Berlin. Ein neues Gesetz gibt der Deutschen Post mehr Freiraum bei der Briefzustellung. Worauf sich Verbraucher künftig einstellen müssen.
- Das Postgesetz wird reformiert
- Für das Unternehmen bringt das einige Vorteile
- Doch die Briefzustellung könnte künftig länger dauern
Mehr Zeit für die Briefzustellung, ein besserer Arbeitsschutz für Paketboten und erstmals Sanktionsmöglichkeiten für die Bundesnetzagentur: Die Reform des veralteten Postgesetzes kommt in die Gänge. Die noch aus den 1990er-Jahren stammenden Regeln sollen der veränderten Nachfrage im Internetzeitalter angepasst werden. Bundesregierung und Bundestag haben sich bereits geeinigt, an diesem Freitag stimmt noch der Bundesrat ab. Was die Deutsche Post davon hält und welche Folgen auf die Verbraucherinnen und Verbraucher zukommen könnten. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Warum braucht es ein neues Postgesetz?
Weil das alte als nicht mehr zeitgemäß angesehen wird. Das ursprüngliche Postgesetz stammt aus den 1990er-Jahren. Kommuniziert wurde per Brief, Fax und Telefon. Neuere Entwicklungen wie die heutige Bedeutung von E-Mails und das zuletzt stark gestiegene Paketaufkommen konnten die Macher von damals nicht ahnen. Ebenso nicht die wegen der stärkeren digitalen Kommunikation gesunkene Briefmenge. Das setzt vor allem die Deutsche Post unter Druck, die das Aufrechterhalten des Zustellnetzes mit immer weniger Briefsendungen finanzieren muss.
Was soll sich ändern?
Unter anderem soll die Post mehr Zeit für die Briefzustellung bekommen. Bisher muss sie mindestens 80 Prozent der Briefe am folgenden Werktag zustellen. Diese Quote soll entfallen. Künftig soll sich die Vorgabe erst auf den dritten Werktag nach dem Einwurf beziehen – dann sollen 95 Prozent der sogenannten Standardbriefe angekommen sein. Am vierten Werktag soll der Anteil der Briefe, die beim Empfänger sind, bei 99 Prozent liegen.
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Darüber hinaus sieht das Bundeswirtschaftsministerium mit den neuen Vorgaben auch die Möglichkeit für die Anbieter, künftig auf klimaschädliche Nachtflüge innerhalb Deutschlands verzichten zu können, so das Haus von Minister Robert Habeck (Grüne).
Was sagen Sozialvertreter dazu?
Die Postnovelle sei ein klares Zeichen dafür, dass überall Fach- und Arbeitskräfte fehlten, sagte die Vorstandsvorsitzende des Sozialverbands Deutschland (SoVD), Michaela Engelmeier, dieser Redaktion. Nachteile sehe sie für Senioren. „Wir sind besorgt, dass gerade ältere Menschen damit noch mehr von gesellschaftlicher Teilhabe abgeschnitten sein werden, denn sie können oft nicht auf digitale Formate ausweichen. Und klar muss auch sein, dass überall da, wo Fristen eingehalten werden müssen, die längere Zustelldauer berücksichtigt werden muss“, so Engelmeier.
„Wir sind besorgt, dass gerade ältere Menschen damit noch mehr von gesellschaftlicher Teilhabe abgeschnitten sein werden, denn sie können oft nicht auf digitale Formate ausweichen.“
Änderungen könnte es auch bei Annahmestellen geben. Heute schon erfüllen Kioske oder Supermärkte diese Funktion. Künftig könnte die Post stärker auf digitale Lösungen setzen, etwa automatisierte Stationen, die Brief- und Paketdienstleistungen anbieten.
Und was ist mit dem Porto?
Anfang 2025 steht die nächste Portoerhöhung an. Die Post hatte eigentlich schon für 2024 eine vorzeitige Anhebung bei der Bundesnetzagentur beantragt, war damit jedoch gescheitert. Die Novelle enthält laut Bundeswirtschaftsministerium „keine Regelungen zu konkreten zukünftigen Preisen oder Preisänderungen – genauso wenig wie das aktuelle Gesetz.“ Innerhalb der Koalitionsfraktionen wünscht man sich eine Deckelung für den Standardbrief bei einem Euro. Derzeit sind es 85 Cent.
Was ist, wenn die Post nicht kommt?
Dann räumt die Novelle, die sich nun in Abstimmung mit anderen Bundesministerien befindet, Sanktionen gegenüber Post-Dienstleistern ein. Zuständig, die Strafen gegenüber Anbietern durchzusetzen, wäre die Bundesnetzagentur. Dort äußert man sich zufrieden. Bei Qualitätsmängeln soll es künftig möglich sein, konkrete Anordnungen zu treffen sowie Zwangsgelder oder Bußgelder zu verhängen. „Wir begrüßen die Möglichkeit, Mängeln zum Beispiel bei der Postlieferung mit schärferen Sanktionen zu begegnen. Damit könnten wir den betroffenen Verbraucherinnen und Verbrauchern endlich effektiver helfen, wenn der Bundestag das so entscheidet. Das haben wir uns schon lange gewünscht“, sagte der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, dieser Redaktion.
Das Bundeswirtschaftsministerium hält mehr Befugnisse für die Bundesnetzagentur für nötig. Die Behörde bekomme „die von ihr im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher geforderten ‚Zähne‘“, heißt es. Hintergrund dafür ist die stark gestiegene Anzahl der Beschwerden über die Zustellung. Laut Bundesnetzagentur gingen im vergangenen Jahr rund 43.500 Beschwerden und damit fast dreimal so viele wie 2021 ein. Die Beschwerden richten sich gegen die ganze deutsche Brief- und Paketbranche, die meisten Wortmeldungen über verspätete oder verlorene Sendungen beziehen sich aber auf die Deutsche Post. Das Unternehmen begründete die Verzögerungen in der Zustellung immer wieder mit einem hohen Krankenstand und fehlendem Personal.
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Die Höhe künftig möglicher Sanktionen ist noch nicht klar. Laut Entwurf sind Strafen von bis zu einer Million Euro möglich. Den Formulierungen der Novelle zufolge könnten Postdienstleister aber auch härter sanktioniert werden. Als Geldbuße könnten demnach sogar bis zu zwei Prozent des durchschnittlichen Jahresumsatzes fällig werden. Unklar ist, welche Strafen sich auf die Zustellung beziehen könnten.
Was sagt die Post dazu?
Der Bonner Konzern sieht in dem neuen Gesetz Licht und Schatten. Der Entwurf erkenne einige Realitäten des Postmarktes an. Die bald anziehende Regulierung sieht das Unternehmen aber kritisch. „Wettbewerb in einem schrumpfenden Briefmarkt mit der Brechstange durchsetzen zu wollen, hat sich in keinem anderen EU-Staat bewährt, sondern im Gegenteil zu höheren Preisen, schlechterer Qualität und schlechteren Arbeitsbedingungen geführt“, sagte ein Sprecher. Man könne derzeit noch nicht im Detail bewerten, ob der Entwurf die Voraussetzung für einen wirtschaftlich tragfähigen postalischen Universaldienst biete.
Was ändert sich für Paketboten?
Das Bundeswirtschaftsministerium will Dienstleister wie die Post dazu verpflichten, Arbeitsbedingungen bei eingesetzten Sub-Unternehmen zu überprüfen. Auftraggeber haben dem Novellenentwurf zufolge künftig die Verantwortung über alle Subunternehmerstufen. Sanktionen drohen, sollte dort gegen gesetzliche Vorgaben verstoßen werden.
Neue Vorschriften gibt es auch für schwere Pakete. Mehr als zehn Kilogramm schwere Sendungen müssen künftig gekennzeichnet werden. Pakete ab 20 Kilogramm Gewicht sollen dem Entwurf zufolge von zwei Boten ausgetragen werden müssen. Alternativ können Anbieter auch technische Hilfsmittel wie eine Sackkarre bereitstellen. Verdi hält das für nicht ausreichend, fordert bei schweren Sendungen die Zwei-Personen-Zustellung als Pflicht.
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