Hamburg. Handelskammer fordert Ausbaustopp und Reform des Bewohnerparkens – und anderen Umgang mit Parkplätzen. Das sind ihre 10 Vorschläge.

Der Widerstand gegen das vom Senat in immer mehr Stadtvierteln eingeführte Anwohnerparken nimmt weiter zu. Nun hat auch die Handelskammer als Vertreterin der Wirtschaft in einem Positionspapier gefordert, das offiziell als „Bewohnerparken“ bezeichnete System zunächst nicht weiter auszubauen – und die Verkehrspolitik beim Thema Parken insgesamt deutlich zu verändern.

Der Senat solle durch eine Bundesratsinitiative auf eine Änderung der Straßenverkehrsordnung hinwirken, in der das Bewohnerparken geregelt sei, heißt es in dem Positionspapier, das dem Abendblatt exklusiv vorliegt. Ziel solle ein „Anrainerparken“ nach dem Vorbild Wiens sein. Dort können laut Handelskammer seit 2018 auch Betriebe und Beschäftigte eine Parkberechtigung erwerben. Bis zu einer Änderung des Systems, dürfe das Anwohnerparken in Hamburg nicht weiter ausgedehnt werden, so die Handelskammer. Auch müsse die Reduzierung von Parkraum insgesamt gestoppt werden.

Anwohnerparken Hamburg: 66.800 Firmen potenziell betroffen

Die Kammer weist darauf hin, dass etwa 66.800 Firmen (39  Prozent ihrer Mitgliedsunternehmen) innerhalb des Rings 2 oder in anderen dicht bewohnten Vierteln angesiedelt seien. Da diese nicht unter das Bewohnerparken fielen, müssten sie Ausnahmegenehmigungen beantragen. Das dauere lange, sei teuer und habe laut einer Umfrage in nur zehn Prozent der Fälle Erfolg. Das Anwohnerparken in dieser Form schade damit nicht nur den Firmen.

Wenn Unternehmen aufgrund dieser Politik abwanderten, verlören innenstadtnahe Quartiere auch an „Attraktivität und Lebensqualität, die genau durch das direkte Nebeneinander von Wohnen und ansässigen Unternehmen (Restaurants, Einzelhandel, sonstige Dienstleistungen, usw.) erst geschaffen wird“, so das Papier.

Verkehr: Kammer fordert anderen Umgang mit dem Thema Parken

Für die bestehenden Bewohnerparkgebiete fordert Handelskammer-Präses Norbert Aust bis zu der von ihm angestrebten Reform „bei den Ausnahmegenehmigungen eine deutlich wirtschaftsfreundlichere Vergabepraxis“. Die Devise müsse lauten: „Im Zweifel für die Unternehmen“.

In dem kürzlich vom Plenum der Handelskammer beschlossenen Positionspapier werden zehn Forderungen an den Senat bzw. Vorschläge für einen anderen Umgang mit dem Thema Parken in der Stadt gemacht.

Das sind die zehn Vorschläge:

  • 1. Das Bewohnerparken soll zu einem Anlieger- oder „Anrainerparken“ nach Vorbild Wiens umgestaltet werden. „Dies würde es Unternehmen ermöglichen, Parkplätze zu den gleichen Bedingungen nutzen zu können“, so die Kammer. Da das Bewohnerparken in der bundesweit gültigen Straßenverkehrsordnung (StVO) geregelt ist, soll Hamburg über den Bundesrat eine Reform anstreben.
  • 2. Bis zu einer möglichen Änderung soll die Stadt Ausnahmegenehmigungen einfacher vergeben, damit Firmen „betriebsnotwendige Fahrzeuge am Betriebsplatz parken“ dürfen. Außerdem soll die Zahl der Bewohnerparkausweise beschränkt werden, damit auch Besucher (von Läden, Restaurants etc.) noch Parkplätze finden.
  • 3. Anträge auf Ausnahmegenehmigungen sollen schneller und transparenter bearbeitet und entschieden werden.
  • 4. Es soll flächendeckend ein Wochenticket (für 30 Euro) eingeführt und in allen Parkscheinautomaten angeboten werden.
  • 5. Bis zu einer Änderung der StVO sollten keine weiteren Bewohnerparkgebiete mehr ausgewiesen werden.
  • 6. „Um den Parkdruck zu reduzieren, sollte die Politik grundsätzlich mehr Park- und Haltemöglichkeiten außerhalb des öffentlichen Raumes schaffen.“ Der Senat solle sich dafür einsetzen, „das nächtliche Parken auf privaten (etwa von Supermärkten) oder städtischen Flächen (etwa von Behördenzentren, Schulen) deutlich zu erleichtern.“ In Gebieten, in denen Parkraummanagement wieder eingeführt wird, sollte der Neubau von Wohnungen wieder an die Schaffung von privaten Stellplätzen gekoppelt werden, die sich am Schlüssel der HafenCity orientiert.“
  • 7. „Es muss Sorge dafür getragen werden, dass die Anzahl der Parkflächen in der Stadt nicht weiter abgesenkt wird. Gegenwärtig entfallen in Hamburg durch die Umsetzung neuer Verkehrsplanungen jährlich rund 1000 Parkplätze, dies bei einem aufgrund des Bevölkerungswachstums weiterhin steigenden Pkw-Bestandes.“ Alternativen zum Pkw müssten vor der Verringerung des Parkplatzbestandes geschaffen werden – nicht andersherum.
  • 8. Mehr P+R-Parkplätze „in der Nähe von Autobahnabfahrten (z. B. in Niendorf, Horn oder Harburg), um Anreize für ortsfremde Fahrzeuge zu schaffen, weit außerhalb der City zu parken und sich in Hamburg mit Bus und Bahn fortzubewegen.
  • 9. Lade- und Lieferzonen sollen digital erfasst und online veröffentlicht werden.
  • 10. „Der ruhende Verkehr muss in Zukunft in den urbanen Alltag integriert und smarter gemanagt werden.“ In den neuen Quartieren Grasbrook und Oberbillwerder funktioniere dies bereits mit sogenannten Mobility-Hubs. „Entsprechende Konzepte (Stichwort Parkhaus der Zukunft‘, Quartiersgarage) sollten auch für Bestandsquartiere geprüft und – wenn möglich – umgesetzt werden“, so das Papier.

Anwohnerparken: Handwerkskammer will „Runden Tisch Gewerbeparken“

„Wir müssen das Bewohnerparken zu einem ,Anliegerparken‘ weiterentwickeln“, sagte Handelskammer-Präses Norbert Aust dem Abendblatt. „Dann werden Unternehmen, die teilweise seit Jahrzehnten in Hamburgs Quartieren verwurzelt sind und einen wichtigen Beitrag zum Ziel der 15-Minuten-Stadt leisten, nicht mehr ausgegrenzt und können mit ihren Fahrzeugen zu den gleichen Bedingungen parken wie Bewohnerinnen und Bewohner.“ Zu viele Gewerbetreibende in Hamburg bekämen trotz nachvollziehbarer Begründung bisher keine Ausnahmegenehmigung in Bewohnerparkzonen.

Unterstützung bekommt die Handelskammer mit ihren Forderungen auch von der Handwerkskammer. „Die klare Positionierung ist wichtig und kommt zur richtigen Zeit“, sagte Handwerkskammer-Präsident Hjalmar Stemmann dem Abendblatt. „Wir haben den Handlungsbedarf für das Handwerk seit Langem deutlich gemacht: Ja zur Klimawende, ja zu einer modernen Stadtmobilität – zugleich brauchen wir aber auch ein glasklares Bekenntnis dazu, dass Gewerbe in den nutzungsgemischten Quartieren Hamburgs auch in Zukunft willkommen ist. Und dazu gehört der Wirtschaftsverkehr.“

Stemmann plädierte, der grüne Verkehrssenator Anjes Tjarks solle mit Kammern und Verbänden einen „runden Tisch Gewerbeparken“ ins Leben rufen, um die Probleme gemeinsam zu lösen.