Düsseldorf. 2023 gab es über 150 Geldautomatensprengungen in NRW. Dahinter stecken Banden aus den Niederlanden. Die Polizei meldet einen Ermittlungserfolg.

Geldautomatensprengungen sind in Düsseldorf zwar nicht unbedingt an der Tagesordnung, doch ungute Erfahrungen konnten die Menschen hier mit der Praxis schon machen. So wurde erst letzten Herbst ein Sparkassen-Automat im Lierenfelder Rewe gesprengt. Im Frühjahr 2024 traf es den Automaten in der Uni-Bibliothek. Wer dahintersteckt, ist weiter unklar. Bei anderen Fällen jedoch könnte bald Klarheit bestehen. Und auch da spielt Düsseldorf eine Rolle.

Düsseldorfer ZeOS feiert Fahndungserfolg, Niederländische Spezialkräfte schlagen zu

Denn bei der Staatsanwaltschaft der Rheinmetropole ist die Zentral- und Ansprechstelle Organisierter Straftaten (ZeOS) angesiedelt, die auch für Fälle schweren Bandenraubs zuständig ist. Und genau das liegt vor, wenn sich, wie jüngst, fünf Männer verabreden, sich in ihren Audi RS6 setzen und auf den Weg nach Deutschland machen um dort fleißig Bankomaten in die Luft zu jagen. Solche fünf Männer wurden nun in der Ortschaft Boskoop in Süd-Holland von der niederländischen Polizei festgenommen. Ein Fahndungserfolg, den sich auch die ZeOS auf die Fahnen schreiben kann.

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Die Düsseldorfer Polizeipräsidentin Miriam Brauns wies darauf hin, welche Gefahren von Automatensprengern ausgehen: „Es kann jede und jeden treffen. Sie wohnen neben oder gar über einem Geldautomaten? Sie gehen früh am Morgen über eine menschenleere Straßen und begenen innerorts einem Fahrzeug mit halsbrecherischer Geschwindigkeit?“ Das sind die Fälle, wo „skrupellose“ Täter billigend in Kauf nähmen, dass Menschen zu Schaden kämen. Geldautomatensprengungen seien beileibe kein Kavaliersdelikt. Allein in NRW seien 2022 ganze 182 Geldautomaten gesprengt worden. 2023 waren es dann „immer noch 153“. Der Rückgang verdanke sich dabei auch einer von Innenminister Herbert Reul (CDU) verantworteten Initiative zur Bekämpfung organisierten Verbrechens.

Staatsanwaltschaft Düsseldorf: Automatensprenger „unglücklich gebissen“ und an der Flucht gehindert

Die fünf Tatverdächtigen waren bereits schon länger im Visier der Ermittler. Der vorerst letzte Schlag gelang den Männern in Offenau bei Heilbronn. Damit wagten sich die Tatverdächtigen schon ziemlich weit ins Binnenland. Von dort sind es an die 600 Kilometer zurück nach Boskoop. In der niederländischen Gemeinde sei dann durch ein Spezialkommando der ortsansässigen Polizei der Zugriff erfolgt. Vier Männer wurden im Auto gestellt, ein fünfter wollte fliehen, wurde aber von einem Hund verfolgt und gestellt. Staatsanwalt Daniel Vollmer berichtete, dass es – „ohne offizielle Bestätigung“ – hieße, der Mann sei von dem Hund so „unglücklich gebissen worden“, dass er nicht habe weiterrennen können.

Den Männern werden nun 21 Automatensprengungen vorgeworfen. Bei drei Sprengungen bestehe dringender Tatverdacht, so Vollmer. Sollten sich alle 21 nachweisen lassen, drohen den Verdächtigen sehr lange Haftstrafen. Staatsanwalt Vollmer sagt aus, dass die „illegale Herbeiführung einer Sprengung“ mit Freiheitsstrafe zwischen einem und fünfzehn Jahren bestraft werden würde. Und das eben in 21 Fällen. Hinzu käme Bandendiebstahl, wobei es in einigen Fällen beim Versuch geblieben sei. Außerdem prüfe man noch, inwieweit versuchter Mord als Tatbestand vorliege. „Stellen sie sich vor, dass direkt über den Automaten eine Familie lebt. Wir prüfen das, müssen auf den Einzelfall schauen.“ Es liegt also noch viel Arbeit vor den Behörden.

Tatverdächtig sind fünf Niederländer zwischen 30 und 39 Jahren

Die Tatverdächtigen sitzen derweil in den Niederlanden ein. Ein Auslieferungsantrag ist bereits gestellt. Die Verdächtigen sind zwischen 30 und 39 Jahren und allesamt niederländische Staatsbürger. Einer der fünf ist für deutsche Ermittlungsbehörden derweil kein Unbekannter: Er saß bereits von 2016 an wegen Geldautomatensprengung im deutschen Strafvollzug. „Nachdem er seine Strafe abgesessen hat, hat er leider keine Ausbildung gemacht“, wie Brauns bemerkte. Vielmehr habe er sich auf sein ursprüngliches Handwerk verlegt: Die Sprengung von Bankomaten.

Und das, so Brauns, tun die Täter mit immer größerer Expertise. Die Polizeipräsidentin sprach von „regelrechten Automatensprenger-Schulen“, die es jenseits der Grenze gebe. Und auch Staatsanwalt Vollmer gab zu, dass die Automatenbomber teilweise sehr gezielt zur Sache gehen: „Die wissen schon, welchen Sprengstoff sie bei den unterschiedlichen Arten von Automaten benutzen müssen.“

Der Sprengstoff wiederum könnte sogar in Deutschland gekauft worden sein. Einiges konnten die Niederländischen Behörden bei der Festnahme sicherstellen. Darunter viele sogenannte „Polen-Böller“, also in Deutschland illegaler Sprengstoff, wie es ihn in Ost- und Südeuropa zu kaufen gibt. „Wobei dieser Sprengstoff auch hier gekauft werden kann“, wie Vollmer ergänzte, „nur nicht als Privatperson.“ Es sei aber möglich, dass sich die Automatensprenger als gewerbliche Käufer ausgegeben hätten um an die Sprengmittel zu kommen. „Dann kann man das auch in Deutschland kaufen.“

Fluchtwagen Audi RS6: 580 PS und ausgebaute Airbags

Definitiv ein deutsches Fabrikat ist allerdings der Fluchtwagen. Bei dem RS6 handelt es sich um ein Fahrzeug, dass, so Polizeidirektor Michael Graf von Moltke, seine 580 PS auf die Straße bringt. Beim sichergestellten Modell waren zudem die Airbags ausgebaut worden und die Abriegelung war auch deaktiviert – das ist im ürigen nicht illegal. In vorliegender Ausführung schafft man mit dem Fahrzeug über 300km/h. Zusammen mit dem Allradantrieb und den fünf Sitzplätzen hat man so etwas wie das perfekte Fluchtfahrzeug. Im vorliegenden Fall aber ist das Auto der Grund dafür, dass den Männern überhaupt so viele Sprengungen zur Last gelegt werden können. Auch wenn sich die Beteiligten „aus ermittlungstaktischen Gründen“ nicht allzu freimütig äußern können, Staatsanwalt Vollmer konnte doch feststellen, dass es vor allem das Fahrzeug sei, dass die einzelnen Taten miteinander verbinde.

Wie sich der Fall weiter entwickeln wird, ist noch unklar. Es könnten, so Vollmer, durchaus noch Fälle hinzukommen, es sei auch möglich, dass sich noch weitere Verdächtige herauskristallisierten. Man sei aber überzeugt davon, der organisierten Bankomaten-Sprengerei einen empfindlichen Schlag zugefügt zu haben. Und ermöglicht habe dies vor allem eine gelungene Kooperation von Polizeistellen aus NRW, Baden-Württemberg und den Niederlanden. An deren Adresse sprach dann auch Polizeidirektor von Moltke ein „hartelijk bedankt“ aus. „In einem Europa ohne Grenzen kann Polizeiarbeit nur so funktionieren.“

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