Düsseldorf. Am Campus der Uni Düsseldorf gibt es seit zwei Wochen ein Palästina-Protestcamp. Die jüdische Gemeinde verurteilt das in einem offenen Brief.

Seit Mai bildeten sich anlässlich des anhaltenden Krieges im Gazastreifen an mehreren deutschen Unis pro-palästinensische Protestcamps – ähnlich denen in den USA. Schon rund zwei Wochen lang gibt es ein solches Camp auch an der Heinrich-Heine-Universität (HHU) Düsseldorf. Die jüdische Gemeinde Düsseldorf verurteilt das kürzlich entstandene Zeltlager jetzt in einem offenen Brief – und fordert „sehr deutliche Maßnahmen“ dagegen.

Camp-Bewohner geben keine Kommentare

15 Zelte stehen auf einer Wiese zwischen einem Trakt der naturwissenschaftlichen Fakultät und dem Campus-Buchladen. Palästinensische Flaggen hängen an einer gespannten Leine, verschiedene Banner sind ringsrum um das Camp der „Students against Occupation Düsseldorf“ („Studenten gegen Besatzung“) angebracht. Auf Englisch steht darauf unter anderem „Lang lebe Widerstand“ und „Antizionismus ist kein Antisemitismus“ (Übersetzungen des Autors).

Gegenüber der NRZ wollen die Protestierenden sich nicht äußern, zuvor gaben sie auch anderen Medien keinen Kommentar. Nach außen kommuniziert die Gruppe über die Instagram-Seite „studentengegenbesatzung_dus“, laut Beschreibung der offizielle Account des Camps. Hier ist ein tägliches Programm zu finden, zu dem neben Seminaren etwa auch Treffen für Henna-Bemalung zählen. Auch ihre Forderungen teilt die Gruppe auf Instagram mit.

Dazu zählt etwa die Forderung, „diplomatische, akademische und finanzielle Unterstützung für Israel“ zu beenden und „den Genozid in Gaza öffentlich anerkennen“. Ein Genozid wird Israel unter anderem vom Staat Südafrika in einer laufenden Klage vor dem Internationalen Gerichtshof vorgeworfen, ein Urteil steht aus.

Von der Universität wird durch das Protestcamp unter anderem verlangt, sie solle „finanzielle und akademische Verbindungen mit Israel“ offenlegen und Verantwortung für „ihre Rolle in imperialen Projekten“ übernehmen. Das Camp ist bei der Polizei als Versammlung angemeldet, eine Gruppe von Beamten ist rund um die Uhr in Sichtweite mit einem Polizeibus präsent. Ursprünglich sollte das Camp bereits am vergangenen Sonntag enden, dann kündigten die Organisatoren eine Verlängerung an – bis Ende des Monats.

Jüdische Gemeinde bewertet Protestcamp als klar antisemitisch

Die jüdische Gemeinde Düsseldorf kommentiert die Situation in einem offenen Brief: „Es macht uns fassungslos, dass es seit nun mehr zwei Wochen möglich ist, auf dem Campus der Heinrich-Heine-Universität, dessen Namensgeber ein Düsseldorfer Jude war, ein antiisraelisches Protestcamp umzusetzen.“ Im Protest-Camp werde das Existenzrecht Israels verneint und der Terror gegen Israel relativiert.

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„Mit dem roten Dreieck, das die Unterstützung und Solidarität mit den Terroristen der Hamas zeigt und mit Sätzen wie ‚Widerstand in Palästina ehren‘ und ‚Widerstand ist Gerechtigkeit, Menschen werden dort besetzt‘ entlarvt sich das Protest-Camp und ihre Mitglieder als eindeutig antisemitisch.“ Das auf der Spitze stehende „rote Dreieck“ war zuletzt im Kontext von pro-palästinensischen Protesten aufgetaucht und ähnelt optisch dem Dreieck auf der palästinensischen Flagge. Mehreren Experten zufolge handelt es sich dabei allerdings um ein Symbol der Terrororganisation Hamas, die damit in Propagandavideos Angriffsziele markiert. Zusätzlich erinnert es auch an ein Symbol aus der NS-Zeit. Im Protestcamp an der HHU war das Dreieck zeitweise auf Bannern zu sehen, wie verschiedene Fotos nachvollziehen lassen.

Mitglieder des Camps hätten außerdem Bilder der israelischen Geiseln beschmiert und abgerissen sowie beabsichtigt, stattdessen Bilder von Terroristen aufzuhängen, heißt es in dem offenen Brief weiter. Zu den Forderungen des Camps, die auf Instagram zu lesen sind, zählt, ein großes „Bring them Home“-Banner, das Bilder von entführten Israelis zeigt, vom einer Wand auf dem Campus zu entfernen. Ersetzt werden solle es, so die Forderung, durch eines, das „die Märtyrer von Gaza ehrt“.

„Eine Schande für Düsseldorf“

Die Jüdische Gemeinde ordnet das Camp in den Kontext gestiegener Judenfeindlichkeit ein: Seit dem 7. Oktober 2023, dem Datum des Überfalls der Hamas auf Israelisches Staatsgebiet, habe sich die Lebensrealität von Jüdinnen und Juden grundlegend verändert: „Antisemitische Vorfälle nehmen gravierend zu, offener Judenhass findet auf deutschen Straßen statt – offen und direkt“, so die Gemeinde. Konsequenzen habe es dagegen bisher keine gegeben. Gemeindemitglieder seien vor diesem Hintergrund dazu übergegangen, jüdische Symbole zu verstecken.

„Das Recht der Versammlungs- und Meinungsfreiheit hört da auf, wo Ausgrenzung anderer und Antisemitismus anfängt“, betont die Gemeinde. „Diese Camps sind deutlich antisemitisch und deshalb zu verurteilen.“ Und weiter: „Jüdische Studierende spüren eine reale Bedrohung, Angst und Unsicherheit.“ Die Gemeinde spricht hierbei von einer „Schande für Düsseldorf“ und fordert „härtere Maßnahmen“.

Uni-Leitung: „Wir haben keinerlei Handhabe, das Camp zu untersagen“

„Wir distanzieren uns in aller Entschiedenheit von diesem Protestcamp und von nur im Ansatz antisemitischen Inhalten aus dem Umfeld des Camps und seiner Aktivisten“, so die Universität auf Anfrage der NRZ. „Wir können die Ausführungen in dem offenen Brief nachvollziehen und wir haben großes Verständnis für die Angst und Unsicherheit der jüdischen Studierenden“, teilt Uni-Sprecher Achim Zolke mit.

Verbieten könne die HHU das Camp jedoch nicht: „Wir haben keinerlei Handhabe, das Camp zu untersagen, da es sich im öffentlichen Verkehrsraum befindet. Unser Hausrecht können wir nur in unseren Gebäuden durchsetzen“, so der Sprecher.

Die Uni-Leitung tue alles, um die Sicherheit auf dem Campus zu gewährleisten, habe dazu den Kontakt mit der Polizei intensiviert und das Aufgebot von Sicherheitskräften verstärkt, erklärt Zolke weiter. Alle antisemitischen und rassistischen Vergehen, über die die Uni in der Vergangenheit Kenntnis erlangt habe, habe man angezeigt. Und: „Alle Spruchbänder, die nicht offensichtlich harmlos sind, haben wir der Polizei schriftlich und auch vor Ort in persönlichen Gesprächen gemeldet. Dankenswerterweise sind die auf unserem Campus im Einsatz befindlichen PolizistInnen gut geschult und entfernen solche Transparente nach unserer Beobachtung stets zuverlässig und zeitnah.“

Polizeisprecher André Hartwich bestätigt den engen Austausch mit der HHU ebenso wie, dass mehrere Banner abgehangen wurden, bei denen der Anfangsverdacht der Volksverhetzung bestand. In diesen Fällen finden demnach nun Ermittlungen statt, die Personalien der Verantwortlichen wurden aufgenommen. Informationen über die genauen Banner teilten weder die HHU noch die Polizei mit.

Hochschul-Politik distanziert sich

Die beiden größten hochschulpolitische Listen an der HHU, die Juso Hochschulgruppe und Campus Grün, positionierten sich schon wenige Tage nach der Camp-Gründung mit einem längeren Statement auf Instagram: „Wir, als Studierende der HHU, blicken mit großen Bedenken auf die von dem seit Sonntag bestehenden Protestcamp der Gruppe ‚Studenten gegen Besatzung Düsseldorf‘ verbreiteten antisemitischen Narrative vor Ort und auf den entsprechenden Social-Media-Kanälen“, heißt es darin unter anderem.

„Die Solidarität mit dem humanitären Leid der Zivilbevölkerung muss einen Raum haben, aber das Camp geht weit über diese Solidarität hinaus und ist antisemitisch“, so die beiden Listen. Antisemitische Haltungen machen die Hochschul-Listen in ihrem Statement ähnlich wie die Jüdische Gemeinde insbesondere an den Inhalten der Banner aus. Dass Israel das Existenzrecht abgesprochen werde, habe auf dem Campus keinen Platz, so die Listen. Die Forderung nach einem Ende der Verpflichtung gegen Antisemitismus sei dabei „absurd und gefährlich“, erklären Jusos und Campus Grün, die Behauptung einer „hyper-zionistischen Position“ noch realitätsferner.

Die Teilnehmer des Camps seien mehrheitlich keine Angehörigen der HHU, urteilen die beiden Listen – eine Einschätzung, der auch die Uni-Leitung zustimmt. Zumindest zum Teil gehe man davon aus, dass es sich dabei um externe Aktivisten handelt und könne nicht bestätigen, dass die Initiatoren Studierende der HHU sind, so Uni-Sprecher Zolke. In der Eigendarstellung des Camps auf Instagram handelt es sich um eine Kooperation von Studierenden der HHU und der Hochschule Düsseldorf (HSD).

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