Hamburg. Hamburger übernehmen vier Filialen der Kette Bio Company. Was dahintersteckt, auf was sich Kunden einstellen müssen.
- Die Supermarktkette Bio Company schließt ihre vier Hamburger Filialen.
- Diese werden von der Firma Erdkorn übernommen.
- Damit vollzieht sich ein ganz besonderer „Tausch“
Für die Hamburger Kunden der Biosupermarktkette Bio Company ändert sich in den nächsten Wochen einiges. Der Hamburger Fachhändler Erdkorn übernimmt vier Standorte des Berliner Unternehmens. Den Anfang macht die Filiale an der Langen Reihe, die bereits zum 1. September unter dem neuen Betreiber firmieren soll. Danach folgen im Monatsabstand Alstertal-Einkaufszentrum,Hoheluftchaussee und Stresemannstraße. Bis zum Jahresende soll die Übernahme abgeschlossen sein. Die Filiale in der Rindermarkthalle wird nach Auslaufen des Mietvertrags geschlossen.
„Wir haben das Angebot bekommen, die Hamburger Standorte zu übernehmen, und sehen darin eine hervorragende Chance für unsere Wachstumspläne“, sagt Erdkorn-Inhaber Samir Besic. Aktuell betreibt der Biofachhändler elf Märkte in Norddeutschland. Zuletzt war im vergangenen September ein Markt in Buxtehude dazugekommen. In Hamburg ist Erdkorn in Eppendorf, Volksdorf und Iserbrook vertreten. Mit den Bio-Company-Filialen wächst das Unternehmen in der Hansestadt auf mehr als das Doppelte. „Die Standorte ergänzen sich. Durch die Übernahme können wir unser Angebot an regionalen Bioprodukten in weiteren Stadtteilen ausbauen“, so Besic – der schwierigen Lage im Biohandel zum Trotz. Alle 60 Beschäftigte können ihren Arbeitsplatz behalten.
In Hamburg ist Denns Biomarkt – nach einer Erhebung des EHI Retail Institutes Köln (Januar 2023) die Nummer 1 unter den Biosupermärkten in Deutschland – inzwischen mit 18 Standorten vertreten. Gefolgt von Alnatura mit acht Märkten in der Hansestadt. Der regionale Anbieter Tjaden’s hat neun Filialen. Erdkorn steigt mit demnächst sieben Geschäften auf Platz vier auf.
Biosupermarktkette Bio Company verlässt Hamburg
Bio Company zieht sich dagegen komplett aus Norddeutschland zurück – 15 Jahre nach der Eröffnung des ersten Ladens in Hamburg. „Damit konzentrieren wir uns stärker auf unser regionales Kerngeschäft, das in der Metropolregion Berlin/Brandenburg und im Osten Deutschlands liegt“, heißt es in der Mitteilung des Unternehmens, das inzwischen knapp zur Hälfte zu einem Schweizer Bio-Investor gehört und mit mehr als 60 Filialen die Nummer drei unter den den Biosupermärkten in Deutschland ist. Weitere Gründe nannte das Unternehmen nicht.
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Es ist nicht die erste Filialübergabe zwischen den beiden Biohändlern. 2020 hatte Erdkorn den einzigen Berliner Markt an Bio Company abgegeben. „Ähnlich wie damals geht es auch bei dieser Übernahme darum, die jeweilige Regionalität der Sortimente besser umzusetzen“, sagt Erdkorn-Geschäftsführer Besic. Im Klartext: Hamburger Biokunden kaufen lieber Produkte aus dem Norden als aus dem Osten Deutschlands – und umgekehrt. Geplant ist allerdings eine weiterführende Kooperation. So sollen in den Erdkorn-Filialen künftig auch rund 500 Eigenmarkenprodukte von Bio Company in der Preiseinstiegs-kategorie angeboten werden.
Erdkorn wurde 2001 als Biodiscounter gegründet
Erdkorn gibt es seit 2001. Der erste Laden hatte an der Rentzelstraße eröffnet und war als eine Art Biodiscounter zu dem Zeitpunkt etwas ganz Neues. Das Konzept expandierte zunächst bundesweit, geriet aber 2008 in finanzielle Schieflage. 2009 übernahm Samir Besic die Biomarktkette mit damals zehn Standorten. Der gebürtige Bosnier, der im Zuge des Krieges im früheren Jugoslawien nach Deutschland gekommen war, hatte in Kiel Betriebswirtschaft studiert. Über einen Studentenjob bei einem Bioladen in der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt war er in der Branche gelandet und hatte für einen Naturwaren-Großhändler gearbeitet. Inzwischen steht er seit 14 Jahren an der Spitze von Erdkorn und hat den Biofilialisten mit heute 160 Beschäftigten umgebaut und wieder auf die Gewinnschiene geführt.
Aber auch Erdkorn macht die aktuelle Krise in der Ökobranche zu schaffen. Nachdem sich die Geschäfte mit Bio & Co. in Deutschland in den vergangenen Jahren mit immer neuen Bestmarken rasant entwickelt hatten, hat sich das Bild gedreht: 2022 war der Ökomarkt zum ersten Mal geschrumpft, ergab der Marktbericht des Deutschen Bauernverbands. Die hohe Inflation, steigende Kosten und die spürbare Kaufzurückhaltung der Konsumenten haben dem Positivtrend einen Dämpfer versetzt. Laut Bund Ökologischer Landwirtschaft sanken die Umsätze im Vergleich zu 2021 um 3,5 Prozent auf 15,3 Milliarden Euro.
Umsätze im Biohandel 2022 erstmals geschrumpft
Supermärkte und Discounter mit ihren wachsenden Biosortimenten kommen dabei besser weg. Mit gut zehn Milliarden Euro gingen zwei Drittel der Brancheneinnahmen in ihre Kassen – ein Plus von 3,2 Prozent. Dagegen geht es den Pionieren an den Kragen: Naturkostläden und Biosupermärkte erlitten laut den Marktforschern von Biovista „historisch einmalige“ Einbußen. Aktuellen Auswertungen zufolge brach im vergangenen Jahr der durchschnittliche Umsatz pro Laden um 12,5 Prozent ein und pendelte sich etwa auf dem Niveau von 2019 ein. Der Bundesverband Naturkost Naturwaren, hinter dem 2200 Bioläden und Biosupermärkte stehen, meldete für vergangenes Jahr einen Umsatzrückgang von 12,3 Prozent.
Unter anderem war Superbiomarkt (Münster) in Schieflage geraten und musste im Rahmen eines Sanierungsverfahrens mehrere Filialen schließen. Auch Basic (München) hatte Insolvenz in Eigenregie angemeldet. Inzwischen hat der Lebensmittelhändler Tegut (Fulda) 19 Basic-Filialen vor allem in Bayern übernommen.
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Der Druck auf dem Naturkosthandel spielt für die Rochade zwischen Bio Company und Erdkorn den Angaben zufolge keine Rolle. „Aber auch wir merken, dass die Umsätze in der Branche zurückgehen“, sagt Erdkorn-Chef Besic. Demnach waren die Erlöse bei Erdkorn von 20 Millionen Euro im Rekordjahr 2021 auf 17 Millionen im vergangenen Jahr gesunken und liegen jetzt in etwa auf dem Niveau von 2019. „Unser Vorteil ist, dass wir als kleineres Unternehmen flexibel reagieren können“, sagt der 56-Jährige. Dabei habe er auf Kostenreduzierung gesetzt, unter anderem durch Sortimentswechsel. „Wir haben keine Filiale aufgegeben.“ Inzwischen habe sich die Umsatzentwicklung eingependelt.
Biosupermarkt Erdkorn: Rabatte beim Räumungsverkauf
In den nächsten Monaten müssen sich die Kunden allerdings immer wieder auf geschlossene Ladentüren in den Übernahme-Filialen einstellen. Dort werden Bio-Company-Waren aus- und Erdkorn-Waren eingeräumt. „Das soll jeweils nur einige Tage dauern“, verspricht Inhaber Besic, der Einrichtung und Regale übernehmen will. Bereits Ende August startet der Räumungsverkauf an der Langen Reihe. Die Neueröffnung unter Erdkorn-Regie ist Anfang September geplant. „Das Sortiment“, sagt der Erdkorn-Chef, „bleibt weitgehend ähnlich.“ Aber norddeutscher.