Hamburg. Supermarktkette startet Pilotprojekt in Hamburg mit Ausnahmeregelung: Lieferbot darf unbegleitet auf die Straße. Erfahrungen mit KI.
Wer häufiger auf der Hoheluftchaussee unterwegs ist, hat ihn vielleicht schon mal gesehen: Seit Mai ist auf der Straße ein kleiner Roboter im Einsatz. Die beiden Scheinwerfer blinken auf, die Räder ruckeln in die Spur – mehrmals am Tag startet das kastenartige Gefährt inzwischen vor dem Rewe-Markt. Im Schritttempo rollt der Lieferbot, so der offizielle Name, über den Gehweg. Er hält brav an roten Ampeln und umkurvt Hindernisse wie Kinderwagen oder hohe Bordsteine. Unter der Ladeklappe hat er Bananen, Honig, Müsli und was sonst noch so in der Gegend online bestellt wird. Das Versprechen: Lieferung innerhalb von zwei Stunden bis an die Haustür.
Die Resonanz ist nach Unternehmensangaben positiv. Schon nach zwei Monaten hatte Rewe einen Antrag auf Verlängerung des Probelaufs für die rollenden Warenkörbe gestellt. Und zudem einen weiteren Schritt bei der Umsetzung der innovativen Technologie erreicht. Denn bislang durften die Rewe-Lieferbots nach dem geltenden Straßenverkehrsrecht nur mit menschlicher Begleitung auf die Straße. Quasi mit einem Robotersitter.
KI: Lieferroboter allein in Eimsbüttel und Hamburg-Nord unterwegs
Jetzt hat die Verkehrsbehörde auch dem vollständig autonomen Betrieb für bestimmte Straßen in den Bezirken Eimsbüttel und Hamburg-Nord zugestimmt. Den Angaben zufolge ist es derzeit „der einzige Anwendungsfall für die Erprobung von Lieferrobotik auf öffentlichen Straßen mit behördlicher Ausnahmegenehmigung in Hamburg“. Geltungsdauer: bis Ende des Jahres 2023. Ein ähnliches Projekt eines anderen Unternehmens hatte es bereits vor einigen Jahren gegeben. Es wurde allerdings inzwischen eingestellt.
Rewe will mit dem Einsatz der Mini-Lieferfahrzeuge neue Erkenntnisse über das Einkaufen der Zukunft gewinnen. Der Supermarkt in der Hoheluftchaussee wurde bundesweit als einziger für den Modellversuch ausgewählt. Dabei setzt der Einzelhändler drei Roboter der Firma Cartken ein.
Äußerlich ist das Gefährt mit einer Ladebox in der Größe eines Mineralwasser-Kastens wenig spektakulär. Die hochkomplexe Technologie steckt im Inneren. Mithilfe von künstlicher Intelligenz, einer Art Radarsystem und Kameras, kann der Lieferroboter selbstständig im Straßenverkehr navigieren und Hindernisse erkennen. Gespeichert ist eine Karte der Umgebung, über die der Lieferbot seinen Zielort auf dem schnellesten Weg ansteuert.
Rewe-Lieferbot kommt bis an die Haustür
Der Bewegungsradius des rollenden Warenkorbs beträgt drei Kilometer. Zur Sicherheit sitzt in der Deutschland-Zentrale des Herstellers in München ein Mitarbeiter, der alle Fahrten auf einem Bildschirm im Bild hat und im Notfall eingreifen kann. Zur Abwicklung der Bestellungen setzt Rewe die Smartphone-App Last Mile ein. Die Bezahlung läuft über Kreditkarte oder digitale Bezahlfunktionen wie Apple Pay oder Google Pay. Bestellt werden können Produkte aus dem Trockensortiment, allerdings keine jugendschutzrelevanten Produkte wie Alkohol oder Zigaretten und keine Arzneimittel. Wenn der Roboter an der Lieferadresse angekommen ist, bekommt der Kunde oder die Kundin eine Nachricht mit einem PIN-Code. Damit lässt sich die Ladeklappe öffnen.
In den vergangenen Jahren gab es weltweit zahlreiche Vorhaben, die innovative Technologie einzusetzen. In Deutschland war die Bereitschaft für Modellversuche in Hamburg besonders groß. So hatte der Paketdienst Hermes 2016 unter anderem in Ottensen Lieferroboter des Herstellers Starship für die Zustellung eingesetzt. Die Pizza-Kette Domino’s ließ schon warme Speisen rund um den Standort in der Stresemannstraße ausfahren und hat im vergangenen Jahr ein weiteres Projekt in Berlin gestartet. Offenbar brachten die Testläufe nicht die Lösungen für die Probleme, die die Unternehmen bei der Lieferung auf der sogenannten letzten Meile haben, und waren stillschweigend ausgelaufen.
Modellvorhaben bei Hermes oder Dominos’s ausgelaufen
Auch der Versuch des estnischen Roboterherstellers Starship, eine Lieferstruktur für kleinere Geschäfte in Eimsbüttel und Altona aufzubauen, wurde wieder aufgegeben. Das Unternehmen hatte 2019 im Rahmen des Pilotprojekts „City-Logistik-Belieferung“ die damals erste Ausnahmegenehmigung für das Fahren ohne technischen Supporter in Hamburg erhalten. Eine Anfrage zu den Gründen für das vorzeitige Aus blieb unbeantwortet. In der Corona-Zeit hatte der Klinikkonzern Asklepios mit Starship-Robotern zunächst Corona-Tests und später auch Medikamente transportiert.
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Trotzdem sind Roboter auch beim Einsatz im Dienstleistungsbereich auf dem Vormarsch – und werden in Zukunft noch deutlich zunehmen. So sind in Hamburg und Umgebung in den Giovanni L.-Filialen in Ottensen, Wandsbek und Norderstedt inzwischen insgesamt neun Service-Roboter im Einsatz, die Eisbecher und Kaffee an die Tische bringen – und wieder abfahren. Hintergrund ist der Personalmangel in der Gastronomie. „Wir haben mit den Robotern keinen Menschen ersetzt“, sagt Betreiber Christopher Schönhoff. Weiterhin suche er dringend Arbeitskräfte. Sollte die Bewerbungslage weiterhin so schlecht sein, kann er sich aber auch vorstellen, weitere Roboter für seine Betriebe anzuschaffen.
Kein Einzelfall: Inzwischen setzt eine Reihe von Restaurants die digitalen Helfer ein. In Grömitz hat ein Hotelier inzwischen einen Test mit einem Kochroboter, der sogenannten Robotic-Kitchen, gestartet.
KI: Betriebszeiten des Lieferrroboters wurden verlängert
Beim Lebensmittelhändler Rewe heißt es zu dem Modellvorhaben mit dem fahrenden Warenkorb: „Innerhalb der noch laufenden Testphase werden viele Erkenntnisse gesammelt und erste Änderungen bereits umgesetzt, um die Bedürfnisse der Kunden noch besser zu erfüllen.“ So wurden etwa die Betriebszeiten des Lieferbots von ursprünglich 11 bis 15 Uhr an fünf Tagen in der Woche erweitert. Jetzt fährt der Lieferroboter zwischen 12 bis 20 Uhr durch Hoheluft – auch am Sonnabend.