Voerde. Der Wasserstoff-Plan auf dem alten Voerder Kraftwerksareal bringt Eingriffe in die Natur mit sich. Kritik an Ausgleich auch außerhalb der Stadt.

Eine weitere Runde muss die Stadt im Planverfahren einlegen, mit dem die Weichen für das Wasserstoffvorhaben von RWE auf dem Gelände des stillgelegten Steinkohlekraftwerks in Möllen gestellt werden. Vor anderthalb Jahren hatte der Rat grünes Licht dafür gegeben, die 81. Änderung des Flächennutzungsplans und die Erarbeitung des neuen Bebauungsplans 150 „Energiepark Voerde“ in die Wege zu leiten. Ende September 2023 erfolgte dazu die frühzeitige Bürgerbeteiligung in Form eines Infoabends mit Vorträgen verschiedener Gutachter über die Auswirkungen der von RWE geplanten Folgenutzung des Geländes. Nun, ein Dreivierteljahr später, muss der Stadtratsbeschluss von Dezember 2022 aufgehoben und ein neuer getroffen werden.

Stadt Voerde muss für die Umsetzung des Vorhabens zunächst Baurecht schaffen

Der Grund dafür liegt im neuen Regionalplan Ruhr, der im Frühjahr 2024 Rechtskraft erlangt hat und Anpassungen bei den Planungen erforderlich macht. Der Stadtentwicklungsausschuss empfahl dem Stadtrat nun einstimmig, ohne Enthaltungen, den Schritt zurück im Verfahren, mit dessen Abschluss und Bestätigung durch das Kommunalparlament am Ende Baurecht für das RWE-Vorhaben geschaffen wird. Das gleiche Votum gab am Dienstag der Haupt- und Finanzausschuss ab. Das letzte Wort hat am 2. Juli der Stadtrat.

RWE will auf dem Gelände bekanntlich nach derzeitigem Stand „Anlagen zur Erzeugung von Wasserstoff (Elektrolyseur), zur Stromspeicherung sowie ein dekarbonisierungsfähiges Gaskraftwerk (H2-ready) auf der Basis von Erdgas sowie perspektivisch Wasserstoff errichten“, wie die Stadtverwaltung das Projekt in der Beschlussvorlage für die Politik beschreibt. Bauplanungsrechtlich ist dies aktuell nicht möglich. Dafür muss ein neuer Bebauungsplan aufgestellt und parallel der Flächennutzungsplan angepasst werden. Eine Investitionsentscheidung für sein Wasserstoffprojekt hat der Energiekonzern, wie berichtet, nach wie vor noch nicht getroffen.

Die bei dem Bürgerinfoabend im September vergangenen Jahres vorgebrachten Anregungen hätten insgesamt nicht zu einer Änderung des Bebauungsplan-Vorentwurfs geführt, bilanziert die Verwaltung. In den Vorträgen der Gutachter, von denen einige jetzt erneut im Stadtentwicklungsausschuss sprachen und keiner Bedenken gegen das Vorhaben äußerte, ging es um Verkehrsaufkommen, Lärm durch Gewerbe und Verkehr, Artenschutz, Luftschadstoffe oder Gewässerverträglichkeit. Zum Gewerbelärm etwa hieß es damals, dass dieser geringer sein werde gegenüber dem, „was früher planungsrechtlich erlaubt war“. Insgesamt sei das Fazit gezogen worden, „dass auch künftig für die Bürgerinnen und Bürger gesunde Wohnverhältnisse gewahrt bleiben“, so die Stadtverwaltung.

Als unvermeidbar und in der Abwägung als „sachgerecht“ wurde der Verlust einer Streuobstwiese eingestuft, nach deren möglichem Erhalt bei der Bürgerinfo gefragt worden war. Der Bereich wäre aufgrund des derzeit rechtskräftigen Bebauungsplans bereits heute bebaubar und die hohen Flächenbedarfe für den geplanten Energiepark würden einen Erhalt nicht ermöglichen, wurde argumentiert. Es finde eine Kompensation statt. Zugleich bringe der am Standort geplante Energiepark im Rahmen der Stadtentwicklung einen Mehrwert für Voerde – etwa in Form von weiteren Arbeitsplätzen – durch die Ansiedlung von wasserstoffaffinem Gewerbe.

Für den Wasserstoffplan muss auch eine Streuobstwiese weichen

Der Verlust von landwirtschaftlichen Flächen wie nicht nur der Streuobstwiese, die auch als Weidefläche genutzt werde, rief Ingo Hülser im Stadtentwicklungsausschuss auf den Plan. Der CDU-Fraktionschef verwies auf den aus seiner Sicht bestehenden grundsätzlichen Widerspruch zwischen Willensbekundungen und Praxis: „Wir wollen landwirtschaftliche Flächen schützen“, doch ungeachtet dessen würden immer weitere in Anspruch genommen. Hülser, selbst Landwirt, führt im Gespräch mit der NRZ die im Zuge des RWE-Wasserstoffvorhabens geplanten Ausgleichsmaßnahmen an. Diese erfolgen in Voerde auch auf landwirtschaftlichen Flächen – an der Ahrstraße und an der Frankfurter Straße. Beide befänden sich im Besitz von RWE.

Aber auch außerhalb des Stadtgebietes setzt der Essener Energiekonzern das Erfordernis um, Eingriffe in die Natur zu kompensieren: auf einem in seinem Besitz befindlichen, etwa 0,6 Hektar großen Grundstück in Kamp-Lintfort. Aus Sicht des Eigentümers sei dies nachvollziehbar – und „rechtlich völlig in Ordnung“, meint Hülser. Voerde, auf dessen Gebiet der Eingriff geschieht, hat davon jedoch nichts. Dabei soll gemäß dem in Arbeit befindlichen Grünflächenentwicklungskonzept ein Waldbereich in Richtung Bucholtwelmen entwickelt werden, wie Hülser erklärt. Zwar werde auch dafür eine landwirtschaftliche Fläche in Anspruch genommen, aber wenn diese Entwicklung so gewollt sei, fragt er sich, warum der Waldersatz nicht dort statt in Kamp-Lintfort realisiert wird.