Hamburg. Der Ärger in Hamburg nimmt zu: „Es ist eine Katastrophe.“ Erste Betriebe ergreifen drastische Maßnahmen. Wo es besonders schlimm ist.
Es ist schon mehr als ein Jahr her, dass der Senat im „Masterplan Handwerk“ zugesagt hat, für „bedarfsgerechte und unbürokratische Parkmöglichkeiten“ für die Handwerksbetriebe in Anwohnerparkgebieten zu sorgen. Doch in der Praxis bestehen die Probleme offenbar weiter.
„Es ist eine Katastrophe“, sagt Petra Flenker vom Eimsbütteler Betrieb Dirk Flenker Sanitärtechnik, der seinen Sitz mitten in der Bewohnerparkzone E313 hat. Zwar habe man für drei der fünf Firmenwagen eine Ausnahme-Parkgenehmigung erhalten. Dafür habe sie aber online „Tausende von Fragen“ beantworten müssen, so Petra Flenker – bis hin zu den Maßen der Garage. Auch Fotos von der Situation vor Ort seien verlangt worden.
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Trotz der Ausnahmegenehmigungen nutze der Betrieb für seine Fahrzeuge eine EasyPark-App und zahle 700 bis 800 Euro im Monat fürs Parken. „Es wird Handwerkern immer schwerer gemacht, einen Betrieb in Hamburg zu haben und hier zu arbeiten“, klagt Flenker.
Ebenfalls verärgert ist Dirk-Ingo Block, Geschäftsführer des Elektro- und Telekommunikationstechnikbetriebs BEA Bergmann aus Tonndorf: „Stadtteile wie Altona, Ottensen, St. Pauli, Neustadt, Hamburg-Altstadt, St. Georg, Hohenfelde, Rotherbaum, Eimsbüttel, Eppendorf, Hoheluft, Winterhude oder Uhlenhorst müsste man eigentlich zur technikfreien Zone erklären – denn wie sollen Handwerker da noch arbeiten? Sie haben ja keine Chance, da einen Parkplatz zu finden.“
Manche Kollegen sähen sich gezwungen, die Kunden einzuspannen, berichtet Block: „Ich höre von anderen Handwerksbetrieben, dass sie es bei Privatkunden innerhalb des Ring 2 zur Bedingung machen, dass der Kunde ihnen einen Parkplatz zur Verfügung stellt. Das wird vielleicht die Zukunft sein. Aber uns nützt das im Stördienst, ohne zeitlichen Vorlauf, natürlich nichts.“
Genehmigungsquote bei Ausnahmeregelungen hat sich stark erhöht
Nachdem im März auch die Handelskammer die Positionen der Hamburger Wirtschaft zur Parksituation in einem Forderungspapier zusammenfasste, lud Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) im Mai Vertreter der betroffenen Institutionen zu einem „runden Tisch“ ein. Seitdem hat es aus Sicht der Verkehrsbehörde auch schon „Erleichterungen“ gegeben.
„Verbesserungen? Ich sehe keine“, sagt Block – allenfalls Details im Beantragungsverfahren für die Ausnahmegenehmigungen. Eine solche kostet für ein einzelnes Fahrzeug 250 Euro für zwölf Monate. Nach Angaben von Dennis Krämer, Sprecher der Verkehrsbehörde, hat der zuständige Landesbetrieb Verkehr (LBV) zuletzt einige Bedingungen für die Erteilung der Genehmigung gestrichen. Daraufhin habe sich die Genehmigungsquote für die Anträge zum „Parken am Standort“ deutlich erhöht: „Seit März 2023 wurden hier etwa 160 von rund 200 Anträgen positiv beschieden.“ Das entspreche einer Quote von etwa 80 Prozent, während diese in den vergangenen Jahren bei rund 45 Prozent gelegen habe.
„Das mit der Ausnahmegenehmigung klingt toll, aber uns hilft das nicht“, so Block. „Wir haben 55 Firmenfahrzeuge, die sowohl in den Stadtteilen mit Anwohnerparkzonen wie auch außerhalb unterwegs sein müssen. Darum haben wir uns von den Ausnahmegenehmigungen wieder verabschiedet.“ Jetzt seien alle Wagen mit einer Park-App ausgestattet. Damit seien sie „universell einsetzbar“, außerdem rechne die App minutengenau ab. „Trotzdem kostet uns das jeden Monat einen vierstelligen Betrag“, sagt Block.
Techniker nehmen Bußgelder in Kauf, um Kunden nicht warten zu lassen
Hinzu kämen häufig genug Bußgelder. „Unsere Kunden möchten ein möglichst enges Zeitfenster für die Arbeiten genannt bekommen“, so Block. „Inzwischen rufen sie nicht selten bei uns an und fragen, wo unser Techniker bleibt. Wir müssen ihnen dann sagen, dass er schon seit einer Dreiviertelstunde angekommen ist, aber noch immer einen Parkplatz sucht.“ Um die Kunden nicht noch länger warten zu lassen, parkten einige Techniker in solchen Fällen verkehrswidrig – und müssten dafür Bußgeld zahlen.
„Das Bewohnerparken von 8 Uhr bis 20 Uhr ist schon vom Ansatz her ein Fehler“, findet Block. „Sinnvoll wäre doch, den Anwohnern zwischen 19 Uhr und 7 Uhr einen Parkplatz zu sichern, denn tagsüber stehen die Autos vieler Menschen ohnehin an ihrem Arbeitsplatz. Dafür fährt man jetzt am Abend, wenn man von der Arbeit kommt, häufig lange im Kreis, weil ab 20 Uhr dort wieder alle parken dürfen“, so Block.
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„Wir verstehen das politische Ziel der Grünen, die Autos aus der Stadt herauszubekommen“, sagt der Elektromeister. „Aber man muss doch zwischen privat und gewerblich genutzten Fahrzeugen unterscheiden und den Handwerkern auch ermöglichen, ihren Job zu machen.“
„Mit einem Lastenrad können Handwerker keine neue Badewanne liefern“
Er habe „relativ wenig Hoffnung“, dass die Politik von selbst zur Einsicht kommt, so Block. „Die Grünen möchten Hamburg zu einer Fahrradstadt umbauen, aber mit einem Lastenrad können Handwerker zum Beispiel keine neue Badewanne liefern und montieren. Erst wenn die Kunden in der Hamburger City merken, dass kein Handwerker mehr bei ihnen arbeiten will, könnte der politische Druck entstehen, der notwendig wäre, um die hamburgische Verkehrspolitik zu ändern.“
Allerdings will sich Senator Tjarks nach Angaben seiner Behörde auf Bundesebene „kurzfristig“ für „verbesserte Möglichkeiten für in Bewohnerparkgebieten ansässige Firmen einsetzen, ihre betriebsnotwendigen Fahrzeuge dort parken zu können“. Dies könne über eine noch in diesem Jahr geplante praxisgerechte Anpassung der bundesweit gültigen Straßenverkehrsordnung (StVO) geschehen. Nur zeigt das Bundesverkehrsministerium wenig Bereitschaft, diese entsprechend zu ändern. In der Antwort des Ministerium auf eine Anfrage der Hamburger CDU-Bundestagsabgeordneten Christoph Ploß und Christoph de Vries heißt es: „Die bestehenden Regelungen der StVO haben sich in der Praxis bewährt.“
Laut Verkehrsbehörde erzielt das Bewohnerparken die gewünschte Wirkung
In der Handwerkskammer Hamburg erkennt man zwar an, dass die Verkehrsbehörde offenbar ihrem Versprechen nachkomme, Ausnahmegenehmigungen flexibler zu handhaben. Aber: „Ein kleiner Schritt nach vorn ist noch kein Problemlöser“, sagt Hjalmar Stemmann, Präsident der Handwerkskammer Hamburg. Die Kammer fordert Handwerkerparkausweise, die generell auch für das Parken beim Kunden gelten, denn dann könne die Ausnahmegenehmigungspraxis entfallen. Solche Handwerkerparkausweise würden in anderen Bundesländern ausgestellt, denn es gebe durchaus den gesetzlichen Spielraum dafür, heißt es aus der Kammer.
Ungeachtet des anhaltenden Streits um das Bewohnerparken hat die Einführung der Parkzonen nach Darstellung des Verkehrsbehörde aber zumindest die gewünschte Wirkung erzielt: „Die Zahl der verfügbaren Parkmöglichkeiten hat sich – insbesondere tagsüber – nachweislich erhöht, und der Parkdruck wurde vermindert.“