Düsseldorf. Im Jahr 1995 wurde die Rheinuferpromenade eröffnet. Die Architekten haben damals mit dem Erfolg nicht gerechnet. Wir trafen einen der ehemaligen Planer.

Fast 1500 Meter ist die Düsseldorfer Rheinuferpromenade lang. Das ist gar nicht so viel. Wenn man aber mit Benedikt Stahl die Meile entlangläuft, wird so ein Spaziergang auch schonmal etwas ausgedehnter. Denn es geht um Details. Der 65-Jährige kennt eben jede Einzelheit dieser „sozialen Baukunst“, wie er den Weg zwischen NRW-Landtag und Tonhalle auch gerne nennt. Die neue Promenade - mit den schmucken Platanenbäumen, den Steinen mit blauem Wellenmuster an der Flussseite, dem separaten Radweg und der Freitreppe in Höhe Burgplatz - wurde im Mai 1995 eröffnet. Jetzt wird sie 30 Jahre jung. Und sie ist eine zeitlose Schönheit. Findet auch Benedikt Stahl. Er hat die Pläne damals mit entworfen.

Die Pläne für die Promenade, die gemeinsam mit dem 1993 eröffneten Rheinufertunnel inzwischen als Düsseldorfs Jahrhundertbauwerk gilt, stammen aus dem Architekturbüro von Niklas Fritschi, Benedikt Stahl und Günter Baum. „Wir hätten damals niemals gedacht, dass unsere Ideen sich durchsetzen würden“, sagt der angenehm bescheidene Planer gut 30 Jahre später. „Denn sie waren schlicht, eigentlich war ja schon alles da, und wir wollten den Menschen so viel Freiraum wie möglich lassen. Wir haben es einfach laufen lassen“, sagt Stahl.

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Der Mann, der an der Aalanus-Hochschule in Alfter bei Bonn eine Professur mit dem Lehrgebiet Architektur und Stadtraum hat, bleibt auf dem Spaziergang immer wieder stehen. Etwa auf der kleinen Holzbrücke zwischen dem Alten Hafen und den Kasematten. Dort sollte es zunächst kein Holz geben, „aber wir haben uns gedacht, dass dies ein besonderer Ort ist, den wir auch besonders gestalten wollen, und der damalige Projektleiter aus der Stadtverwaltung, Erwin Waaser, ist wirklich auf viele unserer Wünsche eingegangen“, erzählt Stahl.

Unter der Brücke sollten zunächst auch nur Verstauungsräume für Damm-Material für den Hochwasserschutz entstehen. Fritschi und Stahl wollten aber mehr. Sie entwarfen Pläne für Gastronomie unter der Brücke. „Wir hatten diese Idee, weil wir dort keinen Angstraum entstehen lassen wollten, sondern einen Ort mit sozialer Kontrolle.“ Heute laden dort eine Eisdiele und (schon seit 30 Jahren) das Café Bato ihre Gäste ein.

Benedikt Stahl beim Spaziergang über die Düsseldorfer Rheinuferpromenade an der Freitreppe. Die Idee dazu hat er laut eigener Aussage abends beim Bier mit seinem Künstlerkumpel Hardy Tönnissen entworfen.
Benedikt Stahl beim Spaziergang über die Düsseldorfer Rheinuferpromenade an der Freitreppe. Die Idee dazu hat er laut eigener Aussage abends beim Bier mit seinem Künstlerkumpel Hardy Tönnissen entworfen. © NRZ | Stephan Wappner

Den Anfang der neuen Düsseldorfer Rheinuferpromenade machte, wenn man so will, eine recht ungewöhnliche und auch nicht ganz ungefährliche Aktion von Benedikt Stahl in der Düsseldorfer Fachhochschule. „Das war 1993, in der Schule hatte der Hausmeister damals an einem Treppensturz ein 3,20 Meter breites Panoramabild geklebt.“ Stahl nahm sich eine große Leiter, malte das Bild mit Transparentpapier ab und nahm die XXL-Skizze mit ins Büro. Dort wurden dann die Ideen für die neue Promenade mit Bleistift und Ölfarbe allmählich zum Leben erweckt. „Wir haben aber auch vieles wieder verworfen, vieles wegradiert, neue Dinge hinzugefügt, das war ein langer Prozess“, erinnert sich der Architekt.

Am Ende wurde es dann schlicht. Schön schlicht. Und das wurde ein großer Wurf. Es liegt eben auch an den Details. Stahl bleibt in Höhe der Kunstakademie an einer Pappel stehen und erzählt, dass Fritschi und er lange darüber nachdachten, wieviel Abstand es zwischen den einzelnen Bäumen geben soll. Am Ende wurde es fünf mal fünf Meter. Länge wie Breite. Stahl zählt die Distanz nochmal mit Schritten ab, als müsse er sich 30 Jahre später vergewissern, als ob das alles noch stimmt.

Ski-Weltcup auf der Düsseldorfer Rheinuferpromenade

Dass auf der Rheinuferpromenade sehr oft Veranstaltungen steigen - Frankreichfest, Olympia-Camp, Weihnachtsmärkte, aber auch schon mal die Deutschen Meisterschaften im Stabhochsprung (2023) oder ein Skilanglauf-Weltcup (2002 - 2012) -, das findet der Hochschullehrer völlig in Ordnung. „Wir haben diese Promenade ja für die Menschen entworfen“, sagt er. Weniger glücklich ist er mit dem, was eine Etage tiefer passiert. Zu viel Ballermannisierung an den Kasematten? „Na ja, es ist mir ein bisschen zu viel des Guten“, sagt Stahl vorsichtig. „Für die Leute, die das schön finden, ist es ja okay. Aber es geht halt immer auch ein bisschen um das Maß.“

Die Rheinfront während der Bauarbeiten für die Rheinufervorschiebung  1898: Blick aus Höhe der Schulstraße nach Norden. Rechts die Straße Rheinort, im Hintergrund St. Lambertus und der Schlossturm. Links die Rheinbrücke.
Die Rheinfront während der Bauarbeiten für die Rheinufervorschiebung 1898: Blick aus Höhe der Schulstraße nach Norden. Rechts die Straße Rheinort, im Hintergrund St. Lambertus und der Schlossturm. Links die Rheinbrücke. © Stadtarchiv Düsseldorf | Stadtarchiv Düsseldorf

Kaum ein zweites Vorhaben in der Geschichte hat Düsseldorf aus stadtplanerischer Sicht derart verändert und nach vorn gebracht wie die Tieflegung der Rheinuferstraße. Die ursprüngliche Promenade war im Laufe der Rheinufervorschiebung in den Jahren 1898 bis 1902 entstanden. Damals wurden zwei Ebenen errichtet. Die untere diente zum Abfertigen des Schiffsverkehrs. Auf der oberen Ebene bestand damals bereits eine Promenade, die der heutigen nicht unähnlich war. Nach dem Zweiten Weltkrieg aber wurde das Rheinufer für den Autoverkehr umgestaltet. Und über Jahrzehnte sorgte die stark befahrene Bundesstraße 1 wie ein nur schwer zu überwindender Riegel zwischen Fluss und Stadt für eine Zäsur. Die Trennung zwischen Stadt und Strom wurde schließlich spätestens 1995 mit der Eröffnung der neuen Promenade überwunden.

Bei der Neugestaltung der Promenade gab es anfangs Zoff wegen der Auswahl der Steine. Für den von Fritschi, Stahl und Baum zunächst bevorzugten Naturstein fehlte das Geld. „Aber wir wollten es trotzdem besonders haben, es musste halt passen zum Rhein wie ein Maßanzug.“ Die Wellen auf dem Stein waren nicht das Problem. Es war die Farbe. „Wir wollten blaue Steine“, berichtet Stahl. Es wurde eine Musterfläche ausgestellt, etwa 30 Meter lang. Das alles fanden Politik, Anwohner und die Boulevardpresse aber nicht so prickelnd, abschätzend wurde von babyblauen Steinen gesprochen und geschrieben. „Wir dachten, das war es jetzt“, erinnert sich Stahl. „Also haben wir uns drei Tage lang eingeschlossen, nahmen dann ein bisschen Farbe raus und nannten es „basaltblau“. Der damalige Stadtdirektor Jörg Bickenbach unterstützte die Architekten beim zweiten Versuch. Er ging durch. War dann wohl mehr Düsseldorf-like.

Was wurde noch nicht von den ursprünglichen Idee umgesetzt? Benedikt Stahl, der übrigens mit der Düsseldorf-Amsterdamer Künstlerin Judith Kleintjes verheiratet ist, bleibt am Mannesmannufer stehen und zeigt auf die Fläche vor dem Hochhaus, in dem heute das NRW-Wirtschaftsministerium sitzt. „Hier sollte eine Lichtskulptur hin, ich finde Platz heute immer noch zu leer“, gesteht er. Apropos Helligkeit: Angedacht waren vor gut 30 Jahren auch eine durchgezogene, rund anderthalb Kilometer lange Lichterkette. „Es gab auch schon einen Prototypen, aber die Anwohner hatten was dagegen.“ Ebenfalls in der Schublade blieb der Entwurf für die „Glaslinse“ - einen eingeschossigen Baukörper aus Glas am Burgplatz mit Block auf den Rhein.

Düsseldorfer Rheinuferpromenade: „Ergänzt“ durch das Apollo und das KIT

Andererseits wurde die Promenade in den Jahren nach der Neueröffnung durch prächtige Bauten „ergänzt“. Man hatte lange nach einem Standort für das Apollo gesucht. Fritschi, Stahl und Baum kamen irgendwann auf die sensationelle Idee, das Varieté unter der Kniebrücke zu bauen. Das KIT (Kunst im Tunnel), nicht weit davon entfernt, geht ebenfalls auf die Planer-Rechnung der beiden Architekten.

Benedikt Stahl bleibt noch einmal am KIT zwischen Platanen- und Radweg stehen. Er deutet mit den Schuhen auf eine Unebenheit zwischen den beiden Elementen. An dieser wie auch anderen Stellen ist die soziale Baukunst „ein wenig in die Jahre gekommen“, sagt er. Aber das sind Kleinigkeiten. Die Rheinuferpromenade bliebt zeitlos schön. Und Lebenswerk ist Lebenswerk.

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