Hamburg. Auf Finkenwerder wird der Jungfernflug des A321XLR gefeiert: Der Jet kann von Hamburg nonstop bis auf die Malediven fliegen.
Nahe der Start- und Landebahn des Airbus-Werksflughafens auf Finkenwerder ist es voll. Mehr als 5000 Mitarbeiter haben am Mittwochvormittag die Einladung ihres Unternehmens genutzt, um sich in ihrer Arbeitszeit einen Erstflug anzuschauen. Auch der Spotterhügel hinter dem Werkszaun ist gut gefüllt. Um 11.05 Uhr rollt das Objekt der Begierde der Luftfahrtenthusiasten und Beschäftigten an. Die Motoren dröhnen. Dann hebt sich der A321XLR das erste Mal in die Luft. Die Maschine fliegt gen Südwesten über Buxtehude und verschwimmt schließlich mit einer dunkelgrauen Wolke am Himmel.
Ein Flug eines A321 gehört normalerweise zu den Routinevorgängen auf dem Werksflughafen an der Elbe – doch was dieses Flugzeug besonders macht, kann man an der Lackierung erkennen. Die Freiheitsstatue und das Kolosseum sind auf der linken Seite draufgemalt, Big Ben und Taj Mahal sind auf der rechten Seite zu sehen. Dazwischen steht „Flying extra long range“. Heißt: Der Flieger kann besonders lange Strecken zurücklegen, dafür steht auch das Kürzel XLR. Ohne Zwischenlandung von New York nach Rom zu fliegen ist damit ebenso möglich wie von London in indische Städte.
Airbus A321XLR eigentlich für kürzere Strecken konzipiert
Der A321XLR ist die neueste Flugzeugversion des Verkaufsschlagers A320-Familie, von denen etwa die Hälfte der Maschinen im Hamburger Werk endmontiert werden. Eigentlich wurden die Flieger für die Kurz- und Mittelstrecke konzipiert. Durch den Einbau eines neuen, 13.000 Liter fassenden Tanks im Frachtraum kann die 44,50 Meter lange Maschine nun aber auch auf der Langstrecke eingesetzt werden.
Die Zulassung macht zwar noch Schwierigkeiten. Aber mit der europäischen Luftaufsichtsbehörde EASA habe man etwa 60 Prozent der Zertifizierung abgeschlossen, sagte Gary O’Donnell, Leiter des A321XLR-Programms.. Man befinde sich noch in einem „natürlichen Entwicklungsprozess“. Wenn die Airlines einen weiteren Zusatztank im vorderen Bereich der Maschine einsetzen, kann der Jet bis zu 8700 Kilometer nonstop fliegen.
Flieger für maximal 240 Passagiere ausgelegt
Es gibt mehr als 500 Bestellungen von mehr als 20 Kunden. Airbus erhofft sich von dem Jet gerade wegen der Corona-Krise gute Absatzchancen. Zwischen 2023 und 2025 wird in der Luftfahrt eine Rückkehr auf das Vor-Corona-Niveau erwartet. Zunächst soll sich das Geschäft auf Kurz- und Mittelstrecken erholen, im Anschluss auf der Langstrecke. Die Hoffnung: Weil der Langstreckenmarkt nur langsam wieder anzieht, kaufen die Airlines dafür den kleinen Flieger, um eine hohe Auslastung und Profitabilität zu erreichen. Topmanager nannten den Flieger daher das perfekte Flugzeug, um aus der Krise zu fliegen.
Maximal 240 Passagiere dürfen an Bord gehen. Weil sie aber mehr als zehn Stunden lang in der engen Röhre an Bord bleiben sollen, dürfte die Zahl der tatsächlich eingebauten Sitze eher im Bereich um die 200 liegen. Ansonsten wird es in der Maschine wegen eines zu geringen Sitzabstandes wohl zu unbequem. Airbus will für mehr Komfort in der Maschine sorgen, indem es sein in Großraumfliegern erprobtes Airspace-Konzept künftig auch in der A320-Familie anwendet.
A321XLR landet nach viereinhalb Stunden wieder
Für Flughäfen der zweiten Reihe eröffnen sich mit dem Jet neue Perspektiven. So beklagt die Hamburger Wirtschaft seit Jahren, dass dem Airport in Fuhlsbüttel Langstreckenverbindungen fehlen. Die Emirates-Verbindung nach Dubai ist die einzige Route der Kategorie, mit einer Flugzeit von gut sechs Stunden aber auch eher eine kurze Langstrecke. Nicht nur die Metropolen an Amerikas Ostküste wären von Fuhlsbüttel aus mit dem Flieger erreichbar. Sogar Kanadas Westküstencity Vancouver wird als mögliches Direktziel angegeben. Oder aber auch Urlaubsdestinationen wie die Malediven, Seychellen, Bahamas oder die Dominikanische Republik könnten ohne Zwischenstopp angesteuert werden.
Nach dem Start in Richtung Buxtehude dreht der A321XLR nach Norden, fliegt einige Schleifen über die Nordsee, bevor es über Minden und Hannover gen Heide geht. Es folgen Abschnitte über Norddeutschland bis Wittenberge und die Lübecker Bucht. Um 15.35 Uhr gibt es einen niedrigen Überflug über dem Werk auf Finkenwerder als Gruß an die Mitarbeiter. Fünf Minuten später landet die Maschine nach gut viereinhalb Stunden Flug auf dem Werksflughafen. Die Airbus-Feuerwehr sorgt für die übliche Wasserfontäne.
Airbus A321XLR: Keine Probleme bei Jungfernflug
Kurz nach 16 Uhr steigt die fünfköpfige Crew aus dem Flieger. „Das war heute ein bewegender Moment für mich“, sagt Frank Hohmeister, der als leitender Flugtestingenieur einziger Deutscher an Bord war. „Es hat Spaß gemacht, den Flieger zu fliegen.“ Man habe einen guten Start mit dem Programm hingelegt. Probleme habe es keine gegeben. Die Systeme liefen einwandfrei, sei es für die Flugsteuerung oder die Spritzufuhr. In dem neuen Tank im Frachtraum waren 2,5 Tonnen Kerosin, die zunächst isoliert waren. Gegen Ende des Fluges wurde der Sprit freigegeben, das Umschalten und Fließen in das Tanksystem habe problemlos geklappt.
„Das Handling ist anders und muss auch noch getunt werden, aber es ist auf jeden Fall sicher, den Flieger zu fliegen“, sagt Hohmeister. Jetzt erfolgen vor allem aus Toulouse weitere Flugtests. Der gesamte erste Flieger ist ebenso wie ein zweiter A321XLR, die alle in Hamburg endmontiert wurden, vollgepackt mit Equipment für Flugtests, beide haben aber Motoren unterschiedlicher Hersteller.
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Der dritte Flieger soll eine volle Kabine erhalten, wie sie später von Airlines genutzt wird. Leicht verzögert soll der erste Flieger statt 2023 Anfang 2024 erstmals in den operativen Betrieb gehen. Für Hohmeister stand zunächst ein geselliger Abend mit Frau und Tochter an. „Ich freue mich, wenn wir heute Abend ein Glas Rotwein trinken zu Hause und den Tag genießen.“