Düsseldorf. Einen Tag nach dem Solinger Anschlag wurde in Düsseldorf der Büdchentag gefeiert. Das Thema war in den Köpfen, überschattete das Fest aber nicht.

Auf dem Friedensplätzchen in Düsseldorf-Unterbilk herrscht am Samstagnachmittag, 24. August, beste Stimmung: Pavillons sind aufgebaut, junge und ältere Gäste stehen verteilt, entspannte Musik schallt über den Platz. Das Friedensplätzchen war eine der insgesamt 40 Locations des Düsseldorfer Büdchentages, der am Samstag zum nunmehr siebten Mal stattfand. Nicht einmal 24 Stunden zuvor hatte sich in nahe gelegenen Solingen ein Anschlag mit mehreren Todesopfern ereignet. Das Thema war vielen der Büdchen-Besucher präsent – die Stimmung an dem mittlerweile tradierten, dezentralen Düsseldorfer Stadt-Fest blieb aber weitgehend ungetrübt.

„Der Büdchentag hat sich mittlerweile etabliert“

Für die Musik auf dem Friedensplätzchen ist diesem Nachmittag ein Team aus den DJs „Magic“, „Yürke“, „Vander“ und „H.T.“ verantwortlich. „Wir legen am Büdchentag ein bisschen eine ‚gemischte Tüte‘ auf“, erklärt Magic, der in echt Oliver Räke heißt.. Es komme nicht so sehr auf perfekte Übergänge an, sondern vor allem um den Spaß der Besucher. Ausgelassen tanzende Personen vor dem DJ-Pavillon geben dem Discjockey augenscheinlich Recht.

An den Büdchentagen ist „Magic“ bereits seit der ersten Ausgabe beteiligt, erklärt er: „Der Büdchentag hat sich mittlerweile etabliert“. Besonders seit der Zeit nach Corona kommen immer sehr viele Menschen, berichtet er. Ein Teil davon führt er auch darauf zurück, dass über die Gelder vom Kulturamt und Sponsoren mehr Mittel für die Feiern bereitstehen.

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Der Anschlag vom Vorabend in Solingen ist an den Organisatoren des Festes nicht vorbeigegangen. Das Ereignis habe zwar traurig gestimmt, den Büdchentag absagen habe man allerdings nicht wollen. „Das wäre das das schlechteste Zeichen, das man zeigen könnte.“ Denn damit würde man „einknicken“ vor Menschen wie dem Attentäter von Solingen, denkt Henle.

Ein äußerst vielseitiges Programm bietet sich Besuchern je nach konkreter Location: Am Friedensplatz bieten unter anderem das Kollektiv „femmes & schwestern“ gemeinsam mit dem Verein für Frauenkommunikation „kom!ma“ Programm mit einem feministischen Anspruch: „Es gibt einen Voguing-Workshop“, erklärt Caro Baum vom erstgenannten Kollektiv. „Das ist ein Tanzstil, der aus der queeren Szene kommt.“ An einem Tisch kann man lernen, aus einem einzigen Faltblatt ein Mini-Magazin zu basteln – solche selbstgemachten Magazine spielen in der feministischen Szene eine große Rolle, erklärt Baum.

Einige Gäste sind zum Büdchentag sogar von außerhalb der Landeshauptstadt angereist: Etwa Sophia Grazdanow aus Köln. „Das ist mein drittes Jahr beim Düsseldorfer Büdchentag“, erklärt sie. „Ich finde die Büdchenkultur generell toll – das Büdchen verbindet das Veedel!“ Dass diese Nachbarschaftsinstitutionen in Düsseldorf einmal im Jahr gefeiert werden, findet sie spitze. Ihrem Mann, der nicht kommen konnte, bringt sie eines der offiziellen Büdchentag-T-Shirts mit – kultig verpackt in einer Art Pizzakarton.

Vander (li.), und Yürke, DJs der „gemischten Tüte“.
Vander (li.), und Yürke, DJs der „gemischten Tüte“. © NRZ | Stephan Wappner

Grazdanow betont, welche Rolle Büdchen in einer Nachbarschaft spielen – etwa auch als vertrauter, sicherer Ort, und als Ort der Begegnung. Den Anschlag des Vorabends finde sie „erschreckend“, sagt sie. Vor diesem Hintergrund sollte man aber nicht darauf verzichten, Orte der Begegnung wie den Büdchentag zu schaffen, findet die Kölnerin. Denn es sei wichtig, dass Nachbarschaften zusammenhalten.

Besucher planten Büdchen-Tour seit Monaten

Nicht alle mussten so einen weiten Weg auf sich nehmen. Zum Beispiel Martin, Alex, Charlotte und Helene, die den Büdchentag zusammen am Bachplätzchen in Bilk beginnen. „Dass wir hingehen, haben wir fest geplant seit das erste Poster rauskam“, sagt Martin. Für die Freundesgruppe ist es nicht der erste Büdchentag. „Ich finde super, wie hier die Kultur des Rheinlands und Ruhrgebiets zelebriert wird - die Büdchenkultur!“, erklärt Alex. Vor dem Büdchen „Bedri‘s Island“ am Bachplätzchen sind gut besetzte Biertische und -bänke aufgebaut, die fröhliche Stimmung erinnert tatsächlich an einen Biergarten. Die entspannte musikalische Untermalung schallt aus einer Anlage unter einem Pavillon.

Für die vier Düsseldorfer Freunde ist es an diesem Nachmittag längst nicht die letzte Station. „Man kann sich am Büdchentag treiben lassen“, erklärt Martin. Wenn man genug von einer der 40 Locations hat, könne man einfach weiterziehen. Oft sind die nächsten Büdchen-Parties auch schon fast in Hörweite. Fest eingeplant haben die vier nur einen Ort: „Das Hip-Hop-Büdchen in Oberbilk, da wollen wir auf jeden Fall hin“, sagt Martin.

Trotz Anschlag in Solingen herrschte kein Gefühl der Unsicherheit

Wenn man sich mit der Rheinbahn auf den Weg durch die inneren Stadtviertel macht, kommt man schnell an dem ein oder anderen der teilnehmenden Büdchen vorbei. Etwa am Fürstenplatz: An der Wand der dortigen Pommesbude ist ein Musikpavillon aufgebaut. Musik läuft aus der Anlage, aber für den Abend sind Live-Acts angekündigt: „Ich bin vor allem hier, weil eine Musikerin spielt, die ich gerne live sehen will: Carmen Brown“, sagt Britta aus Gerresheim. Die Afrobeat-Künstlerin ist um 19.30 Uhr einer der Haupt-Acts auf dem Programm. Gemeinsam mit ihrer Freundin Nadja ist Britta zum ersten Mal beim Büdchentag. „Wir wohnen schon so lange in Düsseldorf und waren noch nie hier“, stellt Nadja fest. Zur 2024er Ausgabe des Büdchenfestes holen sie es nach – und freuen sich über die entspannte Stimmung vor Ort.


Büdchentag-Macher Clemens Henle auf dem Friedensplätzchen. 




Von meinem iPhone gesendet
Büdchentag-Macher Clemens Henle auf dem Friedensplätzchen. Von meinem iPhone gesendet © NRZ | Stephan Wappner

Die traurigen Ereignisse des Vorabends bleiben dabei trotzdem „im Hinterkopf“, sagen sie. „Mein Mann ist Feuerwehrmann und Kollegen von ihm mussten gestern Abend in Solingen Verletzte ins Krankenhaus fahren“, berichtet Britta. Die Geschehnisse haben einen traurigen Eindruck hinterlassen, unsicher fühlen sich die beiden auf der Veranstaltung aber nicht. Dabei spiele durchaus auch eine Rolle, dass der dezentrale Büdchentag nicht als wahrscheinliches Anschlagsziel rüberkomme, sagt Nadja „Bei einem großen Fest in der Innenstadt würde ich mich vielleicht jetzt auch mulmiger fühlen.“

Strandparty-Atmosphäre zwischen Straßen und Bahntrasse

Die Atmosphäre – auf Neudeutsch auch „der Vibe“ – unterscheidet sich zwischen den Büdchen-Orten an diesem Nachmittag deutlich: Vor dem Oberbilker Kiosk „Sonnenecke“ – zwischen Sonnenstraße, Hüttenstraße und Arminstraße – kann man etwa den Eindruck gewinnen, auf einer Strandparty zu sein. Im Schatten der Bahngleise feiert eine ausgelassene Menge zu Tanzmusik. Ein langsam vorbeifahrender Zugführer hat aus seinem Kabinenfenster den besten Blick auf das kleine Nachbarschaftsfest. Wohl, um die Feiernden zu grüßen, lässt er beim Vorbeifahren kurz sein Zug-Horn ertönen – die Feiernden grüßen mit einem fröhlichen Jubeln zurück.

Das sandlose Strand-Flair lockt auch Grüppchen an, die sich auf dem Weg von Büdchen zu Büdchen befinden. „Da will ich hin!“ ruft etwa ein begeisterter junger Mann von der anderen Straßenseite – und dirigiert gleich eine beachtliche Menschenmenge zur nächsten Ampel.

Fast in Sichtweite geht es am „Hip-Hop Büdchen“ am Kiosk Karakus an der Volksgartenstraße in Oberbilk richtig heiß her: Durchdringende Hip-Hop-Beats erreichen enthusiastische Zuhörer auf beiden Seiten der Oberbilker Allee. Die vielleicht dichteste Besuchermenge des Abends gibt den Eindruck, auf einem beliebten Hip-Hop-Festival angekommen zu sein. Ein DJ macht nicht nur musikalisch, sondern auch mit genretypischen Mikro-Ansagen mächtig Stimmung. Mehrere Breakdancer liefern sich vor seinem Pult auf einer Matte einen Tanz-Wettstreit. Jeder besonders geschmeidige oder spektakuläre „Move“ der jungen Tänzer wird sofort mit Jubel als der Menge belohnt.

Erstklassige Stimmung am Hip-Hop-Büdchen

Vici, Christian und Julian waren vorher schon an einigen der Büdchentag-Locations gewesen. „Hier ist die Stimmung am besten!“ hält Vici begeistert fest. Die Dreiergruppe war eigentlich zu siebt in den Nachmittag gestartet, zusammen zwischen den Büdchen hin- und herspaziert. „Vier von uns sind zu einer anderen Bude weitergelaufen, aber die kommen gleich auch hierhin“ so Vicci. Seit sie vor einigen Jahren nach Düsseldorf-Pempelfort gezogen ist, war sie bei jedem Büdchentag dabei, erzählt die junge Frau. Auch die anderen sind vom diesjährigen Büdchentag vollends überzeugt „Es ist für mich wie ein Urlaubstags heute, besonders mit diesem Wetter!“, so Julian zufrieden.

Die Veranstaltung ist dezentral über das halbe Stadtgebiet verteilt, zum Abschluss kommen aber alle gemeinsam zusammen - alle die noch den Elan haben, versteht sich. Und diejenigen, die dem Gewitterregen trotzen, der am Abend einsetzt. Die Abschlussparty steigt ab 22 Uhr im Koyote Club in Düsseldorf-Derendorf. Bis 6 Uhr kann die restliche Feierenergie hier aus den Beinen getanzt werden. Julian und Christian haben sich schon festgelegt: „Wir gehen auf jeden Fall noch zur Abschlussparty!“ Bei ihrer Begleitung müssen die beiden dafür noch Überzeugungsarbeit leisten.

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