Düsseldorf. Sie sollen aus ihren Wohnungen geekelt werden, glauben die Bewohner eines Hauses in Golzheim. Ein Besuch vor Ort zeigt ihre prekäre Lage.
„Es ist nicht zu fassen, was Geldgier aus Menschen macht!“ Friedhelm Zogass schleppt sich mit pfeifendem Atem über die Stufen aus der vierten Etage Richtung Erdgeschoss zum Fototermin. Der Mann ist 74. Er hält sich am Treppengeländer fest. Er ist einer der Bewohner, die in dem Haus an der Bankstraße 11 in Düsseldorf-Golzheim übrig geblieben sind. Eines von drei Häusern, das dort von Verdrängung und Entmietung betroffen ist. Der frühere Landesbeamte ist an COPD erkrankt, einer fortschreitenden Erkrankung der Lunge. Ihm fällt es nicht leicht, das zu sagen. Aber er will, dass er gehört wird. „Wir sind hier die letzten Mohikaner, ich darf das mal so sagen. Aber wir wollen hier bleiben!“
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Bereits seit Mai kämpfen die Anwohner der Wohnhäuser Bankstraße 7, 9 und 11 dafür, dass die Aufzüge wieder in Betrieb genommen werden. Diese wurden von der Monheimer Eigentumsgesellschaft „B 7 - 11 GmbH & Co. KG“, denen die Häuser gehören, im Frühjahr dieses Jahres stillgelegt. Und das, obwohl der TÜV den Fahrstühlen zuvor noch eine Funktionstüchtigkeit attestiert hatte. Für die verbliebenen Mieterinnen und Mieter ist klar: Der Investor, der seinen Namen nicht in den Medien lesen will, hat vor, die Leute aus den Häusern rauszuekeln. „Das Ziel ist, die Menschen aus den Häusern rauszubekommen, damit die Wohnung saniert und deutlich teurer verkauft werden können“, sagt Johannes Dörrenbächer vom Bündnis für bezahlbaren Wohnraum, das die Menschen vor Ort unterstützt.
In den Häusern 7, 9 und 11 gibt es 49 Wohneinheiten. Davon sind in diesen Novembertagen nur noch 13 belegt. Zu jenen, die durchhalten, gehört auch Konrad W., der im Haus 11 (noch 5 von 13 Einheiten belegt) mit seiner Frau Christa in der dritten Etage lebt. Bis April haben die Beiden noch ganz oben im Haus im Staffelgeschoss gelebt. Aber die Wohnung wurde ihnen vom Investor gekündigt. „Dann hat er uns angeboten, in diese sanierte Wohnung in der dritten Etage umzuziehen“, erzählt der 76-Jährige. „Wahrscheinlich hat er nicht damit gerechnet, dass wir das mitmachen. Aber meine Frau lebt hier seit 40 Jahren. Sie ist krank. Sie will hier auch sterben.“
Bei der Ehefrau wurde Brustkrebs diagnostiziert
Konrad W. hat uns in seine Wohnung gelassen. Ein gastfreundlicher, höflicher Mann. Gemeinsam mit Nachbar Zogass sitzt er an einem runden Tisch in seinem Wohnzimmer. Die Einrichtung ist schlicht, macht aber keinen ungemütlichen Eindruck. In dem Bücherregal an der Wand sticht der gelbe Band namens „Papillon“ von Henri Charrière heraus. In der Wohnung riecht es nach kaltem Rauch. „Ja, das waren viele Zigaretten in unserem Leben“, erzählt der ehemalige Speditionskaufmann, dessen Lunge ebenfalls schon lange geschwächt ist. Er lächelt bei diesem Satz schwach, so lustig ist das nämlich alles gar nicht.
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Konrad W. ist mager. Nicht lange her, da musste er sich ein Lymphom an der Niere operativ entfernen lassen. Bei seiner Frau Christa wurde kurz nach dem Umzug in die dritte Etage Brustkrebs diagnostiziert. Beide nehmen Psychopharmaka. Noch im November will das Ehepaar gemeinsam eine onkologische Reha in der Nähe von Oldenburg antreten. „Vielleicht ist es besser, von hier mal eine Weile weg zu sein“, sagt Konrad W. Er redet viel, sehr viel, so als wolle er sich die Traurigkeit von der Seele diktieren.
Sein Nachbar erzählt indes von der Frau, die weiter unten im Haus gewohnt hat. 89 war die Dame. „Sie hat das alles, als das mit dem Aufzug passiert ist, nicht mehr geschafft mit den Treppen und konnte monatelang ihre Wohnung nicht verlassen“, erzählt Friedhelm Zogass und schaut traurig auf ein Blatt Papier, das vor ihm auf dem Tisch liegt. „Jetzt ist die Dame in ein Pflegeheim gekommen.“
Zogass selbst erzählt davon, dass er fast jeden Antrieb verloren hat. „Ich liege lange im Bett und schaffe es kaum, aufzustehen“, sagt er. Und wenn er nach dem Einkaufen die 75 Stufen zu seiner Wohnung hinauf muss, schafft es das nur ganz langsam, Schritt für Schritt. Zum Glück bekommt er oft Hilfe von seiner Tochter Carola, die in Haus Nummer 11 im Erdgeschoss wohnt.
Investor ließ Haus von Polizei räumen
So ist das. Die Lage dort ist katastrophal. Im Rahmen einer vom Bündnis für bezahlbaren Wohnraum initiierten Hausbesetzung und Demonstration am Sonntag (3. November) hatten Aktivisten eine leerstehende Wohnung an der Bankstraße 11 für rund 24 Stunden besetzt, um auf die prekäre Situation in den drei Häusern hinzuweisen. Der Investor ließ die Wohnung durch die Polizei räumen. Nach dieser pressewirksamen Aktion will die Stadt nun die betroffene Anwohnerschaft ins Rathaus einladen. Dort will sich Oberbürgermeister Stephan Keller am 13. November mit den Bewohnern austauschen.
Konrad W. und Friedhelm Zogass werden den Termin sicher wahrnehmen. Sie müssen es. Der 76-Jährige W. hat sich schon mehrmals bei Wohnungsgesellschaften umgehört, weil er dann doch immer mal wieder einen Umzug in Betracht zieht. „Aber da ist nichts zu machen“, sagt er, und ansonsten fände man in Düsseldorf auch keine bezahlbare Wohnung mehr. „Hier haben wir alles: eine schnelle Anbindung an den ÖPNV, zum Einkaufen ist es nicht so weit und vor allem nicht zu unseren Hausärzten, das ist das Wichtigste.“
Und es bleibt Hoffnung für die Menschen in Haus 11. „Ich habe kürzlich mit dem Rechtsanwalt des Eigentümers gesprochen“, verrät Johannes Dörrenbächer auf Anfrage der NRZ. „Wir sind im Gespräch darüber, dass der Fahrstuhl wieder angestellt wird. Danach schauen wir, wie es in dem Haus weiter gehen kann.“ Der Aktivist ist sich sicher: „Wenn alle Mieterinnen und Mieter weiter durchhalten und in ihren Wohnungen bleiben, wird es für den Investor schwer, seinen Entmietungsplan durchzuziehen.“
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