Emmerich. Mahnwache in Emmerich gegen die Schließung des St. Willibrord-Spitals. Wie die Bürger das Krankenhaus trotz Insolvenz retten wollen.
Blutspritzer auf braunem Pappkarton, die rote Farbpatrone scheint ausgelaufen. Unten ist mit schwarzem Edding ein Sarg gezeichnet. Es wirkt makaber und doch lässt sich nicht wegsehen. Oder gerade deshalb. „Sterben Sie langsam, wir sind unterwegs“, ragt ein Schild nach dem anderen aus der Masse von rund 2000 Emmerichern. Weniger schwarzmalerische Vision als vielmehr befürchtete Realität. Im Zuge der Insolvenz des St. Willibrord-Spitals bangen die Bürger um ihr Krankenhaus, zugehörige Notfallversorgung und 600 Arbeitsplätze. Nach Online-Petition und Unterschriftenaktion folgte am Dienstagabend eine Mahnwache auf dem Nonnenplatz.
Mahnwache für das Emmericher Krankenhaus
„Ich habe Anfang dieses Jahres hier als Krankenschwester angefangen, das war immer mein größter Wunsch. Jetzt soll es schon vorbei sein?“, bedauerte Inka Jonkhas, die gemeinsam mit allen Kollegen, die gerade keinen Dienst hatten, fleißig Plakate in die Luft hielt. „Wir helfen euch, wer hilft uns?“, fragen die dicken Buchstaben. Das Spital sei der größte Ausbilder sowie Arbeitgeber der Stadt. „Es wäre toll, wenn es so bleibt“, sagte Jonkhas.
„Gesundheit ist keine Ware“
Wie weit sich die Schließung des Krankenhauses auf die Mitarbeiter auswirken würde, ist für viele nur in Zahlen zu fassen. Dabei stecke dahinter Lebensqualität, meist die Existenz ganzer Familien. So plädierte auch Pfleger Christoph Heiting für „Miteinander, Verbundenheit, Wertschätzung.“ Er sei seit 26 Jahren im Emmericher Spital, brauche mit dem Fahrrad nur fünf Minuten zur Arbeit, kenne mittlerweile alles und jeden auswendig: „Das ist meine Familie.“ Zudem lasse sich eine Notfallversorgung kaum stemmen, wenn sich die jährlichen Patienten auf andere Kliniken aufteilen müssten. Das sind übrigens insgesamt 40.000, ein Viertel davon stationär. Oder, anders gesagt, „in der Not gewinnt der Tod“, wie es einige Schilder schrien.
Emmerich befindet sich in einer präkeren Lage, damit ist nichtmal die Insolvenz gemeint. Umgeben von den Niederlanden und dem Rhein, mit einer Autobahn, einer Bahnstrecke mit Gefahrguttransporten und einem chemischen Industriestandort müsse die notärztliche Versorgung besonders beachtet werden. Das unterstrich auch Teilnehmerin Ute Reetz, die „Gesundheit ist keine Ware“ gen Himmel streckte. „Nach Wesel oder Kleve braucht man je nach Straßenverkehr viel zu lange, wenn es schnell gehen muss. Dabei braucht gerade Emmerich mit seiner Lage ein Krankenhaus“, erklärte sie auf der Mahnwache. Seit 180 Jahren gibt es das St. Willibrord Spital, „es war immer da, meine Tochter ist da geboren, es muss bleiben.“
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Mehr als 24.000 Unterschriften
Von etwaiger Politik losgelöst sollte die Mahnwache allen Bürgern eine Bühne zum Ausdruck ihrer Forderung bieten. Die 2000er Marke bei der Mahnwache geknackt, erreichten Unterschriftenaktion und Online-Petition bereits 24.014 zustimmende Bürger. Fast jeder zweite des rechtsrheinischen Kreis Kleve über 18 hat sich damit beteiligt. „Ein besseres Zeugnis kann es für ein Krankenhaus gar nicht geben“, blickte Mitorganisator Dieter Schneegans auf die Zahlen. Gerade deshalb seien eine temporäre Lösung oder gar eine Schließung nicht akzeptabel. Die Unterstützung des Landesministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales wisse er da auf der Seite der Emmericher: „Laumann plant mit dem Spital, hat alle Leistungen bestätigt, es werden keine Kürzungen verlangt. Von hier kommt nur Zustimmung.“
Die „Katastrophe“ der überraschenden Insolvenz ließe sich nicht mehr Abwenden, eine Schließung des Krankenhauses jedoch schon. So packte Dieter Schneegans Lösungsansätze aufs Rednerpult. Es müsse ein neuer Träger gefunden werden, die Stadt solle nochmal „genau prüfen“, ob sie sich nicht mit einem Prozentsatz beteiligen könne. Dadurch gäbe es schließlich regelmäßige Einblicke, die eine solch plötzliche Insolvenz hätten frühzeitig erkennen können.
Das sagt der Bürgermeister
Bürgermeister Peter Hinze, der regelmäßig Kontakt zum Insolvenzverwalter hat, hat für die NRZ die aktuelle Situation nochmals erklärt: „Bis zum 31. Juli muss der Insolvenzverwalter eine Lösung gefunden haben. Es finden sehr viele Gespräche statt.“
Auch er als Bürgermeister, sein Amtskollege Sebastian Hense oder Landrat Christoph Gerwers seien „auf allen Ebenen bemüht, Gespräche zu führen. Aber wir sind nicht Teil der Verantwortungskette“. Man sei auf Informationen Dritter angewiesen. „Trotzdem versuchen wir alles Mögliche, um das Spital zu erhalten.“
Signale aus der Bevölkerung wie die Mahnwache, die Unterschriftenaktion und die Online-Petition seien wichtig und zu begrüßen. Denn dies werde auch in Düsseldorf wahrgenommen. „Wir müssen für die besondere Lage sensibilisieren“, sagt Hinze.
Lösungsansätze der Bevölkerung
Leere Räumlichkeiten, beispielsweise die ehemalige Geburtsstation, könnten anderweitig genutzt werden. Entweder für einen Hospizdienst oder in Zusammenarbeit mit hiesigen Firmen für arbeitsmedizinische Untersuchungen. Das Interesse seitens der Industrien sei laut Schneegans gegeben. So würde die Ertragssituation unterstützt.
Außerdem sei eine Geriatrie denkbar, eine Station für Menschen, die unter altersbedingten Krankheiten leiden. Da würde es einen Förderzuschuss von 4,2 Millionen Euro geben, „der scheiterte schon mal an der Eigenbeteiligung von zehn Prozent.“ Seitens der Niederlande wäre eine solche Einrichtung ebenfalls gewünscht, gibt es sowas auf der rechten Rheinseite in naher Umgebung nicht. Neben Mahnwache und Petition könne jeder Bürger etwas tun: „Bleiben Sie dem Krankenhaus, soweit es die Krankheit zulässt, treu.“