Hamburg. „Sehr ernst“ nehme Airbus die kritische Lage, sagt Guillaume Faury. Triebwerksprobleme könnten ab 2024 die Jahresziele ändern.

Mindestens 600 bereits für Airlines fliegende Airbus-Jets müssen in naher Zukunft zurück in die Werkstätten, weil es Probleme mit den Triebwerken des Herstellers Pratt & Whitney gibt. Guillaume Faury erwartet aber keine Auswirkungen auf die Auslieferungen neuer Flugzeuge in diesem Jahr.

Man habe entsprechende Informationen erhalten, sagte der Airbus-Vorstandsvorsitzende im Gespräch mit Journalisten. „Wir erwarten keine Störungen für die Produktion im Jahr 2023 für uns“, sagte der Franzose und hielt an dem Ziel fest, bis Ende des Jahres rund 720 Maschinen an Kunden zu übergeben.

Airbus-Chef hält Rückruf von 600 Jets für „sehr ernst“

Der Pratt & Whitney-Mutterkonzern Raytheon Technologies hatte am Dienstag bekannt gegeben, dass ein Großteil der bereits ausgelieferten A320neos spätestens in den nächsten neun bis zwölf Monaten in die Werkstätten zurückgerufen werden.

Zuvor hatte der US-Konzern Unregelmäßigkeiten in einem Metallpulver entdeckt. Das Material wurde vom vierten Quartal 2015 bis zum Jahresauftakt 2021 für die Herstellung von Rohlingen für Turbinenscheiben genutzt.

Der deutsche Pratt & Whitney-Partner MTU hatte einen Tag später von 1200 betroffenen Triebwerken gesprochen. Jeder A320neo fliegt mit zwei Motoren, sie stammen mitunter aber aus unterschiedlichen Produktionschargen. Daher sind mindestens 600 Airbus-Jets betroffen. 200 Turbinen müssen sogar bis Mitte September überprüft werden.

Airbus: Chef Faury spürt viel Frustration bei Airlines

„Da ist eine Menge Frustration kurz vor dem Sommer zu sehen“, sagte Faury und sprach von einer „sehr kritischen Lage für die Kunden“ – also die Airlines –, die Airbus „sehr ernst“ nehme. Schließlich fährt die Luftfahrt nach der Corona-Pandemie gerade wieder hoch, die Passagierzahlen nehmen deutlich zu – wenn dann Airbus-Jets wochenlang aus dem Verkehr gezogen werden müssen für die Wartung der Triebwerke, reißt das Löcher in die Flugpläne der Airlines.

Airbus selbst hat mit der Produktion der Triebwerke nichts zu tun – allerdings sind sie das Herzstück der neo-Generation. Denn dank der neuen Motoren – die zur anderen Hälfte vom Joint Venture CFM kommen – kann der Spritbedarf im Vergleich zum Vorgänger um etwa 15 Prozent gesenkt werden. Ein wichtiges Verkaufsargument, das zu Aufträgen für mehr als 1000 neue Maschinen im ersten Halbjahr geführt hat und das Auftragsbuch auf den Rekordwert von 7967 Jets anschwellen ließ.

Triebwerksprobleme könnten sich auf Jahrespläne ab 2024 auswirken

Zumindest mittelfristig könnten die Probleme bei den Pratt & Whitney-Motoren aber auch die Airbus-Ziele verwirbeln. Faury räumte ein, dass nun viel Arbeit für die Mitarbeiter des US-Konzerns als auch von Wartungsbetrieben wie Lufthansa Technik an der Tagesordnung sei. Das werde man für die Jahrespläne 2024 und 2025 berücksichtigen. Grundsätzlich sei es richtig, dass in der Branche Sicherheit vorgehe. Wichtig sei, dass jetzt die richtigen Maßnahmen ergriffen werden.

Am Produktionshochlauf der maßgeblich in Hamburg endmontierten A320-Familie halte man fest, die Fortschritte seien gut. Man liege auf Kurs, im Jahr 2026 die Rate von 75 Fliegern pro Monat zu erreichen. Daraufhin arbeite man mit den Zulieferern. Wie viele Flieger derzeit pro Monat gefertigt werden, sagte Faury hingegen nicht. Das sei unbedeutend. Auch das ursprünglich genannte Interims-Ziel von 65 im Jahr 2024 nannte er nicht mehr. Zu Jahresanfang sollen es 45 bis 50 gewesen sein.

Airbus behält sich „taktische Anpassungen“ beim Ratenhochlauf vor

Zudem behalte man sich „taktische Anpassungen“ in der Produktion vor. Eventuell sind die auch nötig, denn bei den Zulieferern sehe man nach wie vor „Herausforderungen, Schwierigkeiten und Engpässe“, so Faury. Dazu tragen auch die hohen Energiepreise, die Inflation und der Arbeitskräftemangel bei.

An der Börse sorgten die am Mittwochabend veröffentlichten Halbjahreszahlen – der Umsatz stieg im Vergleich zum Vorjahr um elf Prozent auf 27,663 Milliarden Euro, der Konzerngewinn fiel um 20 Prozent auf 1,526 Milliarden Euro – für einen Kursrückgang der Aktie. Sie verlor bis Donnerstagnachmittag etwa zwei Prozent und notierte bei rund 130 Euro.

Airbus – Analysten uneins über weitere Kursentwicklung

Die Hamburger Privatbank Berenberg beließ als Reaktion auf den Halbjahresbericht die Einstufung auf „Verkaufen“ mit Kursziel 100 Euro. Die Ergebnisse seien durchwachsen, die Bewertung der Anteilsscheine historisch und im Branchenvergleich hoch.

Für die Deutsche Bank habe das zweite Quartal hingegen die Erwartungen übererfüllt. „Halten“ empfiehlt der zuständige Analyst und sieht nun 128 statt 127 Euro als fairen Kurswert an. JPMorgan spricht hingegen von „Übergewichten“ und sieht weiterhin 165 Euro als Kursziel an. Der Halbjahresbericht sei gut, hieß es von der US-Bank.