Düsseldorf. Es fing an mit der Partydroge Ecstasy, schließlich war Düsseldorfer Martin 20 Jahre lang drogensüchtig. So fand er den Weg aus der Sucht.

Es fängt an, da ist Martin* etwa 12 Jahre alt. Alle zwei Wochen – wenn seine Eltern beim Kegeln sind – probiert er sich durch die Hausbar. Es dauert nicht lange, da trifft er sich regelmäßig mit Freunden am Wochenende und trinkt so viel Alkohol, dass der Düsseldorfer nach durchzechten Partynächten häufig in seinem Erbrochenen aufwacht. Später kommt die Liebe zur Technomusik hinzu.

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„Ich habe früh angefangen, Gefallen an Techno zu finden“, erinnert er sich. Da ist er 15 oder 16 Jahre alt. Oft geht er auf Technopartys, mit Drogen sei er zu dem Zeitpunkt aber noch nicht in Kontakt gekommen. „Ich mochte erst nur die Musik. Die Szene war aber immer bekannter dafür, dass sich Leute dort Ecstasy geschmissen haben.“ Auf die Frage, ob ihn das anfangs nicht eher abgeschreckt habe, antwortet Martin mit einem bestimmenden „Nein. Für mich war das total reizvoll“.

Düsseldorfer 20 Jahre lang drogensüchtig: „Ich habe oft gelogen“

Im Mai 1995, an den Abend erinnert sich Martin gut, sei er dann erstmals in Kontakt mit Ecstasy gekommen. Und „diesen Zustand wollte ich für immer und ewig halten“, erzählt der 47-Jährige. Aus einem Mal wird schnell jedes Wochenende, „die Abstände wurden kleiner“. Und die Auswahl der Drogen immer größer. „Ich habe angefangen, auch Speed, Cannabis und Hasch zu nehmen, später dann auch Pilze und Kokain.“ Und das mittlerweile täglich.

Gearbeitet hat Martin trotzdem. Wie das geht? „Mit viel Glück“, sagt er. „Ich habe oft gelogen und mir Ausreden einfallen lassen, warum ich verschlafen habe. Da kamen echt üble Lügen bei rum, beispielsweise habe ich dann erzählt, dass ein Familienmitglied verstorben ist.“ Irgendwann kann er das Gerüst aus seinen Lügen nicht mehr aufrechterhalten.

Hilfe in Düsseldorfer Tagesklinik der Diakonie

„Das hat mich kaputt gemacht. Leute haben gemerkt, dass etwas mit mir nicht stimmt“, erinnert er sich. „Ich habe mich in meiner Freizeit total isoliert und hatte Angst, rauszugehen. Ich hatte nie eine Freundin und habe mich für mich selber geschämt.“ Die Vorhänge lässt er bei sich zu Hause stets zu. „Mein Leben bestand aus Drogen und Prostituierten“, so Martin. Irgendwann vertraut er sich seiner Hausärztin an, sie schreibt ihn krank und verweist ihn an die Düsseldorfer Tagesklinik der Diakonie.

Narcotics Anonymous (NA): Plakataktion in Düsseldorf

Narcotics Anonymous (NA) ist eine Selbsthilfegemeinschaft, die weltweit agiert. Drogensüchtige können an regelmäßig stattfindenden Meetings teilnehmen. Auch in Düsseldorf finden wöchentliche Treffen statt, bei denen Betroffene in einer unterstützenden und vertraulichen Umgebung zusammenkommen, um ihre Erfahrungen zu teilen, einander zu stärken und einen Weg der Genesung zu finden.

Über 60 Meetings wöchentlich finden in ganz NRW statt, in ganz Deutschland sind es über 500 Meetings wöchentlich. Ab dem 10. September plant die Gemeinschaft eine große Plakataktion in der Landeshauptstadt, um über die Angebote zu informieren. Die Plakate werden in einem Radius von 2,5 Kilometer um den Düsseldorfer Hauptbahnhof aufgehängt.

Weitere Informationen und Hilfsangebote der Narcotics Anonymous (NA) finden Sie hier: narcotics-anonymous.de/meetings

„Mir war aber nicht klar, dass ich ein Problem mit Drogen habe. Ich fand mein Leben einfach scheiße“, so der Düsseldorfer. Dort führt er mehrere Vorgespräche. Um die Therapie zu beginnen, muss er jedoch aufhören, Drogen zu konsumieren. „Das war für mich überhaupt nicht greifbar. Ich habe weiter Cannabis und Speed genommen, und wenn ich davon nichts zu Hause hatte, habe ich eben zum Alkohol gegriffen. Und das immer in der Kombination mit Prostituierten.“ Die Tagesklinik verweist ihn dann an eine Selbsthilfegruppe der Narcotics Anonymous.

Düsseldorfer Ex-Drogenabhängiger: „Ich wollte mich umbringen“

Weil die Verzweiflung und Wut so groß ist, traut Martin sich und geht zu einem Meeting. „Ich fühlte mich wie in Außerirdischer, aber wurde direkt mit offenen Armen empfangen. Ich bin aber nicht dran geblieben.“ Dann der Tiefpunkt: Martin bekommt bei der Arbeit drei Abmahnungen. „Zu der Zeit ging es mir überhaupt nicht gut, ich dachte, die tolle Zeit ist längst vorbei. Ich wollte mir sogar das Leben nehmen“.

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Es folgt eine Noteinweisung in die Entgiftung. Zwei bis drei Wochen ist er währenddessen clean. „Das tat mir schon gut, da habe ich nach Jahren endlich über mehrere Tage nichts genommen.“ Doch kurz nach Entlassung geht es weiter: „Ich war dann wieder zu Hause und dachte mir, wenn ich jetzt über mehrere Tage clean bin, dann muss das alles ja wieder ganz anders knallen.“

Ex-Drogensüchtiger aus Düsseldorf fand Hilfe bei Narcotics Anonymous

Es dauert ein paar Monate, dann beginnt er die Therapie in der Tagesklinik. „Ich habe mir immer gesagt, wenn das losgeht, höre ich auf‘.“ Und das funktioniert anfangs auch gut. Drei, vier Monate lang besucht er täglich die Klinik, hat eine feste Struktur und beginnt zeitgleich seine Wiedereingliederung in den Job. Doch nur wenige Tage nach der Behandlung wird er wieder rückfällig. „Es war der Horror.“ Wieder geht er den Weg zum Meeting der Narcotics Anonymous. „Und wieder wurde ich mit offenen Armen empfangen.“ Drogen nimmt er zu der Zeit trotzdem immer weiter.

Dann der Wendepunkt: „Ich kann mich erinnern, wie ich zu Hause saß und wirklich gutes Amphetamin hatte, aber es hat mich einfach nicht mehr abgeholt und ich dachte mir, ich mache jetzt erstmal eine ganz große Pause.“ Er will es schaffen. „Ich habe ja mitbekommen, dass das cleane Leben Spaß macht. Als ich Drogen genommen habe, war ich immer alleine“, blickt der Düsseldorfer zurück. Drei Jahre lang besucht er täglich das Meeting der Narcotics Anonymous-Selbsthilfegruppe – und er schafft es, nach 20 Jahren Drogensucht. Die „ganz große Pause“, zu der es sich damals gezwungen hat, geht mittlerweile – Martin schaut auf eine App in seinem Handy – neun Jahre und drei Monate.

„Ich habe nicht mehr an mich geglaubt, aber ich führe heute ein wirklich gutes Leben“

Den Kontakt zu seinen alten Freunden aus der Drogenszene hat er abgebrochen. Dafür hat er neue Freunde gefunden, größtenteils Menschen, die er bei der Selbsthilfegruppe kennengelernt hat. Statt Drogen steht in seiner Freizeit nun viel Sport auf dem Programm – und auch eine Freundin hat der Düsseldorfer, der damals so einsam war, mittlerweile seit sieben Jahren.

Der letzte Kontakt zu einem seiner damaligen Dealer ist längst aus dem Handy gelöscht. Und trotzdem: Jeden Freitag steht das Stamm-Meeting der Narcotics Anonymous in Martins Kalender. „Ich gehe auch hin, um das, was ich erlebt habe, weiterzugeben und anderen zu helfen“, so der 47-Jährige. „Ich habe nicht mehr an mich geglaubt. Aber ich führe heute ein wirklich gutes Leben.“

*Der Name wurde aus Anonymitätsgründen von der Redaktion geändert.