Hamburg. Traditionsreederei spricht von „robustem Ergebnis“. Doch nun droht der Containerbranche weltweit eine neue Gefahr.
Der Geschäfts- und Finanzbericht der Reederei Hapag-Lloyd strotzt nur so vor Minuszeichen und Worten wie „verringert“, „deutlich niedriger“, „geringer“. Alle wesentlichen Kennzahlen, die Auskunft geben über den Geschäftsgang des Unternehmens in der jüngeren Vergangenheit, fallen schlechter, zumeist sogar erheblich schlechter aus als zuvor.
Der Hamburger Schifffahrtskonzern hat laut dem am Donnerstag veröffentlichten Halbjahresbericht von Januar bis Ende Juni im Vergleich zu den ersten sechs Monaten des vergangenen Jahres überall eingebüßt: weniger Umsatz, weniger transportierte Container, viel weniger Einnahmen pro transportiertem Container. Immerhin: Den Treibstoff (Bunker) für seine 258 Frachter konnte die Reederei etwas billiger einkaufen. Aber der Vorsteuergewinn aus dem operativen Geschäft (Ebit) ist gegenüber dem Vorjahreszeitraum um gut 70 Prozent eingebrochen.
Bei Reederei Hapag-Lloyd bricht der Gewinn ein
Angesichts dieser Entwicklung müssten in der Unternehmenszentrale an sich schon länger die Alarmglocken schrillen und alle Mann zum Kriseneinsatz befohlen werden. Die Anteilseigner hätten Anlass, in heftige Unruhe zu verfallen. Ist aber nicht der Fall. Das Unternehmen nennt im Gegenteil seine Zahlen ein „robustes Halbjahresergebnis in einem schwächeren Marktumfeld“.
Tatsächlich sind die heftigen Einbußen weder überraschend noch besonders besorgniserregend. Diese Entwicklung war so erwartet worden. Die Messlatte liegt hoch, denn die jüngsten Zahlen müssen sich mit den absoluten Rekordwerten aus 2022 messen. Im vergangenen Jahr hatte die Traditionsreederei mit 17 Milliarden Euro den höchsten Gewinn in ihrer Unternehmensgeschichte eingefahren.
Hapag-Lloyd erhält pro transportiertem Container 1100 Euro weniger
Vor Jahresfrist hatten noch die Nachwehen der Corona-Pandemie die weltweite Schifffahrt im Griff. Transportraum war knapp und teuer. Hapag-Lloyd bekam für den Transport eines Containers im Schnitt 2850 US-Dollar, in den beiden ersten Quartalen waren es nurmehr gut 1750 Dollar pro Transportbox. Die jahrelang gestörten globalen Lieferketten haben sich inzwischen normalisiert. Hinzu kommt nun, dass der Welthandel lahmt und die Nachfrage nach Transportraum gesunken ist.
Der wesentliche Grund für den Einbruch des Geschäfts „war die geringere Nachfrage nach Containertransporten in den Fernost- und Europaverkehren nach Nordamerika“, teilte die Traditionsreederei mit. Vorstandschef Rolf Habben Jansen sagte: „Die schwächere Nachfrage und die niedrigeren Frachtraten wirken sich sehr deutlich auf unsere Erträge aus. In einem herausfordernden Marktumfeld blicken wir insgesamt auf ein erfolgreiches erstes Halbjahr.“
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Das ist trotz des Gewinneinbruchs von gut neun Milliarden Euro im ersten Halbjahr 2022 auf nun noch gut 2,5 Milliarden in der Tat so. Denn gemessen an Januar bis Juni im Vor-Corona-Jahr 2019 verdient Hapag-Lloyd immer noch prächtig. Vor vier Jahren hatte der operative Halbjahresgewinn bei 389 Millionen Euro gelegen.
Milliardär Kühne darf trotzdem mit hoher Dividende rechnen
Für das Gesamtjahr bestätigte das Unternehmen seine Prognose von Anfang März. Demnach wird Hapag-Lloyd operativ zwischen zwei und vier Milliarden Euro Gewinn machen. Die Aktionäre, zu denen auch die Stadt Hamburg sowie der Milliardär und HSV-Sponsor Klaus-Michael Kühne gehören, können also auch für 2023 mit einer ordentlichen Dividendenzahlung rechnen. Im vergangenen Jahr allerdings hatte sie allein für Kühne noch gut 3,3 Milliarden Euro betragen.
Die Aktie der Reederei gab im Laufe des Vormittags um mehr als vier Prozent nach und sank unter 187 Euro. Dazu dürfte eine andere Nachricht aus der Welt-Schifffahrt beigetragen haben: Die Containerreedereien haben ihre Flotten in diesem Jahr im Rekordtempo ausgebaut, teilte der internationale Reederverband Bimco mit. „Die Auslieferungen neuer Containerschiffe in den ersten sieben Monaten des Jahres erreichten mit 1,2 Millionen 20-Fuß-Standardcontainern (TEU) im Jahr 2023 einen neuen Höchststand“, berichtete die in Dänemark ansässige Branchenorganisation. Die weltweite Flottenkapazität sei seit Januar um 4,3 Prozent gewachsen.
Reederei Hapag-Lloyd – die Flotte wächst, das ist ein Problem
Das ist in der aktuellen Lage mit sinkender Nachfrage und ohnehin schon geringeren Frachtraten keine gute Nachricht. Wenn mehr Schiffe bereitstehen, aber weniger Container transportiert werden sollen, dürften die Frachtraten weiter sinken. Bimco gibt zu bedenken: „Ein weiteres Flottenkapazitätswachstum von etwa 15 Prozent in den kommenden anderthalb Jahren unterstreicht, dass das Wachstum auf der Angebotsseite eine Herausforderung für Schiffseigner und -betreiber bleiben wird.“
Auch Hapag-Lloyd hat seine Flotte ausgebaut. Aktuell fahren fünf Schiffe mehr für die Hamburger auf den Weltmeeren als vor Jahresfrist. Es ist im Halbjahresbericht die einzige Kennzahl ohne ein Minuszeichen.