähr zwei bis drei Jahren.“ Überwiegen Glücksgefühl und Wahrnehmungsstörung, komme es durch die eisigen Behälter schnell zu festgefrorenen Fingern und Lippen. „Bemerkt man erst, wenn es zu spät ist“, ergänzt Kortland.
„Eine Goldgrube“ für Kiosks
Manchen reichen „wum wum wum“ und sekundenlanges Lachen nicht. „Ich mache das schon, bis ich merke, dass mir schwummrig wird. Ich setze mich dann auf den Boden und warte ab“, teilt der 17-Jährige weiter seine Erfahrung. An mögliche Risiken denke er in dem Moment nicht, „es ist halt da und macht Spaß.“
Auch er habe noch nie allein am Ballon gezogen, es sei eben „ein Partyding.“ Ist er irgendwo, seien meist auch die Gasflaschen da, über die Beschaffung müsse er sich kaum Gedanken machen. „Ganz offiziell“ gäbe es an Kiosks im Kreis keine großen Lachgas-Flaschen zu kaufen. Trotzdem ahnen die Inhaber darin „eine Goldgrube“, so Kortland. Dass aus der Partydroge irgendwann die Luft raus ist, könne sich weder der 20- noch der 17-Jährige vorstellen. Immerhin beginne der Spaß erst, wenn genau das eintrifft, der Ballon immer leerer wird.