Voerde. In Friedrichsfeld halten dank des provisorischen Bahnhofs seit kurzem wieder Züge. Doch es gibt dort noch Luft nach oben. Was die Bahn dazu sagt.
Mit wenigen Minuten Verspätung fährt der RE 5 in Richtung Norden an diesem Dienstagmorgen auf Gleis 4 im Dinslakener Bahnhof ein. Nur noch zwei Stationen und der Regionalexpress macht sich schon wieder auf den Rückweg zum Koblenzer Hauptbahnhof. Bis nach Wesel, wie regulär üblich, fährt der RE 5 für eine sehr lange Zeit nicht mehr – im Voerder Stadtteil Friedrichsfeld endet die Fahrt und beginnt sie in die Gegenrichtung auch wieder. Das Gleiche gilt für den RE 49 (Wesel-Wuppertal).
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Hintergrund ist der dreigleisige Ausbau der Betuwe-Strecke Emmerich-Oberhausen. Die Deutsche Bahn spricht von der „intensivsten“ Phase des gesamten Projektes, die am 1. November 2024 begonnen hat und bis zum 17. Mai 2026 laufen soll. Damit einher gehen massive Einschränkungen im Zugverkehr mit insgesamt 80 Wochen Sperrpause: Zirka 30 Prozent der 19-monatigen Bauzeit ist die Bahnlinie zwischen Emmerich und Oberhausen voll gesperrt, dann fährt kein Zug, nur Schienenersatz. Zum überwiegenden Teil (mehr als 70 Prozent der Bauzeit) greift eine Teilsperrung, dann wird die Strecke auf dem rund 3,5 Kilometer langen Abschnitt zwischen Voerde-Friedrichsfeld und Wesel nur eingleisig befahren.
Dies ist, unterbrochen und gefolgt von mehrwöchigen Vollsperrungen, bis zum 19. April 2026 der Fall – und die aktuelle Situation: Seit Sonntag (15. Dezember) können Fahrgäste nun wieder mit dem Zug nach Friedrichsfeld fahren und von dort aus über die Schiene in Fahrtrichtung Koblenz oder Wuppertal starten. Allerdings ist dies nicht über den regulären Bahnhof im Ortszentrum an der Poststraße möglich. Die Deutsche Bahn hat den Haltepunkt etwa einen Kilometer weiter gen Süden in das Gewerbegebiet „Am Industriepark“ verlegt. Sieben Minuten dauert die Fahrt vom Dinslakener Bahnhof dorthin. Mit vier Minuten Verspätung trifft der RE 5 am Dienstagmorgen um 9.50 Uhr ein. Vom Bahnsteig aus sind 48 Betonstufen zum neun Meter hohen Übergang zu nehmen, der am Ende zur Treppenanlage hinunter zum Park&Ride-Parkplatz führt. Die Höhe der Überführung ergebe sich aus den notwendigen Abständen zur Oberleitung, erläutert eine Bahnsprecherin auf NRZ-Anfrage.
Dass es weiter hinten am Bahnsteig in Richtung Norden einen Aufzug gibt, das erschließt sich nicht auf Anhieb. Es fehlen nicht nur dort, sondern auch auf der anderen Seite Hinweisschilder auf die Existenz eines Fahrstuhls. Hildegard Krause, die gerade mit dem Schienenersatzverkehr (SEV) aus Wesel in Friedrichsfeld angekommen ist, um weiter nach Schleswig zu fahren, ist mit einer Reisetasche und einem Trolley schwer beladen. Wir machen sie auf den Fahrstuhl aufmerksam. Die Treppe hat über 50 Stufen. „Das hätte ich nicht geschafft“, sagt Hildegard Krause. Wer auf einen Rollstuhl angewiesen ist, kann den provisorischen Bahnhof in Friedrichsfeld nur nutzen, wenn beide Fahrstühle funktionieren. Die hohe Treppenanlage stellt für schwer geheingeschränkte Menschen ein unüberwindbares Hindernis dar. Insofern können betroffene Bahnreisende nur hoffen, dass keiner der beiden Aufzüge ausfällt.
Provisorischer Bahnhof Friedrichsfeld: Hinweisschilder auf SEV und Aufzüge fehlen
Für Menschen mit Höhenangst wie Samantha Jonitz ist die Konstruktion zudem nicht optimal. Zwar sind die Löcher in den Stufen der Treppenanlage, die Bahnreisende vom Park&Ride-Parkplatz kommend in Richtung Bahnsteig nehmen, blickdicht, dennoch könnte dem einen oder anderen beim Betreten mulmig werden. Darüber hinaus ist das Geländer auf beiden Seiten nicht mit einem Sichtschutz versehen. Anders sieht die Sache immerhin bei der Treppe aus, über die es hinunter zum Bahnsteig geht.
Wer dort ankommt und weiter Richtung Wesel will, der muss in den Bus umsteigen. Bei einigen Fahrgästen herrscht Verwirrung, wie es weiter geht, wo sie hin müssen. Wegweiser am Bahnsteig oder auch im weiteren Verlauf in Höhe des Park&Ride-Parkplatzes sucht man auch in diesem Fall vergebens. Da es rechts von dem Gelände kein Durchkommen gibt, erschließt sich die richtige Richtung beim Verlassen des Grundstücks dann von selbst.
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In der Wendeschleife dort finden sich denn auch die Haltestellen für den Schienenersatzverkehr. Auch fehlt bisher eine offizielle Abstellmöglichkeit für Fahrräder. Einige Drahtesel sind an einem Bauzaun festgemacht. Die Fahrradabstellplätze seien „aktuell bereits in Planung“, erklärt die Bahnsprecherin. Auch versichert sie, dass an der Fahrgastinformation am Haltepunkt gearbeitet werde: „Vor Ort sollen zeitnah Vitrinen aufgestellt werden. Auch die Wegeleitung zum Schienenersatzverkehr sowie zu den Aufzügen soll noch nachgebessert werden.“
Dass der nahtlose Anschluss an die in Friedrichsfeld abfahrenden Züge keine Selbstverständlichkeit ist, müssen an jenem Morgen Hildegard Krause und Samantha Jonitz erleben. Beide kommen mit dem SEV-Bus aus Wesel verspätet an der Haltestelle „Am Industriepark“ an. Den RE 5 verpassen beide, der nächste Zug (RE 49) soll etwa eine Viertelstunde später einfahren. Samantha Jonitz will sich mit ihrer Oma treffen, die Großmutter muss nun in Oberhausen auf ihre Enkelin warten. Die 30-Jährige findet es schade, dass der provisorische Bahnhof in Friedrichsfeld nicht so zentral gelegen ist wie der reguläre. Mit dieser Meinung steht sie auch nicht alleine da.
Hintergrund
Die Errichtung des provisorischen Haltepunkts im Gewerbegebiet „Am Industriepark“ hängt mit dem Umbau des regulären Bahnhofs in Friedrichsfeld zusammen, der deshalb nicht angefahren werden kann. Der Mittelbahnsteig entfällt und die Fahrgäste werden künftig über zwei Außenbahnsteige ein- und aussteigen. Die Gleise werden künftig über eine Rampenanlage und über Aufzüge erreichbar sein. Für den Einbau von Fahrstühlen hatte die Stadt Voerde lange gekämpft. Die Deutsche Bahn hatte ursprünglich an dem Bahnhof nur eine etwa 150 Meter lange Rampe als Zugang hinauf zu den Gleisen geplant und lange auf diese Lösung bestanden.
Ein weiterer Punkt ist der Neubau der Eisenbahnbrücke über den Wesel-Datteln-Kanal. Das Bauwerk muss für den darunter herführenden Schiffsverkehr um 1,50 Meter angehoben werden. Dies wiederum wirkt sich auf den nahe gelegenen Bahnhof aus, der aufgrund dessen entsprechend erhöht werden muss.
Dass der alte Haltepunkt umgebaut wird, findet Samantha Jonitz aber gut und „mehr als nötig“. Schließlich gebe es dort keinen Aufzug. Das sei null behindertengerecht. „Das ist nicht der schönste Bahnhof, der kann nur besser werden“, findet auch Robin, der nicht weit von dem Interimsbahnhof in Friedrichsfeld entfernt wohnt. Samantha Jonitz befürwortet die Ausbauarbeiten entlang der Zugstrecke – und verbindet mit der Fertigstellung nicht zuletzt die Hoffnung, dass es in Zukunft „weniger Verspätungen gibt“...