Hamburg. „Hoch automatisierter“ Hangar für A321XLR ist größer als ein Fußballplatz. Tschentscher verbindet eine große Hoffnung mit dem Flieger.
Der mächtige Flugzeugrumpf hängt an Seilen eines Krans unter dem Dach der riesigen neuen Halle 259 bei Airbus auf Finkenwerder. Dann drückt ein Quartett um Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und Airbus-Manager André Walter den obligatorischen roten Knopf.
Musik ertönt, der grüne Aluminiumrumpf wird abwechselnd in verschiedenfarbiges Licht gehüllt und senkt sich ab. Nach etwa einer Minute hat er seinen Platz im sogenannten Taktgestell erreicht. Jetzt könnte an ihm gewerkelt werden – doch das wird noch drei bis vier Wochen dauern.
Airbus weiht neue Halle für Hoffnungsjet A321XLR ein
Der DAX-Konzern hat am Mittwoch seine neue Produktionshalle für den A321XLR eingeweiht. Sie ist 120 Meter lang sowie 80 Meter breit und damit größer als ein Standard-Fußballplatz. Damit sie stabil auf dem Inselgelände steht, mussten 725 Pfähle in den Untergrund geschlagen werden, 2500 Tonnen Stahlbeton wurden verbaut.
„Eine neue Halle für ein neues Programm. Das ist ein ganz toller Schritt für uns“, sagt Walter, der Chef der zivilen Flugzeugproduktion von Airbus in Deutschland ist, vor 200 geladenen Gästen. Die Entscheidung für das Investment – dessen Höhe er nicht nennt, aber „signifikant“ sei – fiel mitten in der Pandemie 2020. Als der A321XLR als der ideale Jet angepriesen wurde, um aus der Corona-Krise zu fliegen.
Neuer Hangar ist größer als ein Fußballplatz
Denn dank eines 13.100 Liter fassenden Zusatztanks im Frachtraum kann der A321XLR bis zu 8700 Kilometer nonstop fliegen. Das ermöglicht dem einst für Mittelstrecken konzipierten Jet Einsätze auf der Langstrecke. Auf denen wird eine Erholung nach dem covid-19-bedingten Passagiereinbruch langsamer erwartet als auf Mittelstrecken.
Für Fluggesellschaften könnten so neue Routen über den Atlantik wie von Hamburg nach New York oder Chicago attraktiv werden oder gen Asien wie Mumbai. In der Branche wird das in Hamburg entwickelte Flugzeug als „Gamechanger“ gesehen – und diese Hoffnung verbindet auch der Bürgermeister mit ihm.
Bürgermeister hofft auf neue Langstreckenverbindungen ab Hamburg
Der Jet habe das Potenzial, die Anbindung der Hansestadt an die Welt zu verändern, so Tschentscher: „Wir erhoffen uns, wenn dieser Flieger am Markt ist, dass Direktverbindungen von Hamburg in die USA, nach Asien, nach China möglich werden.“ Darauf fiebere die gesamte norddeutsche Wirtschaft hin.
Im Oktober 2018 strich United Airlines den einzigen Transatlantikflug Fuhlsbüttels nach New York-Newark. Auch Shanghai stand bis vor zehn Jahren mal als Direktziel (via Frankfurt) im Flugplan. Letztlich sollen sich beide Strecken für die Airlines nicht gerechnet haben. Sprich: Die eingesetzten Großraumjets wurden nicht ausreichend gefüllt. Die Hoffnung: Mit dem kleineren A321 könnten Verbindungen zwischen Städten der zweiten Reihe schon mit weniger Passagieren rentabel sein.
Airbus hat für den A321XLR fast 570 Bestellungen
Für den A321XLR liegen fast 570 Bestellungen von 27 Kunden weltweit vor. Die ersten drei A321XLR befinden sich in der Testphase. Die Zulassung durch die europäische Luftaufsichtsbehörde Easa steht zwar noch aus, aber Walter rechnet nicht mit Verzögerungen. Die Indienststellung ist für das zweite Quartal 2024 geplant.
Airbus preist den Flieger auch wegen seines deutlich niedrigeren Spritverbrauchs an. Im Vergleich zu Konkurrenzflugzeugen der vorherigen Generation – gemeint sein dürfte vor allem die Boeing 757 – sei der Kerosinbedarf pro Sitz um 30 Prozent geringer.
Anna Christmann, die auch den roten Knopf drücken durfte, war voll des Lobes über den neuen Flieger. „Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass das effizienteste Flugzeug der Welt in Hamburg gebaut wird“, sagte die Koordinatorin der Bundesregierung für die Deutsche Luft- und Raumfahrt in ihrer Ansprache. Man könne dank Technologie immer besser werden. Das werde in Hamburg mit dem neuen A321XLR gezeigt.
Airbus: Neuer Hangar ist voller moderner Technologie
Die Fertigung des A321XLR verläuft an der Elbe in drei Phasen. In der Halle 260 für die Strukturmontage wird mit dem Zusatztank das Herzstück des neuen Fliegers eingebaut. Im Anschluss kommt der Rumpf in die benachbarte, 9600 Quadratmeter große Halle 259, die eine 3000 Quadratmeter große Photovoltaikanlage auf dem Dach hat. In der Ausrüstungsmontage werden von 400 Mitarbeitern Rohre, Kabel, Sicherungen und Isolierungen montiert.
Bei der Gestaltung der Arbeitsplätze durften die Mitarbeiter ein Wörtchen mitreden. Der Hangar sei hochautomatisiert, vor allem in der Logistik. Die Teile werden per Tablet geordert. „Der Mitarbeiter kann abrufen, was er braucht – und zack: Kommt die Kiste hochgefahren und ist automatisch am Arbeitsplatz“, sagt Walter. Roboter könnten in der Ausrüstungsmontage nicht wirtschaftlich eingesetzt werden. „Dafür ist diese Arbeit zu individuell. Das machen die Mitarbeiter viel, viel besser“, so Walter. Automatische Werkzeuge helfen ihnen.
Rumpfabschnitt macht an acht Stationen in der Halle Halt
Die fast 24 Meter langen Rumpf-Bauteile machen auf einer automatisierten „Pulse-Line” an acht Stationen Halt. Dort erhalten sie weitere Elemente wie Fenster, Fußbodenplatten und Außenantennen. Anfangs sollen die Arbeiten zwei Wochen dauern, perspektivisch soll die Durchlaufzeit auf eineinhalb Wochen sinken. Am Ende funktionieren die Systeme für Hydraulik, Strom und Wasser und werden umfangreich getestet.
Im dritten Schritt kommt der Rumpf in die Endmontage. Dort kommen Sitze, Toiletten und Küchen rein, die Flügel werden angebaut – es entsteht also der fertige Flieger. Pi mal Daumen ein halbes Jahr vergehen von den ersten Arbeiten bei Airbus auf Finkenwerder bis zur möglichen Auslieferung an den Kunden.
Die ersten A321XLR werden alle in Hamburg endmontiert
Beim A321XLR werden alle hinteren Rumpfabschnitte in Hamburg ausgerüstet werden. Auch die ersten Flieger für die Airlines werden alle an der Elbe zusammengebaut werden. Perspektivisch können die Jets mit der extralangen Reichweite allerdings auch an den anderen A320-Endmontagelinien in Toulouse (Frankreich), Mobile (USA) und Tianjin (China) zusammengefügt werden.
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Airbus fährt die Fertigung der A320-Familie derzeit hoch. Im Jahr 2026 sollen konzernweit 75 Flieger pro Monat gefertigt werden. Wie viele es derzeit sind, sagt der Konzern nicht. Vermutlich dürften es 50+ sein. Auch wie viele A321XLR künftig pro Monat gebaut werden sollen, ließ Walter offen: „Das hängt vom Abruf der Kunden ab.“ Erste freie Slots für die A320-Familie gibt es im Jahr 2029.
In der neuen Halle 259 werden künftig auch Flieger ohne den Zusatztank ausgerüstet – wie der Rumpf, der unter dem Hallendach hing. Denn er ist für ein LR-Modell vorgesehen, bei der nur ein kleinerer Zusatztank verbaut wird und nicht das 13.100 Liter fassende Frachtraummodell. „Die XLR sind alle in der Produktion“, sagt Walter: „Da können wir im Moment keine Maschine nehmen, die sind schon alle verplant.“