Düsseldorf. Hilferuf aus der 7. Etage: Hans Kalbow kann nur mit Rollator gehen. Wochenlang konnte er das Haus wegen eines defekten Aufzugs nicht verlassen.

Hans Kalbow ist verzweifelt. Der 73-Jährige sitzt seit dem 20. Dezember in seiner Wohnung an der Bahlenstraße 99 in Düsseldorf-Holthausen fest. Genau genommen kann er mit seinem Rollator noch bis in den Hausflur gehen. Aber dort ist vor der silbernen Aufzugtür in der 7. Etage Schluss. „Ich kann nicht mehr“, sagt der Mann, der sich seit einem Fahrradunfall im Sommer nur noch mit Hilfe seines Rollators fortbewegen kann, bei unserem Besuch am 7. Januar. „Wenn meine Nachbarin nicht wäre, hätte ich hier nicht mal mehr etwas zu essen.“

Das Haus, dessen Aufzug in der 3. Woche stillsteht, gehört zur hessischen Immobiliengruppe GWH, die nach eigenen Angaben 53.000 Wohnungen verwaltet. Bei diesem Giganten auf dem Wohnungsmarkt hat Hans Kalbow vergeblich versucht, Hilfe zu bekommen. „Ich habe da x-mal angerufen“, sagt er. „Man landet immer nur in einem Callcenter.“ Das sei nicht nur frustrierend, sondern auch noch teuer. „Mit meinem Handy habe ich da bestimmt schon zehn Euro vertelefoniert, ohne dass es mir genutzt hat.“

Mieterärger an der Bahlenstraße 99 in Düsseldorf-Holthausen: Der Aufzug ist kaputt, die Heizung funktioniert nicht richtig. Die Bewohner sind sauer auf die Immobilienfirma GWH.
Mieterärger an der Bahlenstraße 99 in Düsseldorf-Holthausen: Der Aufzug ist kaputt, die Heizung funktioniert nicht richtig. Die Bewohner sind sauer auf die Immobilienfirma GWH. © NRZ | jum

Der 73-Jährige steht barfuß in seiner Wohnung. „Ich muss ganz dringend zur Untersuchung ins Krankenhaus“, sagt er und zeigt auf seine geschwollenen Füße. Er hat Diabetes und seit es mit dem Laufen wegen der Verletzung am Rücken so schwierig ist, machen auch Beine und Füße Probleme. „Aber wie soll ich denn zum Arzt hinkommen?“ Selbst der Medizinische Dienst, mit dem er wegen eines Gesprächs zur Unterstützung bei der Pflege verabredet war, habe den Hausbesuch abgesagt, weil man die sieben Etagen nicht nach oben laufen wolle.

Nachbarschaftshilfe in Düsseldorf: Birgit Schlerfer schleppt die Einkäufe 120 Stufen nach oben

Seine Nachbarin Birgit Schlerfer, die ebenfalls schwerbehindert und auf einen Rollator angewiesen ist, hat das Glück, dass sie trotzdem Treppenstufen gehen kann, wenn sie sich am Geländer festhält. Ihren Rollator parkt sie im Erdgeschoss, so dass sie zum Einkaufen nach draußen kann. „Sie versorgt mich mit Essen“, sagt Hans Kalbow dankbar. Er hat sonst niemanden, der ihm helfen könnte.

Für die hilfsbereite Dame aus der Nachbarwohnung in der 7. Etage bedeutet das allerdings, dass sie die Einkäufe 120 Stufen nach oben schleppen muss. „Ich stelle einen Teil im Keller ab und dann gehe ich mehrfach“, sagt die 65-Jährige. Auf jedem Treppenabsatz macht sie eine Pause, bis sie wieder genügend Puste hat. „Für Herrn Kalbow ist das der absolute Horror, dass er nicht aus der Wohnung kann.“

Auf seinem Balkon hat Hans Kalbow ein Dutzend Tüten mit Müll stehen. „Was soll ich machen? Ich kann die ja nicht nach unten bringen.“ Seiner Nachbarin will er diese Arbeit nicht auch noch zumuten. „Zum Glück ist es kalt, so dass der Müll nicht stinkt.“ Zu dem Haus mit 34 Wohneinheiten auf acht Etagen hat er eigentlich eine positive Beziehung. „Ich wohne hier schon seit Anfang der 70er Jahre.“ Irgendwann sei es mit dem Gebäude dann bergab gegangen. Aber so schlimm, wie es seit einiger Zeit sei, könne es nicht mehr weitergehen.

Der kaputte Aufzug steht im Keller des Düsseldorfer Mehrfamilienhauses, während ein Bewohner in der 7. Etage festsitzt.
Der kaputte Aufzug steht im Keller des Düsseldorfer Mehrfamilienhauses, während ein Bewohner in der 7. Etage festsitzt. © NRZ | jum

Nicht nur der kaputte Aufzug ist das Problem. Auch die Heizung funktioniere seit mehreren Jahren nicht richtig. Im vergangenen Oktober sei sie dann komplett ausgefallen. Daraufhin hatten sich Mieter zusammengetan, um damit an die Öffentlichkeit zu gehen, dass die Bewohner in kalten Wohnungen frieren. „Wie kann es sein, dass eine große Wohnungsbaugesellschaft ungestört Profite abschöpft, während wir, die Mieter, unter unzumutbaren Bedingungen leben?“, hatte der Jurastudent Mirko Wannicke im Namen der Hausgemeinschaft an verschiedene Zeitungsredaktionen und TV-Sender geschrieben. Doch trotz der Solidarität unter den Bewohnern sieht Wannicke hier nur einen Kampf von David gegen Goliath: „Wir stehen alleine gegen einen Immobiliengiganten, der uns mit Ignoranz straft.“

Düsseldorfer Mieter im Haus der GWH ärgern sich über fehlende Information

Birgit Schlerfer ärgert sich vor allem darüber, dass die Mieter nicht informiert werden. „Hier hängt nicht mal ein Zettel, wie es mit dem Aufzug weitergeht“, sagt sie. „Wenn Herr Kalbow nicht zufällig den Techniker im Flur gehört hätte, dann wüssten wir jetzt auch gar nicht, dass da ein Ersatzteil fehlt.“

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Dass man für die Reparatur des Fahrstuhls auf ein Ersatzteil warte, erklärt auch die Mitarbeiterin, die wir über eine Hamburger Telefonnummer erreichen, die im Informationskasten der Hausverwaltung im Erdgeschoss als Service-Kontakt bei Aufzugsstörungen angegeben ist. Sie arbeitet für die Hundt Consulting GmbH und ist über das Problem in Düsseldorf informiert. Das Ersatzteil, eine Batterie, sei bestellt. Wann diese komme, könne sie nicht sagen. „Da scheint es eine Lieferverzögerung zu geben“, sagt sie am Dienstagmittag, 7. Januar.

„Das Ersatzteil für die Aufzuganlage in der Bahlenstraße 99 wurde heute Morgen geliefert und umgehend eingebaut.“

Helena Skugor
PR Managerin der Immobiliengruppe GWH

Fast genau 24 Stunden später meldet sich dann kurz vor dem angekündigten Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Textes doch noch die Immobilienfirma GWH mit einer Stellungnahme auf unsere Anfrage. Plötzlich ging alles ganz schnell: „Das Ersatzteil für die Aufzugsanlage in der Bahlenstraße 99 wurde heute Morgen geliefert und umgehend eingebaut. Der Aufzug ist wieder in Betrieb“, teilt PR Managerin Helena Skugor mit.

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Auf die NRZ-Anfrage, was die GWH in der Zeit des stillstehenden Aufzugs unternommen hat, um Mieter zu unterstützen, die nicht mobil sind, heißt es: „Meldungen von Mietern, die ihre Wohnungen aufgrund des defekten Aufzuges nicht verlassen konnten, liegen uns nicht vor, weshalb wir Betroffene diesbezüglich nicht kontaktieren konnten, um Unterstützung anzubieten.“ Das ist überraschend, da die Mitarbeiterin der Hamburger Firma, die sich im Auftrag der GWH um den Aufzug kümmert, einen Tag vorher im Computer nachgeschaut und gesagt hatte, dass im Zusammenhang mit dem defekten Aufzug an der Bahlenstraße zwei Personen mit Gehbehinderung in der 7. Etage vermerkt seien.

„Grundsätzlich ist es möglich, dass ein Tragedienst beauftragt wird“, schreibt die GWH außerdem noch in ihrer Stellungnahme. Das wird für Hans Kalbow hoffentlich nicht mehr nötig sein. „Gerade ist der Aufzugmonteur hier und ich bin auch schon damit Probe gefahren“, schreibt uns seine Nachbarin Birgit Schlerfer. „Es klappte erst beim zweiten Versuch!“

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